VANDURO – was soll das schon wieder heißen? Wie unschwer zu erkennen ist, verstecken sich hier die Wörter „Van“ und „Enduro“ und für genau das steht der Begriff auch. In unserer Leserumfrage haben sich 37 % von euch dazu bekannt, an Vanlife und Camping interessiert zu sein. Wir haben eure Stimme gehört und werden euch mit VANDURO genau das geben.


Dieser Beitrag stammt nicht wie gewohnt von unserer ENDURO-Redaktion, er erzählt eine einzigartige Story aus der ENDURO-Community. Falls auch du eine abenteuerliche, inspirierende oder außergewöhnliche Geschichte auf oder mit deinem Mountainbike erlebt hast und sie gerne mit uns und der MTB-Szene teilen möchtest, kannst du uns jederzeit über unseren Contribute-Bereich kontaktieren.


VANDURO. Es riecht nach Abenteuer. Die Zutaten? Ein ausgebauter Van, zwei Enduro-Bikes (YT JEFFSY und SCOR 4060 LT) und Anna & Amir. Die beiden begeisterten Biker aus Zürich haben sich 2020 dazu entschieden, gemeinsam eine neue Lebensform, aber vor allem auch neue Abenteuer zu erleben. Mit diesem Format ermöglichen wir es euch, Anna und Amir von der Entstehung der Idee bis zu den Ereignissen auf ihrer Reise zu begleiten.

Wie so vieles, beginnt auch diese Geschichte mit einer Idee. Der Zündstoff hier? Die Panamericana* von Kanada nach Chile mit einem ausgebauten Van runter zu tuckern. Natürlich mit Enduro-Bikes im Gepäck, denn bekanntlich ist das Mountainbiken ein Schlüssel zu fremden Menschen, neuen Kulturen und unbekannten Abenteuern.

*Die Panamericana ist ein System von Schnellstraßen, das – mit wenigen Lücken – Alaska mit Feuerland in Argentinien verbindet, sich also über die gesamte Nord-Süd-Ausdehnung des amerikanischen Kontinents erstreckt. Das Netzwerk ist in seiner längsten Nord-Süd-Verbindung etwa 25.750 km lang. (Wikipedia)

Im ersten Teil erfahrt ihr, was die Gründe für eine solche Reise sind, wieso wildfremde Personen ihren 3-D-Drucker zur Verfügung stellen, wie Parkplatzbekanntschaften entstehen, inwiefern in jedem von uns ein kleiner Nomade steckt – und vorallem: Wie es sich anfühlt, wenn man schrittweise das vertraute Konstrukt aus Job, Mietwohnung, Karriereleiter und Sicherheit hinter sich lässt. Für alle, die sich für den Van-Ausbau und periphere Themen, wie Solar, Elektronik, Wasser etc., interessieren, denen wird auf YouTube mit tausenden von How-to’s geholfen, wir lassen diesen Part hier bewusst weg.

Amir & Anna auf unserem ENDURO Bike-Trip

Anna und Amir (das A-Team) kennt ihr bereits von unserem Road-Trip mit GHOST-Bikes und dem Land Rover Defender. Wie es der Zufall will, ist aus den gemeinsamen Tagen eine Freundschaft entstanden und einige Monate später dürfen wir sie auch ein bisschen zur ENDURO Familie zählen. Mit ihrer Absicht, die tägliche Routine an den Nagel zu hängen und ein Leben auf knapp 5 Quadratmetern zu führen, haben wir nichts zu tun. Die Idee keimt in den beiden schon länger und wir freuen uns darauf, sie dabei zu begleiten!

Sorry, keine Zeit!

Sich Zeit nehmen! Zeit ist das kostbarste Gut und das soll wahrgenommen und sinnvoll genutzt werden. Aber womit soll man seine Zeit verbringen? Dies ist eine sehr persönliche Frage und nicht jeder kann sie prompt beantworten. Für Anna und Amir ist jedoch schnell klar: Sie wollen nicht zu denjenigen gehören, die sich permanent mit dem Satz „Sorry, keine Zeit!“ entschuldigen. Darum ist das Motto ihrer Reise: sich Zeit nehmen. Füreinander, für sich selbst, für neue Kulturen und – ja, natürlich auch, um das schönste Zweirad-Hobby auf unzähligen neuen Trails auf einem anderen Kontinent zu leben. Also Bike-Bag packen, ein paar Shirts und Hosen in den Rucksack, ab in den Flieger und los! Ganz so einfach ist das natürlich nicht. Erst mal muss ein Bus her, dieser soll ja das neue Zuhause und zugleich Bike-Garage werden. Dann die Frage: Wie finanziert man eine solche Reise? Das Konto reicht vielleicht knapp für einen gebrauchten Van und den Ausbau. Was geschieht mit dem Job? Wohnung? Versicherungen? Wie baut man einen Van aus? Viele Fragen, wenige Antworten und sehr viel Ungewissheit.

Schnell wird ihnen bewusst: Es wird ein Plan benötigt! Ein Finanz- und Sparplan ist schon bald auf dem Tisch, der Gürtel etwas enger geschnallt und das Konto füllt sich Monat für Monat. Die Fahrzeugsuche dann erweist sich wesentlich schwieriger, denn beim fahrenden Untersatz geht es um die erste große Entscheidung. Es wird mehr Zeit benötigt, sehr viel mehr Zeit als zu Beginn angenommen! Wir sprechen von 1,5 Jahren Vorbereitung, wobei nach 6 Monaten das Fahrzeug – ein 10 Jahre alter Mercedes Sprinter – gefunden ist, liebevoll getauft auf den Namen Ferdi.

Nach 6 langen Monaten ist das neue Zuhause endlich gefunden.

Geplant, gezeichnet, diskutiert und das ganze wieder und wieder … und nochmals … und nochmals, bis zum finalen Design. Jede freie Minute nach dem Job wird nun in den Umbau von Bus Ferdi investiert.

Die Reise beginnt viel früher als erwartet!

Zumindest das Gefühl, bereits auf Reisen zu sein, macht sich sehr schnell breit. Alles ist neu, Baumarkt-Besuche wandeln sich von Tortur zu Routine, Do-it-yourself-Videos werden zum sonntäglichen Tatort-Ersatz. Doch das Überraschendste: Egal wo man mit einem halb ausgebauten Van auftaucht, die Leute begegnen einem mit Neugier, die so nicht üblich für unsere Breitengrade und schon gar nicht für Zürich ist. Es scheint, als ob bereits ein wenig vom Fernweh- und Abenteuer-Staub an Ferdi, Anna und Amir haftet.

Doch woher kommt diese Offenheit? War sie schon vorher da, wurde aber nicht wahrgenommen? Oder verändert man sich selbst, seine Spirit, wenn man so ein Unterfangen umsetzt? Vielleicht ist es auch einfach der Lauf der Dinge und genau so, wie die Bike-Branche einen massiven Aufschwung erlebt, geschieht dies auch im Van-Life-Bereich. Man ist einfach am Puls der Zeit und das breite Interesse in der Gesellschaft wird auch auf dem Parkplatz hinterm Haus spürbar, wo Wochenende für Wochenende gewerkelt wird. Zusammenfassend dürfte es wohl eine Kombination aus allen Dynamiken in Summe sein. Mit diesem Gefühl im Bauch verstreichen die Wochen. Es entstehen Parkplatz-Bekanntschaften, die nun regelmäßig vorbeischauen. Man findet Gleichgesinnte, die bereits auf Reisen waren und Tipps und Tricks verraten. Solche, die eine ähnliche Reise noch vor sich haben, oder einfach neugierige Passanten, die beim Vorbeilaufen den Kopf durch die Schiebetüre strecken und sich ungeniert nach der aktuellen Bauphase informieren, als wäre man Altbekannte. Es folgen Einladungen auf Bier oder Kaffee und sogar ein Angebot von Thomas, einem interessierten Passanten: Er kann auf seinem 3-D-Drucker Sonderteile für den Ausbau anfertigen – genial! Auf ähnliche Weise kommt ein Kontakt zu einem Schreiner zustande, der das A-Team beim Ausbau stark unterstützt. Es scheint, als nehme alles seinen natürlichen Lauf und Ferdi wandelt sich mehr und mehr von einem alten Baustellenfahrzeug in ein kleines Zuhause. Go with the Flow!

Steckt in jedem von uns noch ein kleiner Nomade?

Bei all den neuen Bekanntschaften drehen sich viele Gespräche immer wieder um das gleiche Thema: das Bedürfnis zu reisen! Dabei geht es nicht um die physische, Bewegung auf der Landkarte von einem Punkt A zu einem Punkt B. Vielmehr geht es um die Sehnsucht nach dem Gefühl, das wir empfinden, wenn man auf Reisen ist. Das Gefühl von Freiheit, sich losgelöst von Zwängen und Erwartungen bewegen und entwickeln zu können. Morgens keinen Wecker klingeln zu hören, um rechtzeitig in den Tag zu starten, sondern von Sonnenlicht und Vogelgezwitscher geweckt zu werden. Zeit in der Natur zu verbringen. Sich ohne Plan einfach treiben lassen, in den Tag leben und Dinge und Situationen auf sich zukommen lassen. Es werden viele Argumente genannt, doch woher kommt dieses Verlangen? Ist es möglicherweise noch tief in uns verankert und steckt in jedem von uns ein Nomade? Über 200.000 Jahre lang waren wir als Homo sapiens in Kleingruppen von einer Handvoll Menschen umhergezogen. Bis wir vor rund 10.000 Jahren sesshaft wurden, das Vieh zähmten und Ackerbau betrieben. Es war der Beginn einer Erfolgsstory, an deren aktuellen Skala nun Weltraumraketen, Smartphones und eine globalisierte Gesellschaft stehen. Aber sind wir an das moderne, sesshafte Leben wirklich angepasst? Bevor wir hier zu weit in die Evolutionsgeschichte abdriften, lässt sich eines mit Klarheit sagen: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Routinen, immer wieder gleiche Abläufe werden als angenehmer und kalkulierbar empfunden, sofern sie sich am gleichen Ort abspielen. Sie sind zudem mit weniger Risiko verbunden und geben einem dadurch das Gefühl von Sicherheit. Tauschen viele also aufgrund von Risikoaversion ihr Freiheitsgefühl gegen Sicherheit ein? Vielleicht kann uns das A-Team hier mehr Aufschluss geben. Werden sie nach einem Jahr wieder sesshaft oder zieht es sie weiter ins Ungewisse?

Jeder Anfang ist schwer, loslassen wird immer einfacher!

Die Entscheidung, sich für mindestens 12 Monate auf eine Reise mit unvorhersehbaren Herausforderungen zu begeben, lässt sich gut mit der Anschaffung von einem neuen Bike vergleichen. Eigentlich hat man ja ein Bike, das vielleicht noch in einem top Zustand ist, und es gibt auch gar keinen rationalen Grund, wieso nun doch ein neues her muss. Einigen von euch dürfte dieser Gedanke gut bekannt sein. Hat man sich dann die ganzen (ir-)rationalen Argumente zurechtgelegt und sich selbst davon überzeugt, dass dies nun das Richtige ist, überschlagen sich in der Regel die Ereignisse. Von den Modellen, mit denen man schon seit Monaten liebäugelt, kennt man die ganze Ausstattung auswendig, Preise und Liefermöglichkeiten sind abgecheckt. Und im Handumdrehen sitzt man mit einem fetten Grinsen auf dem neuen Bike am Start seines Home-Trails und kann es kaum erwarten, das neue Teil den Hügel runterzujagen.

Mit der Reise verhält es sich ähnlich, es gibt keinen notwendigen Grund, dies zu tun. Auch Anna und Amir haben sich ihre Argumente fein säuberlich zurechtgelegt. Klar ist der Impact auf ihren Alltag etwas größer als bei einem neuen Bike. Nur haben auch sie sich für dieses fette Grinsen zu Beginn von etwas Neuem entschieden – Grund genug, loszuziehen.

Ist das Vorhaben erst mal bei Freunden und Familie angekündigt, sind alle weiteren Schritte nur logische Folgerungen. Glücklicherweise müssen nicht gleich alle Entscheidungen am ersten Tag gefällt werden. Bei der ersten Aktion bezüglich Fahrzeug und Ausbau hat man schon mal Gelegenheit, seine Entscheidungsfreudigkeit zu trainieren. Vom Batterietyp über Solaranlage bis hin zur Holzsorte stehen hunderte von kleinen Entscheidungen an und doch will jede behutsam überdacht und gefällt werden. Alles ufs Maximum reduziert, denn Platz und Zuladung sind im Bus Mangelware. Es folgen fundamentale und logistische Entscheidungen. WC Ja / Nein? Dusche Ja / Nein? Für wie lange sollte das Frischwasser ausreichen? Und ehe man sich versieht, schreibt man die ersten Kündigungen fürs WLAN und ÖPNV-Abos. Man steuert unweigerlich auf die großen Entscheidungen zu: Soll der Job gekündigt werden oder ein Gespräch in puncto Sabbatical gesucht werden? Soll die Mietwohnung geräumt und der Wohnsitz abgemeldet werden? Im Unterbewusstsein sind schon längst alle Stränge gelöst, es müssen aber noch Taten folgen. Das Schöne ist, dass man bereits seit Monaten alles reduziert und mit jeder Entscheidung dem Ziel etwas näherkommt. Aller Anfang ist schwer, doch loslassen wird von Mal zu Mal einfacher. Ist die Entscheidung über das Fahrzeug noch schweißtreibend gewesen, erscheint die Kündigung von Wohnung und Job hingegen als logische Konsequenz. Von einem schwindenden Sicherheitsgefühl können beide nichts berichten – es gibt ja einen Masterplan! Das Gegenteil ist der Fall: Je näher das Leben auf 5 Quadratmeter rückt, desto leichter fühlt sich alles an. Obwohl Instagram und Co mit Vanlife-Posts überquellen, sieht die Realität doch noch etwas nüchtern aus. Die größte Hürde ist die Entscheidung, sich auf eine solche Reise zu begeben und die Energie aufzubringen, um bequeme Gewohnheiten hinter sich zu lassen. Im April wird Ferdi von Hamburg nach Halifax verschifft, um Mitte Mai die Reise in Kanada zu starten!

In A-Team-Manier: „I love it when a plan comes together!“

Ein Zuhause und eine Bike-Garage auf 5 Quadratmetern

Natürlich wollen wir euch den fertigen Ausbau nicht vorenthalten.


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Text: Amir Elmallawany, Anna-Lena Happel Fotos: Amir Elmallawany, Anna-Lena Happel, Peter Walker