Trails & Reisen

MTB in den Cinque Terre: La Dolce Vita

Wir leben in hektischen Zeiten und kämpfen irgendwie gegen die Uhr – meistens ohne Möglichkeit, uns zu entschleunigen und uns ganz auf die Umgebung und den Moment einzulassen. Doch ganz im Sinne von La Dolce Vita drückt Lorenzo Suding in den Cinque Terre auf „Pause“ und entdeckt den wahren Charme Italiens.

„Dolce Vita“, ein berühmter Ausdruck auf Italienisch, beschreibt ein unbekümmertes Lebensgefühl, genauer gesagt, diese Haltung von „wir haben alle Zeit der Welt“. Es geht darum, diese kleinen, kostbaren Momente zu genießen – zum Beispiel den Sonnenuntergang in einer fantastischen Kulisse bei einem Bier mit Freunden. Ist man gleich faul oder genusssüchtig, wenn man sich über die Zeit nicht so viele Gedanken macht? Im Urlaub zumindest nicht! Frei von Sorgen zu sein, ist hier eine Tugend, man erlebt die Dinge wie schwerelos. Deshalb passt der Ausdruck „Dolce Vita“ sehr gut zu einem Bike-Urlaub in Italien, besonders, wenn sich der Tourguide um alles kümmert. Auch wenn die Zeit für dieses Abenteuer natürlich begrenzt ist, sollte es sich anfühlen, als ob die Uhr irgendwie nachsichtiger mit uns ist. Man würde ja auch keine epische Filmszene vorspulen, oder?

Wo wir gerade bei Filmen sind: Die meisten kennen wahrscheinlich den Klassiker „La Dolce Vita“ von Federico Fellini, der dieses Lebensgefühl in den 60ern weltweit bekannt machte. Er zeigte in Schwarzweiß-Aufnahmen die Lebenslust eines Journalisten und die Freuden des charmanten, aber dekadenten Lebens in Rom.

Die gute Nachricht: Wenn man das Bike tragen muss, heißt das normalerweise, dass man fast oben ist.
Es geht nicht nur um die Aussicht: Bergab wartet eine halbe Stunde voller Freudenschreie. Ein Trail, den man nur als episch bezeichnen kann.

Dieses warme, friedliche Gefühl, das einen umgibt, ist an manchen Orten in Italien besonders stark. In der Toskana und in den Cinque Terre scheint alles, alle Erlebnisse, alle Gerüche und alle Eindrücke, von „Dolce Vita“ geprägt zu sein. Das Gewöhnliche wird zum Besonderen, wie das laute Streitgespräch zweier Männer darüber, wer den besseren Wein macht. Und gerade, wenn man denkt, dass sie sich gleich prügeln, brechen sie in Gelächter aus, stoßen an der Bar an und scherzen miteinander. Alles in allem ist Dolce Vita im Urlaub eine wunderbare Sache, deshalb verwenden wir von Dolce Vita Bike den Namen und reichern ihn sozusagen mit Bikes an.

Ich habe weite Teile Italiens bereist, und die Cinque Terre gehören für mich zu den Gegenden, in denen das ikonische Lebensgefühl am deutlichsten spürbar ist. Italien ist so vielseitig, dass jede Region ihre eigene Interpretation von Lebensgefühl bietet. Die Cinque Terre mit ihren pittoresken Landschaften und Dörfern sind fast zu perfekt, um wahr zu sein ‒ doch die Touristen, die aus den Kreuzfahrtschiffen ausgespuckt werden und mit den Fingern auf Sehenswürdigkeiten zeigen, während sie den Guides zuhören, schmälern diesen Eindruck ein klein wenig. Man könnte sagen, es ist ein zweischneidiges Schwert, immerhin sind die Cinque Terre nicht so überlaufen, dass es ihren besonderen Charme verderben würde. Der Tourismus ist hier der Motor der Wirtschaft und trägt so auch zum Erhalt der Schönheit bei.

Über einen verspielten Trail geht es hinab bis in den Ort ‒ ein Trail wie eine Riesenachterbahn
Der üppige Urwald mit tollem Lehmboden und ein paar großartige Anliegern bietet erstklassige Trail-Qualität

Es ist ein besonderes Erlebnis, in einem Hotelzimmer am Golf von La Spezia aufzuwachen. Es empfiehlt sich, den Kaffee direkt am Wasser zu trinken, mit Blick auf die Insel, die man – jedenfalls in unserem Fall – später am Tag betreten wird. Wir folgen der alten Binsenwahrheit „erst kommt die Arbeit, dann das Vergnügen“, lassen uns kurz zum Hafen von La Spezia fahren und pedalieren dann bergauf. Oben angekommen, erreichen wir nach einiger Zeit den Steilhang zum Meer und bewundern die imposanten Klippen, die senkrecht ins tyrrhenische Meer abfallen.

Ein Anstieg mit entspannter Steigung ermöglicht Plaudern ohne Atemnot
Die Landschaft bietet imposante Kontraste zwischen weich und schroff, und das Terrain zum Mountainbiken ist herrlich vielseitig, von lehmigen Waldböden bis zu steinigem Küstentrail

Überwältigt von der majestätischen Aussicht nehmen wir uns ein oder zwei Minuten, um sie auf uns wirken zu lassen. Momente wie diese sind super intensiv. Gebannt stehen wir vor dem Abhang, doch schon im nächsten Moment heizen wir den Trail runter und müssen hellwach sein. Auf wunderschönen flowigen Trails fahren wir hinunter zum Hafen von Venus, und statt grandioser Landschaft, ist es jetzt das uralte Städtchen, das uns in den Bann zieht.

Als wir den märchenhaft schönen Ortskern erreichen, dringt uns ein verlockender Duft in die Nasen und unsere knurrenden Mägen führen uns zielsicher in eine der vielen Focaccerien. Wir kaufen uns einige „Focacce di Recco“ und suchen uns ein Plätzchen auf der sonnigen Piazza Bastreri, wo wir sorglos unser Essen genießen ‒ auch hier wieder: la Dolce Vita! Danach trinken wir an der Bar im Café einen Espresso, sprechen den restlichen Tagesplan durch und machen schließlich noch ein kurzes Nickerchen in der Sonne. Noch etwas verschlafen bewegen wir uns ganz langsam in Richtung der Anlegestellen und werden mit einem „ciao ragazzi, sono qui!“ begrüßt. Federico, der drahtige Bootsmann, lädt uns mit einem breiten Lächeln und Daumen hoch ein, an Bord zu kommen.

Eine Motorbootfahrt mit dem Bike ist an sich schon ziemlich cool, aber noch viel cooler ist es, aus dem Mittagsschlaf aufzuwachen, während das Boot auf dem Weg zur Insel Palmeria bei voller Geschwindigkeit über die Wellen hüpft. Wir kommen an einem riesigen Wachturm mit alten Kanonen vorbei und man hat sofort die Piraten vor Augen, wie sie hier Handelsschiffe attackieren. Wir erreichen die kleine Insel und pedalieren gemächlich bergauf, um bald wieder auf eine Strecke bergab zu kommen, die zu Pausen und einfach nur Genießen der Aussicht einlädt. In der Ferne im Süden lassen sich die Umrisse Korsikas erkennen, und wir setzen uns für eine Weile auf von der Sonne erwärmte Felsen. Wie Eidechsen absorbieren wir die Wärme und das Licht, schließen die Augen, weil uns die Spiegelung der Sonne im ligurischen Meer blendet, und schlafen beinahe wieder ein. Als unsere verschwitzten T-Shirts wieder trocken sind, setzen wir unsere Abfahrt zur Küste fort. Unser Boot ist noch nicht wieder da, deshalb nutzen wir die Gelegenheit für ein belebendes Bad im kristallklaren Wasser. Als Federico mit dem Boot ankommt, schlüpfen wir wieder in unsere Shorts, steigen an Deck und machen uns auf den Rückweg nach La Spezia.

Cool tun, während man sich freut wie ein kleines Kind: Beim Ausladen der Bikes in Porto Venere. #bigCombo

Nach einer erfrischenden Dusche im Hotel ziehe ich mir was über, schlüpfe in die Sandalen und treffe die anderen unten in der Lobby. Wir spazieren zu einer Bar, trinken eine Aperol Spritz und ziehen dann weiter zum Abendessen in eine Trattoria. Die kühle Brise nach dem heißen Tag fühlt sich wundervoll auf unserer Haut an, und beim Gedanken ans Essen gehen wir automatisch schneller. Was wir bestellen, ist keine Frage: Fisch und Meeresfrüchte natürlich, ganz frisch und lokal – wie passend, nach einem Tag, an dem man die meiste Zeit auf das Mittelmeer geschaut hat. Nach dem fantastischen Essen auf der Terrasse bestellen wir Espresso und schließlich stoßen wir noch mit einem Ammazzacaffè an, einem kleinen Likör nach dem Kaffee, als sogenannten „coffee killer”. Dann schleppen wir uns zurück ins Hotel, wo wir weiter von la Dolce Vita träumen.

Bromantik vom Feinsten. Bei solchen Aussichten darf man auch mal kitschig werden.

Mehr Infos dolcevitabike.com


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text: Lorenzo Suding Fotos: Andrea Passerini