Mit dem neuen Tracer hakt Intense alle Kästchen ab, die aktuell bei Enduro-Bikes im Trend sind: tief liegender Dämpfer, Staufach im Unterrohr und Mullet-Setup. Dazu hat es im Vergleich zum Vorgängermodell einen deutlich geringeren Preis. Kann es dennoch auf dem Trail überzeugen?

Intense Tracer Expert 2022 | 170/170 mm (v/h) | 16,6 kg in Größe L | 4.999€ | Hersteller-Website

Die letzte große Neuerung des Tracer war 2017. Intense ist als Edelmarke bekannt und damals hat das Enduro-Bikes vor allem Schlagzeilen mit hohen Preisen gemacht. Umso gespannter war man auf das Nachfolgemodell. Bilder von Prototypen schwirren schon seit Langem durchs Internet und bereits im August letzten Jahres durften wir exklusiv einige Testfahrten auf einem von drei Rahmen machen. Für das Jahr 2022 wird das Intense Tracer neu aufgesetzt und bietet mit 170 mm Federweg an Front und Heck etwas mehr als sein Vorgänger. Es ist ausschließlich in der 279-Variante erhältlich und folgt damit dem aktuellen Mullet-Trend mit 29” Vorderrad und 27,5” hinten.

Das Intense Tracer 279 – 2022 Expert im Detail

Alle Züge des Intense Tracer 279 sind im Inneren des Carbon-Rahmens verlegt und treten nur kurz auf Höhe des Dämpfers aus dem Unterrohr aus, um dann wieder in der Sitzstrebe zu verschwinden. Sitz- und Kettenstrebe sind mit einem großzügigen Schutz versehen, der sich an der Verbindung zum Hauptrahmen weit nach oben zieht.

Auch das Unterrohr ist mit einem großen Shuttleguard bedeckt, der im Bereich des Tretlagers nahtlos in ein von unten zugängliches Staufach übergeht. Dieses „Chad Storage System“ genannte Fach ist geräumig genug, um Schlauch, Tool, Snacks und sonstige Kleinigkeiten unterzubringen. Durch eine dazugehörige Tasche soll nerviges Klappern vermieden werden. Die Öffnung nach unten ist zwar bei der Fahrt Dreckbeschuss ausgesetzt, jedoch kann dadurch in dem Fach – anders als bei manch anderen Herstellern – nichts verloren gehen, da der Zugriff am tiefsten Punkt ist. Zudem sorgt die tiefe Position der verstauten Utensilien für einen tiefen Schwerpunkt. Das wirkt sich wiederum positiv auf das Handling aus. Eine Flasche passt problemlos in das Rahmendreieck und ein großer Fender soll die Hinterbau-Links und den Dämpfer vor dem größten Matsch schützen.

Ausstattung, Modelle und Verfügbarkeiten des Intense Tracer 279 – 2022

Das Intense Tracer 279 wird in drei Varianten – Rahmenset, Expert und S – angeboten. Alle setzen dabei auf ein Mullet-Setup und Carbon-Rahmen. Die Frame-only-Variante kostet 3.199 € und ist mit Öhlins-Stahlfederdämpfer ausgestattet. Wir haben das Bike in der Expert-Ausstattung für 4.999 € getestet. Die S-Variante ist mit Öhlins-Fahrwerk, MAGURA-Bremsen und MAXXIS-Reifen mit MaxxGrip-Gummimischung und DH-Karkasse ausgestattet. Die Schaltung kommt von SRAM und ist eine Mischung aus X01-, GX- und XX1-Teilen. In dieser Ausstattung kostet das Bike 6.499 €. Alle drei Varianten werden voraussichtlich ab Mitte Mai 2022 erhältlich sein und können ab sofort vorbestellt werden.

Ausstattung unseres Intense Tracer 279 Expert 2022 Test-Bikes

Für unseren Test hatten wir die 16,6 kg schwere Expert-Ausstattung zur Verfügung. Das Fahrwerk besteht aus der FOX 38 Performance-Federgabel und dem FOX Performance Elite DHX2-Stahlfederdämpfer. Die in der Gabel arbeitende GRIP-Dämpferkartusche ist im Vergleich zur GRIP2-Dämpfungseinheit etwas harsch im Ansprechverhalten und bietet nur Rebound- und Druckstufeneinstellung. Die Beschriftung des Compression-Hebels ist zudem mit „open“ und „firm“ etwas verwirrend. Damit die Gabel ausreichend Gegenhalt bietet, raten wir euch, den Hebel etwa in die Mitte zu stellen. Der Dämpfer im Heck bietet dagegen massig Einstellbarkeit. Mit Änderung von Low- und Highspeed Zug- und Druckstufe könnt ihr ihn ganz nach euren Wünschen justieren. Zudem besteht die Möglichkeit, den Dämpfer zum Pedalieren mit einer Plattformdämpfung zu verhärten. Die Federhärte ist dabei abhängig von der Rahmengröße. In Größe S ist ein 350 lbs-Feder verbaut, jede Größe darüber hat jeweils eine um 50 lbs härtere Feder. Wer für die Rahmengröße bestimmende Körpergröße nicht das perfekte Gewicht hat, muss deshalb im Nachhinein eine andere Feder kaufen.

Viel Potential für Feintuning bietet der FOX Performance Elite DHX2-Stahlfederdämpfer.
In dieser Einstellung arbeitet die FOX 38 Performance-Gabel nach unserer Erfahrung am besten.

Das Cockpit kommt von E*thirteen und besteht aus einem 40 mm langen Vorbau und 800 mm breiten Alu-Lenker. Die SRAM CODE R-Bremsen haben, wie das Kürzel andeutet, eine Reach-Verstellung. Im Vergleich zu dem RSC-Topmodell fehlen jedoch der sogenannte Swinglink, der durch ein spezielles Nockendesign einen kürzeren Leerweg erreichen soll, und die Einstellung der Compression – also des Kontaktpunkts. Da der Bremssattel bei beiden Modellen der gleiche ist, könnt ihr auf die RSC-Hebel upgraden, ohne die Sättel tauschen zu müssen. Das kostet knapp 200 € Aufschlag, verbessert die Brems-Performance aber spürbar.

Vorbau und Alu-Lenker sind von E*thirteen.
Zum Verbessern der Brems-Performance lässt sich der Hebel austauschen.

Die hauseigene Intense Recon-Sattelstütze bietet je nach Rahmengröße zwischen 125 mm und 200 mm Drop. Wer also eine Größe kleiner wählen möchte, um ein verspielteres Bike zu bekommen, muss beachten, dass der Hub der Sattelstütze abnimmt. Zudem ist ein Dropper mit 170 mm in unserer getesteten Größe L ohnehin schon relativ kurz. Damit sich der Sattel nicht dreht, muss die Klemme stark angezogen werden. Geschalten wird mit der SRAM NX Eagle. Diese hat eine Kassette aus Stahl und ist somit deutlich schwerer als die nächst teurere GX-Kassette. Die NX-Schaltung bietet eine Bandbreite von 455 % zwischen dem kleinsten und größten Gang. Das ist im Vergleich zu den 520 %, die inzwischen bei der GX-Gruppe üblich sind, deutlich weniger. Jedoch kompensiert Intense das, indem sie ein kleineres Kettenblatt mit 30 Zähnen – statt wie üblich 32 – verbauen. Dadurch sind die höchsten Gänge zwar etwas leichter, die braucht man auf dem Trail jedoch sowieso nur äußerst selten. Und man kommt deutlich leichter steile Rampen hoch. Smart!

Die SRAM NX Eagle-Schaltgruppe arbeitet zuverlässig und dank des kleineren Kettenblatts ist die Bandbreit auch ausreichend.
Mit 170 mm Sattelhub in Größe L wird die Bewegungsfreiheit bei der Abfahrt eingeschränkt.

Das Bike rollt auf E*thirteen LG1 EN Alu-Laufrädern. Bei unseren Testfahrten haben sich die Speichen bereits nach etwa 1.000 Tiefenmetern gelockert und mussten im Verlauf mehrfach nachgezogen werden. Die Reifen kommen von MAXXIS: DHF an der Front und DHR II am Heck. Beide sind aus der harten MaxxTerra-Gummimischung und mit der pannenanfälligen EXO+ Karkasse ausgestattet. Diese werden dem Potenzial des Bikes leider nicht gerecht. Vorne raten wir euch zu einem Reifen mit weicherer Mischung, wie MAXXIS MaxxGrip und hinten zu einem mit robusterer Karkasse, wie Doubledown, um eure Felgen zu schonen.

Mit EXO+ Karkasse sind die MAXXIS Minion DHR II leider pannenanfällig.
Bei den LG1 EN Alu Laufrädern haben sich die Speichen immer wieder gelockert.

Intense Tracer Expert 2022

4.999 €

Specifications

Fork FOX 38 Performance GRIP 170 mm
Rear Shock FOX Performance Elite DHX2 170 mm
Seatpost Intense Recon 170 mm
Brakes SRAM Code R 200 mm
Drivetrain SRAM NX Eagle 1x12
Stem E*thirteen Base 40 mm
Handlebar E*thirteen Base 800 mm
Wheelset E*thirteen LG1 Plus EN 29"/27,5"
Tires MAXXIS DHF MaxxTerra EXO+/Minion DHRll MaxxTerra EXO+ 2,5"/2,4"

Technical Data

Size S M L XL

Specific Features

Flip Chip
Staufach im Unterrohr

Geometrie des Intense Tracer 279 – 2022

Das Intense Tracer 279 wird in 4 Größen von S bis XL angeboten. Die Geometrie lässt sich über einen Flip-Chip mit Low- und High-Setting anpassen: Sitz- und Lenkwinkel werden so um 0,5° flacher und auch Reach, Stack und Kettenstrebenlänge ändern sich. Wir sind das Bike in beiden Einstellungen gefahren und empfehlen euch das Low-Setting für maximalen Spaß auf den Trails. In unserer getesteten Größe L beträgt der Reach 475 mm und der Stack ist mit 640 mm recht hoch. Der Lenkwinkel sitzt bei 64° und mit 440 mm ist das Sitzrohr kurz genug, um ausreichend Bewegungsfreiheit bei der Abfahrt zu gewährleisten. Die Tabelle zeigt die Geometrie im Low-Setting.

Größe S M L XL
Oberrohr 559 mm 591 mm 619 mm 646 mm
Sattelrohr 385 mm 418 mm 440 mm 465 mm
Steuerrohr 90 mm 100 mm 110 mm 120 mm
Lenkwinkel 64,0° 64,0° 64,0° 64,0°
Sitzwinkel 77,4° 77,4° 77,4° 77,4°
BB Drop 12 mm 12 mm 12 mm 12 mm
Kettenstrebe 439 mm 439 mm 439 mm 439 mm
Radstand 1195 mm 1229 mm 1258 mm 1287 mm
Reach 420 mm 450 mm 475 mm 500 mm
Stack 622 mm 631 mm 640 mm 649 mm
Helm POC Axion | Brille POC Aspire | Shirt POC Reform Enduro | Shorts POC Resistance Ultra | Knieschoner POC Joint VPD | Schuhe ION Scrub AMP | Socken Stance

Das Intense Tracer 279 Expert 2022 auf dem Trail

Schwingt man sein Bein über das Intense Tracer 279, hat man direkt eine angenehme Sitzposition. Beim Fahren bergauf sitzt man als großer Fahrer minimal hecklastig. Der tatsächliche Sitzwinkel ist – verglichen zum effektiven Sitzwinkel – deutlich flacher und positioniert den Sattel bei weitem Auszug aus dem Sattelrohr relativ weit hinten. Dann muss man aktiv Druck auf die Front bringen, damit das Vorderrad nicht steigt. Das Bike lässt sich sehr antriebsneutral pedalieren, weshalb die Plattformdämpfung nicht gebraucht wird.

Geht es bergab, wird – ähnlich wie im Uphill – eine etwas aktive Fahrposition benötigt, um Druck auf die Front zu bekommen. Mit einer weicheren Gummimischung des Vorderreifens und einer besseren Dämpferkartusche in der Gabel wäre das Problem voraussichtlich schon behoben. Hat man sich an die Fahrposition gewöhnt, bietet das Tracer 279 ein intuitives Handling und vermittelt durch die hohe Front Selbstvertrauen auf dem Trail.

Die Balance zwischen Front und Heck ist gut und es geht dennoch easy auf das Hinterrad und lädt zum Manual fahren ein. Das Tracer ist komplett leise, selbst wenn man einige Sachen in das Staufach im Unterrohr geladen hat. Der Hinterbau des Bikes ist gut ausbalanciert. Er spricht fein an und generiert viel Traktion auf Highlines und beim Anbremsen. Dennoch bietet er genug Gegenhalt für harte Fahrmanöver und auch reichlich Pop für Sprünge. Durch die etwas harsche Gabel entsteht eine leichte Dysbalance an Traktion zwischen Front und Heck. Trotzdem bietet das Bike eine hohe Laufruhe und blüht bei hohem Speed erst so richtig auf. Man spürt förmlich, dass man dazu verleitet wird, die Bremsen länger offen zu lassen und mit Vollgas die Trails entlang zu knallen. Aber auch in engen Passagen lässt sich das Tracer gut navigieren. Es wird zwar wegen des hohen Gewichts ein etwas größerer Impuls benötigt, aber es ist trotzdem gut manövrierbar.

Das Intense Tracer 279 weist durchdachte und gut umgesetzte Detaillösungen, wie zum Beispiel das Staufach, auf und kann auch auf dem Trail überzeugen. Der Hinterbau schafft den Spagat zwischen Traktion, Gegenhalt und Reserven und kann so auf voller Linie überzeugen. Leider können einzelne Komponenten, wie die Laufräder, Bremsen und die Gabel, nicht ganz mit der Performance mithalten. Das intuitive Handling und die High-Speed-Fähigkeiten lassen jedoch über diese Makel hinwegblicken und insgesamt bietet das Tracer ein rundes Gesamtpaket für einen fairen Preis.

Tops

  • starker Hinterbau mit massig Traktion, gutem Gegenhalt und vielen Reserven
  • gelungene Umsetzung des Staufachs mit dem Chad-Storage-System
  • vermittelt hohes Selbstvertrauen auf dem Trail

Flops

  • Laufradqualität
  • Reifen und Gabel limitieren das Bike

Weitere Informationen zum neuen Intense Tracer 279 Expert 2022 findet ihr auf der Hersteller-Website von Intense.


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Text: Simon Kohler Fotos: Peter Walker

Über den Autor

Simon Kohler

Simon liebt Geschwindigkeit. Als Downhill Skater ist er lange Zeit Rennen gefahren und mit seinem Longboard Alpenpässe runtergeknallt. Inzwischen hat er vier gegen zwei Reifen eingetauscht und heizt jetzt mit seinem Mountainbike auf Trails und Bikepark Lines. Bei verschiedensten Roadtrips durch die Alpen hat er seither einige der feinsten Trails Europas ausgekostet. Da er einige Zeit in Österreich gelebt hat, kennt er zudem die lokalen Bikeparks wie seine Westentasche. Durch sein Ingenieurstudium und seine Liebe zum Detail ist er ein echter Technik-Nerd und testet jetzt als Redakteur die aktuellsten Bikes und Parts auf Herz und Nieren. Als Frühaufsteher und selbsterklärter Müsli-Connaisseur lebt er sein Leben frei nach dem Motto „Powered by Oats. And also Legs.“