In der MTB-Szene hilft man sich gegenseitig. Werkzeug, Tipps, Kaltgetränke am Camper – alles gerne! Doch wenn es plötzlich um das Teilen der eigenen Hometrails geht, ebbt die Gastfreundschaft oft jäh ab. Heimische Secret Spots werden oft aufs Strengste gehütet. Doch bringt Localism überhaupt etwas? Und inwiefern schadet er sogar?

Mountainbiker wirken manchmal echt schizophren. Auf dem Parkplatz am Bikepark dominieren Geselligkeit und Wir-Gefühl und mit etwas Tech-Talk und ein paar Schürfwunden an den Schienbeinen findet man sofort herzliche Gleichgesinnte. Ein Werkzeug ausleihen? Setup-Weisheiten erhaschen? Ein Bier abstauben? Na klar Leute, gerne doch! Hach, wie gut sich diese Community in Badeschlappen und staubigen Bike Shorts doch anfühlt. Aber Moment: Mit dem geselligen Miteinander, das an den Lack-schillernden und Freilauf-knatternden Hotspots der Mountainbike-Szene wunderschöne Realität ist, ist in Revieren im heimischen Hinterland oft ganz schnell Schluss. Ihr seid irgendwo im Nachbarort unterwegs und todsicher, dass es hier im Wald gute Trails geben muss, doch auf den einschlägigen Karten herrscht gähnende Leere? Und scheucht ihr dann zufällig doch einen Local im Unterholz auf, dann zischelt der euch nur verschwörerisch zu: „Aber stell das ja nicht auf Instagram, oder noch schlimmer auf Strava!“ Witzig, ist das nicht der Dude von letztens in Finale Ligure? Derselbe Typ, der am Campingplatz im Urlaub noch großzügig Fachwissen und Bier mit euch geteilt hat, gönnt euch bei ihm zuhause in seinem Heimatrevier plötzlich nicht mal einen Ride auf seinen Hometrails? Kommt euch das bekannt vor?

Wohin aber verschwindet die Redelaune der Biker vom Campingplatz in Ligurien so plötzlich, sobald es nicht mehr um den allseits bekannten Cacciatore-Trail geht, sondern um kleine Spots in ihrem heimischen Hinterland? Und steckt das auch in uns selbst? „Mein Trail ist auch dein Trail“-Mentalität oder „Du komms’ hier nicht rein“-Knurren? Wir drehen eine Runde durch die Köpfe und Meinungen von Local Shreddern, leidenschaftlichen Trail Buildern, MTB-Daddys und Bike-Quereinsteigern, um diese Frage zu beantworten. Disclaimer: Einige von diesen Typen kennt ihr auch! Warum sind manche Trails Gemeingut, manch andere aber Objekte strengster Geheimhaltung? Lasst uns herausfinden, welche guten Gründe es für Localism gibt – und auch, was es am Ende kosten kann, nicht zu teilen.

Matthias, 37, Trail Builder und Local Legend
„Wir machen hier unser Ding und solange uns keiner auf den Sack geht, ist alles gut. Dazu gehört aber auch, dass wir den Deckel draufhalten und nicht jede Trail-Einfahrt mit Schildern markieren (sondern tarnen). Wer es ernst meint und die richtigen Leute kennt, darf gerne zu uns stoßen.“

Johannes, 27, Brand Ambassador und Herr seines Secret Spots
„Ich fahre nur auf meinen eigenen Trails. Da habe ich alles selbst gebaut und angelegt. Hier kann ich biken, filmen und mich austoben. Außer mir und meinen engsten Jungs hat hier keiner was verloren. Für alle anderen gibt es genügend lokale Alternativen, die eh jeder kennt.“

Mike, 43, spätberufener E-MTB-Enthusiast
„Ich feiere es, durch das Biken neue Menschen, Erlebnisse und Skills zu gewinnen. Das geht natürlich nur, wenn mich andere Biker offen aufnehmen. Ich will ja nichts kaputtmachen, also finde ich es einfach nur engstirnig, Trails vor anderen Bikern geheim zu halten.“

Nadine, 28, Gast-Shredderin bei den Jungs
„Die Jungs nehmen mich immer mal zu Secret Spots mit. Das ist cool, weil ich so auf Trails komme, die sonst fast keiner kennt. Ich verstehe, dass sie die nicht jedem zeigen wollen. Sonst ist da ja sofort die Hölle los. Man muss schon erstmal dazugehören, um die Trails mitfahren zu dürfen. Das ist Teil der Community und macht auch irgendwie stolz.“

Jonas, 29, Surfer
„Also ich kann nur sagen, wie es beim Surfen ist: Auf dem Strand und am Parkplatz sind alle cool miteinander – aber wehe, ich erwische dich als Nicht-Local auf meiner Welle. Dann gibt’s auf die Fresse!“

Roland, 48, MTB-Daddy und Kids-Trainer
„Die Trails gehören allen, die sie respektvoll nutzen. Verbotsschilder bringen da gar nichts, denn am Ende finden die Kids eh jede Trail-Einfahrt – oder bauen sich direkt selbst etwas in den Wald. Besser ist es, ihnen gleich von Anfang an zu lernen, wie man sich auf dem Trail verhält, ihn schätzt, erhält und pflegt. Das pflegt dann auch die Bike-Community.“

Martin, 32, weitgereister Trail-Connaisseur
„Als mir die Jungs damals zeigten, was man in der Gegend alles mit dem Bike fahren kann, war mir gleich klar, dass man das auch schützen muss. Auch wenn ich selbst nicht oft beim Schaufeln dabei bin, halte ich doch wenigstens meine Klappe und lotse keine fremden Biker in unser Revier.“

Wenn das warme Gefühl von Gemeinsamkeit endet

Wir alle feiern es, uns unter Gleichgesinnten zu fühlen! Der Mensch ist ein Rudeltier, und der Biker auch. Unterstützung, Rückhalt und Hilfe bei den wichtigen Fragen, ob man sich noch ein weiteres Fahrrad anschaffen sollte (ja klar, wegen der n+1 Regel). Und natürlich jede Menge gestenreicher Erlebnisberichte und Crash-Stories. Es ist einfach schön, zu teilen! Auch beim Biken. Und hey, nicht nur mit Wissen und Werkzeug, sondern auch mit unseren eigenen Lieblings-Trails gelingt uns das ab und zu. Wenn die Kumpels mitsamt ihren Bikes zu Besuch kommen, servieren wir ihnen natürlich die feinsten Stücke unserer heimischen Trails und freuen uns hernach beim High-Five mit dickem Grinsen aus dreckverkrusteten Gesichtern, wenn ihnen unser Revier gefällt: „Wow, ihr habt ja echt richtig geile Trails hier!“ Am nächsten Tag reisen sie eh schon wieder weiter, daher nur das Beste für die lieben Buddys, oder? Auch, wenn sie dann nochmal schreiben und fragen, ob wir ihnen den gpx-Track dieser geilen Runde schicken könnten, weil sie ein paar Jungs kennen, die da jetzt auch mal hinfahren wollen? Ähm… Moment! Regt sich gerade Widerstand in euch, wenn ihr das lest? Dann liegt der Finger jetzt genau auf der Wunde: nämlich auf dem schmalen Grat zwischen ehrlicher Offenheit und dem Funken Localism, der vielleicht auch in uns steckt.

Lasst uns hoffen, dass Biken nicht wie Surfen endet!

Nicht nur beim Biken, sondern auch beim Freeriden auf Ski und vor allem beim Surfen gibt es das Phänomen Localism. Was meinen wir damit? Locals nehmen sich in vollen Stücken von der Pracht, die vor ihrer eigenen Nase liegt, und halten Nicht-Locals gleichzeitig von den Erlebnissen ab, die sie selbst so feiern. Kaum ein Skifahrer wird am Lift vor anderen Freeridern laut ausplaudern, wie man zu dem noch unverspurten Tiefschneehang findet, den nur er und seine Crew kennt. Dieses wertvolle Wissen wird nicht einfach so preisgegeben! Und auf dem Surfbrett ist die Suche nach einer guten Welle umso zäher, wenn man auf dem Wasser gleichzeitig noch gegen die Missgunst eines Rudels Locals ankämpfen muss, das den Spot für sich beansprucht. Hier ist es keine Seltenheit, dass auch mal Fäuste fliegen. Surfer sind alle coole, lässige Typen? Mitnichten! Das Aggressionslevel da draußen auf den Wellen ist oft verblüffend hoch: Kochende Wut und purer Stress untereinander – anstatt das Privileg, an einem schönen Flecken Erde sein Hobby auszuleben, schlicht zu teilen. Die gute Nachricht: Auf den Bike-Trails erleben wir noch keine Zustände wie beim Surfen und wollen das auch nie erleben! Doch einen gewissen Localism gibt es durchaus auch dort. Und zwar, wenn wir die einheimischen Jungs und Mädels nach guten Trails fragen, die dann aber nur schmallippig die Achseln zucken und abdrehen, als wüssten sie nichts von Trails, anstatt ihr Wissen offen mit uns zu teilen.

Doch woher kommt diese abweisende Haltung? Die Gründe für Localism sind vielfältig und machen manchmal Sinn, manchmal aber auch überhaupt nicht. Darin stecken die Themen Zugehörigkeit und gelebte Kultur ebenso wie Stolz und Kommunikationsvermögen. Lasst uns die Gründe für Localism hinterfragen und verstehen – oder sie mit Argumenten zerschmettern, wo sie schlicht Blödsinn sind!

Gute Gründe für Localism?

Zugegeben, auch als leidenschaftlicher Biker ist es gar nicht leicht, sich völlig von Localism freizumachen. Vielleicht habt ihr euch auch selbst schon mal als stolze Wächter eures Hometrails ertappt, wenn ihr einen fremden Biker unnötig streng über die hier geltenden Regeln aufgeklärt habt? Und hey, dieser Artikel hat auch nicht zum Ziel, Localism zu verteufeln und alle mühsam gepflegten Hometrails da draußen für herrenlos und vogelfrei zu erklären – denn dann wären auch unsere eigenen Lieblingsflecken in Kürze hinüber! Vielmehr wollen wir dahinterkommen, woher Localism in der Bike-Szene kommt und welche guten Ziele möglicherweise hinter dieser Haltung stecken. Und wir gehen noch weiter und fragen, ob es zum Erreichen dieser Ziele nicht auch andere, bessere Wege gibt, die mehr Biker mit einschließen. Spoilerwarnung: Ja, es gibt sie!

Sonst ist hier bald alles kaputt

Das ist der Klassiker unter den Gründen dafür, warum hier keiner fahren darf – außer natürlich man selbst und die eigenen Homies. Und wisst ihr was? Stimmt auch! Zumindest dann, wenn alle anderen rücksichtslose Einzeller wären, mit lauten Bluetooth-Lautsprechern im Rucksack, Null Respekt für Trail und Natur und stattdessen permanent blockiertem Hinterrad. Aber das sind sie nicht. Es gibt da draußen so manche, die dieselbe aufrichtige Begeisterung fürs Biken und auch für die Bike-Kultur in sich tragen wie ihr selbst. Und die verstehen schnell, warum man was auf Trails tun oder besser lassen sollte. Und warum auch eine Schaufel zum Biken dazugehört, wenn man einen Trail öfter fahren, pflegen oder sogar verbessern will. Anstatt sie erst gar nicht einzuweihen, könntet ihr Interessierten beim nächsten Trail-Pflegetag einfach mal die „no dig no ride“-Regel erklären und so vielleicht ein paar sympathische Jungs und Mädels dazugewinnen, die nicht nur euren Party Train auf dem Bike verlängern, sondern auch an der Schaufel einen wertvollen Beitrag zu eurer Crew leisten.

Das muss man sich schon erstmal verdienen. Hö hö!

Okay Vorsicht, hier sind empfindliche Egos im Spiel. Nicht drauftreten bitte! Der Herzlichkeits-Score einer Crew, die ihre Trails aus genau diesem Grund vor anderen geheim hält, ist ungefähr so niedrig wie der der braungebrannten Surf-Locals, die einen blasshäutigen Norddeutschen gnadenlos aus der Welle prügeln, weil er mitspielen will (Augenzwinkern zu unserem Art Director Julian in Portugal). Warum nicht einfach offen und wertschätzend aufeinander zugehen und sich gegenseitig auch mal was gönnen, noch bevor man selbst etwas bekommen hat?
Klar: Sind die betreffenden Trails schlicht sauschwierig, ist das natürlich etwas anderes. Wir beschweren uns schließlich auch nicht bei Sam Reynolds, Kade Edwards und Co. darüber, dass sie uns schon wieder nicht zum halsbrecherischen Darkfest eingeladen haben. Ein Trail, der für die allermeisten Biker zu anspruchsvoll und damit gefährlich ist, darf durchaus verschwiegen werden. Doch wenn ihr auf eine MTB-Crew trefft, der es wirklich nur darum geht, ihr Ego durch ihr gemeinsames Geheimwissen über Trails zu polieren – dann sucht euch am besten einfach andere Leute. Punkt.

Weg hier, sonst fliegen wir alle auf!

Es kann auch sein, dass die abweisende Haltung der Trail-Locals gar nichts mit Abnutzungssorgen oder prolligem Türsteher-Gehabe zu tun hat. Vielleicht seid ihr vielmehr in einer Gegend gelandet, in der die MTB-Community insgesamt unter geringem Ansehen leidet und Biker ihr Hobby grundsätzlich eher verdeckt ausüben müssen, um nicht noch mehr Stress zu erzeugen. Tatsächlich ist das die bedauerliche Realität in vielen Gegenden, in denen Mountainbiker als Rüpel abgestempelt werden und nicht als gleichberechtigte Mitnutzer der Wege. Das bessert sich freilich nicht durch Geheimhaltungsstrategien einzelner Biker. Vielmehr kann durch einen positiven Auftritt als geschlossene Community ein Signal für alle Biker gesetzt werden. Hier stehen also erst recht alle Zeichen auf offene Kommunikation mit zuständigen Behörden und Entscheidern. Anstatt all eure Mühe in die Geheimhaltung und Pflege eines noch nicht entdeckten und verbotenen Secret Spots zu stecken, könnt ihr euch auch gleich einer Initiative anschließen. Vielleicht erreicht ihr damit, eure Hometrails legal zu machen. Das erspart euch die Geheimniskrämerei, stärkt auch andere Trails in der Gegend und wirkt viel nachhaltiger.

Nicht nur einen Trail teilen – sondern den ganzen Spirit

Welche guten Gründe für Localism bleiben also am Ende? Kaum welche. Sobald ihr es schafft, auch anderen zu vermitteln, wie ein respektvoller Umgang mit Wegen, Natur und Mitmenschen funktioniert und Früchte tragen kann, werden eure Trails durchs Teilen nicht schlechter, sondern wahrscheinlich sogar besser. Dazu gehört es auch, auf andere zuzugehen und mit ihnen zu kommunizieren, anstatt sie in Schubladen wegzupacken.

Ja, unsere Trails sind lebendig. Sie sind empfindlich, können beschädigt werden, aber auch gepflegt und wieder verbessert. Und so wie die Trails leben und verändern sich auch die Biker, die sie nutzen. Was wir den Bikern um uns herum heute mitgeben, entscheidet, wie unsere ganze Community morgen tickt. Dann doch lieber voller Gastfreundschaft als voller strenger Geheimnisse! Es geht nicht darum, einen Secret Trail zu opfern, indem ihr ihn mit anderen teilt. Sondern darum, den gesamten Spirit weiterzutragen und darauf zu vertrauen, dass das etwas Gutes ist. Dazu gehört es, Neues zu entdecken, aber auch, neu Entdecktes zu schätzen, zu pflegen und für die nächsten zu bewahren. Lasst uns das weitergeben!

Gastfreundschaft oder doch besser Localism auf den MTB-Trails? Die Gründe gegen Offenheit sind ziemlich schnell ausgehebelt. Wir alle tun gut daran, statt einzelne Geheimnisse lieber gleich den ganzen Spirit des Radfahrens weiterzutragen. Dann gibt es zwar mehr Biker auf unseren Hometrails – aber auch viel mehr gute, die auch an der Schaufel mit anpacken. Diese Aufgabe hat am Ende vor allem mit Offenheit und guter Kommunikation zu tun. Und hey, das kriegen wir hin!


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Text: Moritz Geisreiter Fotos: Julian Lemme