Das Orange Alpine 6 im Test

Um uns einen anständigen ersten Eindruck auf angemessenen Trails zu ermöglichen, flog uns Orange nach Punta Ala, wo wir das Orange Alpine 6 auf einer Vielzahl von Trails testeten. Diese reichten von schnell und flowig mit Anliegern und Sprüngen bis hin zu steilen, felsigen und technischen Trails sowie allem dazwischen. Wir waren in der RS-Ausstattung des Orange Alpine unterwegs, allerdings mit der FOX Performance 36-Gabel und dem DPX2 Performance-Dämpfer des Pro-Modells. Das getestete RS-Modell war bestückt mit einem SRAM GX Eagle-Antrieb und Guide RE-Bremsen. Geschmückt war es zudem mit Stan’s Flow-Laufrädern und einer RockShox Reverb mit 1x-Hebel. Die Ausstattung wurde abgerundet von Burgtec und Renthal.

Wir waren mit der RS-Ausstattung unterwegs, kombiniert mit dem Fahrwerk der Pro-Modelle.
Der FOX Float DPX2 Performance-Dämpfer lässt sich leicht einstellen und arbeitet tadellos.
Wir verpassten dem neuen Orange Alpine 6 auf den steinigen Trails von Punta Ala eine gehörige Tracht Prügel.

Wir entschieden uns, das Orange Alpine 6 in Größe Large zu fahren, da unser 183 cm großer Tester bei vorherigen Modellen diese Größe gegenüber der XL bevorzugte – aufgrund des hohen Sitzrohres an letztgenannter Größe. Wegen der Umgestaltung der Größen durch Orange hätte er allerdings leicht auch eine XL fahren können und noch immer reichlich Freiheit für den Sattel gehabt, wenn es gröber wird.

Wir fuhren das Orange Alpine 6 in Größe Large, doch durch die überarbeiteten Größen hätte ein Rahmen in XL besser für unseren 183 cm großen Testfahrer gepasst.

Ein gutes, langhubiges Enduro-Bike muss sich von Beginn an stabil und souverän anfühlen – und das Orange Alpine 6 tut genau das. Der längere Radstand und verlängerte Reach verglichen mit den Vorgängermodellen ist spürbar und versetzte uns in eine ausgezeichnete Position, um den Trail mit Selbstvertrauen zu attackieren. Das niedrigere Tretlager ist ebenfalls bemerkbar und wir fühlten uns super in das Bike integriert. Auf schnellen, flowigen Trails handhabte sich das Alpine deutlich besser, als wir es von einem Bike seiner Statur erwartet hätten. Der hohe Anti-Squat seines Single Pivot-Hinterbaus ist dabei von Vorteil, da das Bike beim Pedalieren Effizienz versprühte und gut beschleunigte – sowohl knackige Anstiege hinauf als auch bei kurzen Sprints im Wiegetritt. Das Orange Alpine 6 liegt zudem super stabil in der Luft und machte den Eindruck, gierig nach Airtime zu sein und an jeder Unebenheit des Trails abheben zu wollen. Seine 165 mm Federweg am Heck schlucken Kompressionen bei Landungen und Drops auf geschmeidige und kontrollierte Weise und fühlen sich im Falle eines zu kurzen Sprunges oder einer alles andere als idealen Linienwahl nachgiebig an.

Die aggressive Geometrie ermutigt euch, es ordentlich krachen zu lassen.

Allerdings erweist sich das Single-Pivot Hinterbau-Design auch als ein zweischneidiges Schwert für das Orange Alpine 6. Auf sehr ruppigen Trails mit Schlägen und Löchern in schneller Abfolge scheint der Hinterbau sich zu verhärten und eher über Hindernisse zu rattern, als sie zu absorbieren. Dadurch und aufgrund des Pedalrückschlags fiel es unserem Tester auf besonders zornigen Abschnitten des Trails manchmal schwer, seine Füße auf den Pedalen zu halten. Dies wird bei starkem Bremsen noch betont, da das hohe Maß an Anti-Rise den Hinterbau verhärtet und seine Fähigkeit anzusprechen verringert.

Durch den Single Pivot-Hinterbau ist das Orange Alpine 6 lebendig und spaßig zu fahren. Allerdings kann dieser Wesenszug auf ruppigen Abfahrten ein zweischneidiges Schwert sein.

Klettern mit dem Orange Alpine 6 wird erträglich gemacht durch seine hohen Anti-Squat-Werte (153,5 % im 34-50-Zähne-Bereich der Kassette, uneingefedert), wodurch es sich gut und ohne spürbares Wippen pedalieren lässt. Die Kletterposition ist neutral und wir fühlten uns bei kurzen Anstiegen sehr wohl zwischen den Laufrädern. Der flache Sitzwinkel ist allerdings das Kryptonit des Orange Alpine. Mit 74 Grad fällt dieser einfach zu entspannt für ein Bike der Kategorie „hochkurbeln und runterdonnern“ aus, dass die meisten seiner Kletterpartien auf langen Forstwegen absolviert, bevor es sich in ruppige Abfahrten und Renn-Stages stürzt. Bei den kleineren Größen mag das zwar nicht ganz so spürbar sein, doch der Sattelstützenauszug, gepaart mit dem entspannten Sitzwinkel des Orange Alpine, befördert den Fahrer weit hinter das Tretlager.

Wir haben an der Ausstattung des Orange Alpine 6 nichts auszusetzen und fühlten uns stets wohl dabei, unsere Grenzen auszuloten.

Was die Verlässlichkeit angeht, wird das Orange Alpine 6 sich immer gut schlagen. Seine zwei großen Lager machen es sowohl zuverlässig als auch strapazierfähig und wenn es an der Zeit ist, sie zu wechseln, dann ist das ein einfacher Job – der in weniger als einer halben Stunde, von einem durchschnittlichen Heimwerker, mit dem Lager-Kit von Orange, erledigt werden kann.

Insgesamt wirken sich die evolutionären Veränderungen am neuen Alpine 6 auf dem Trail alle positiv aus. Die überarbeitete Geometrie macht es zu einer souveränen Abfahrtsmaschine bei hohen Geschwindigkeiten und das Bike passt Dank der Umgestaltung der Größen besser. Wir hätten uns allerdings von Orange gewünscht, den Sitzwinkel etwas steiler zu gestalten, um das Alpine 6 auf langen Anstiegen komfortabler zu machen.

Fazit

Das Orange Alpine 6 brilliert auf schnellen, flowigen Trails, wo ein lebendiges Fahrgefühl sowie ein dynamisches und souveränes Handling gebraucht werden. Wenn es allerdings steil wird und richtig zur Sache geht, bieten die ausgeklügelteren Hinterbau-Systeme seiner Konkurrenten ein geschmeidigeres Fahrgefühl. Orange hatte schon immer eine fast sektenartige Anhängerschaft – Leute, die die Unkompliziertheit und Wartungsfreundlichkeit des Single-Pivot-Designs lieben und die es nicht interessiert, dass ein FSR-Bike effizienter ist oder ein Twin-Link auf ruppigeren Trails schneller sein mag. Zum Glück für die Firma aus Halifax ist dies das beste Alpine 6, dass sie jemals kreiert haben. Wenn euch Bikes von Orange begeistern, dann bekommt ihr hiermit das bis dato schlagkräftigste.

Tops

  • Gute Geometrie für Abfahrten
  • Zuverlässigkeit und Wartungsarmut
  • Gute Ausstattung

Flops

  • Sitzwinkel könnte steiler sein
  • Heck versteift sich beim Bremsen

Mehr Infos unter orangebikes.co.uk


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