Reise | Trail.Trans.Alp 2015 – Der etwas andere Alpencross
Ein Alpencross ist der Traum vieler Mountainbiker und die Auswahl an faszinierenden Routen scheint schier endlos zu sein. Frank Ellenberger ist passionierter Guide für Alpenüberquerungen und hat eine ganz besondere Alpencross-Route ausgearbeitet: Bei seiner Trail.Trans.Alp sind Lifte, Gondeln, Shuttles und die Bahn eingeplant um möglichst viele einzigartige Trail-Abfahrten zu erschließen. Hier berichtet Frank von seiner diesjährigen Tour.
Es ist Samstagmorgen, kurz vor 6 Uhr, und ich steuere meinen Bulli auf der A81 in Richtung Schweiz. Neben und hinter mir sitzen die fünf Teilnehmer der diesjährigen Trail.Trans.Alp und ich spüre ihre Anspannung und Vorfreude. Vor uns liegen sechs Tage feinste Trails, bestes Essen und eine Menge Reparaturmaßnahmen.
Als wir in Lenzerheide ankommen, müssen wir gleich das erste Mal an Filippos Bike Hand anlegen – es wird mitnichten die letzte Schraubaktion an diesem Bike bleiben. Dann nehmen wir die Gondel hinauf aufs Rothorn und es geht endlich richtig los. In zügiger Fahrt gewöhnen sich auch die weniger erfahrenen Teilnehmer an das lose Geröll und nach der Galerie verlassen wir die Strecke, es geht in Richtung Arosa. Diesen Trail habe ich immer gesehen, wenn ich am legendären Trek Bike Attack teilgenommen habe. Damals bin ich auf dem Racetrack geblieben, aber nun gehört er zur Trail.Trans.Alp und ich liebe ihn noch immer.
Unten angekommen steht uns der schwerste Teil dieses Tages bevor: Nur noch ein kleines Stück hinab zum Älplisee und dann beginnt der Anstieg zur Maienfelder Furka. Die ersten 150 Höhenmeter sind noch fahrbar, doch dann beginnt eine lange, anstrengende Schiebe- und Tragepassage. Insgesamt 700 Höhenmeter sind so zu bewältigen und die Moral einiger Teilnehmer schwindet mehr und mehr.
Wer jetzt nicht ausreichend trainiert hat, leidet. Doch nach einer intensiven und vor allem langen Pause auf der Passhöhe liegt vor uns ein epischer Trail, der zunächst flowig, dann auch technisch und verblockt Richtung Davos führt. Zum Ende befahren wir hier auch noch ein Serpentinengewitter, das in weitem Umkreis seinesgleichen sucht. In Davos Islen heißt es dann erst mal „Feierabend“. Wir übernachten in einem urigen Restaurant, in dem uns mein alter Freund Otto gewohnt lecker bekocht.
Achtung: Freilaufende Kühe
Am nächsten Tag ist unser erstes Ziel Filisur, von dort lassen wir uns nach Preda shutteln. Jetzt heißt es treten, Albulapass, Straße … nicht meine Lieblingsdisziplin, aber was sein muss, muss sein. Kurz nach der Passhöhe biegen wir nach links ab und haben noch einmal 350 anstrengende Höhenmeter zu bewältigen, damit wir wieder einen tollen Trail unter die Stollenräder nehmen können.
Die gesamte Gruppe ist nun ausreichend geschult im Befahren von engen Serpentinen und auch loses Geröll verliert zunehmend seinen Schrecken – abgesehen von den freilaufenden Kühen, die immer wieder den Weg blockieren. Der Trail spuckt uns an den ersten Häusern von La Punt aus und wir lassen den Abend gemütlich mit einer Schraubaktion an Filippos Kettenführung bei Shorley und Radler ausklingen.
Am dritten Tag teilen wir uns an der Zugstation Bernina Diavolezza auf: Filippo und Eugen fahren den Passo la Stretta über das Val da Fain, ich fahre mit dem Rest der Gruppe hinauf zum Val Minoura. Wir finden einen traumhaften, neu angelegten Trail, den ich selbst auch noch nicht kenne. Er windet sich scheinbar endlos am Hang entlang und führt uns an der Grenzstation kurz wieder auf die Straße, findet aber erst viel weiter unten sein Ende.
Dort treffen wir auch wieder auf Filippo und Eugen, die ebenfalls sichtlich Spaß hatten. Nach einer Pizzapause nehmen wir kurz die Bahn und heizen gemeinsam bis Trepalle auf dem Bikeparktrail hoch, um schließlich in Richtung Trelapass abzuzweigen.
Hier ist die Versuchung groß, einfach weiter dem Trail zu folgen. Aber die Trail.Trans.Alp wäre nichts Besonderes, wenn wir immer ausgetretenen Spuren folgen würden. Also biegen wir nach links ab, überqueren ein Geröllfeld, steigen immer weiter auf, um dann von einem Sattel zum Lago di San Giacomo in engen, felsdurchsetzten Serpentinen hinunterzusurfen.
Danach durchqueren wir das Val Mora – nicht unbedingt ein Trail, aber landschaftlich ein absolutes Highlight jeder Transalp. Da hören aber auch schon die Gemeinsamkeiten auf: Wir nehmen nicht, wie transalp-typisch, den Wirtschaftsweg ins Val Müstair, sondern die Trails, die sich hier oben etwas verborgen neben dem Weg befinden. Nach der rasenden Fahrt nach Taufers tanken wir alle bei herzhafter Küche unsere Energien auf.
Auf dem Holy Hansen
Vierter Tag, Sonne pur! In schneller Fahrt durchqueren wir das Münstertal ins Vinschgau und fahren ab Mals den Zugtrail in Richtung Meran. Ein Schrei von hinten stoppt die Gruppe: Das Geräusch von Filippos Freilauf lässt nichts Gutes ahnen, Freilaufschaden. Die Gruppe bleibt auf dem Zugtrail, Filippo und ich fahren ins Tal, um im nächsten Radladen Werkzeug auszuleihen. Derweil überlege ich Notstrategien für sein Bike. Plötzlich die Idee: An einem schattigen Platz halten wir an und der Defekt stellt sich als verklemmtes Unterteil der abgerissenen Speiche heraus. Das Bike hört sich wieder ganz normal an, nachdem ich sie aus der Kassette herausgebogen habe.
In Goldrain holt uns Heiko mit dem Shuttle ab, bringt uns zum Holy Hansen-Trail und unser Gepäck in die Unterkunft nach Tarsch. Teilnehmer Roland dreht vor Vorfreude fast durch, als wir im Shuttle sitzen, der Rest weiß noch nicht so richtig, was auf ihn zukommt. Das ist spätestens geklärt, als Meli nach dem Vinschgauer Flowtrail wieder zur Gruppe fährt und grinsend ihr Urteil verkündet: „Der Trail bekommt auf meiner Skala 5 von 5 Kühen, plus ein Bonuskalb!“ Das hat in den letzten Tagen noch keiner geschafft.
Dass wir auch noch Bike-Pionier Matze Gruber treffen und sich alle für den tollen Trail bedanken, ist das i-Tüpfelchen auf einem gelungenen Tag. Vor dem Feierabend besorgen wir eine neue Speiche für Filippo und bauen sie gleich ein, dann geht es nach Tarsch in die Unterkunft.
Am Tag darauf: aufstehen, Frühstück … Überraschung! Wir müssen das endlose Asphaltband zum Tarscher Alm-Lift nicht treten, sondern werden mit dem Pick-up geshuttelt!
Zwar müssen Markus und ich auf der Ladefläche bei den Bikes stehen, doch mit 80 km/h die Straße hochzufliegen hat auch was. Der gemütliche Lift transportiert uns zur Alm und es folgen anstrengende Schiebe- und Tragepassagen. Es sind heute nur wenige Höhenmeter, doch die haben es in sich.
Auf der Passhöhe erstmal Pause und das herrliche Wetter genießen – alle können sich in Ruhe auf die folgende Abfahrt einstellen. Die ist mein persönliches Highlight: Teils flowig und dann abrupt durch S3-Stellen unterbrochen zieht sie sich ins Tal. Hier fühlen sich leider nicht alle Gruppenmitglieder zu Hause und so sind einige froh, als uns der Trail auf den Forstweg führt, dem wir ein Stück folgen. Es ist noch früh, deshalb fahren manche an den Zoggeler Stausee und manche genießen gemütlich Cappuccino auf der Sonnenterrasse beim Messnerwirt.
Freilauf gesucht
Am sechsten Tag geht es zum Rabbijoch. Das Tempo ist gut, die Stimmung bestens, bis es an meinem Rad ein merkwürdiges Krachen gibt und ich ins Leere trete. Erste Diagnose: Kette gerissen – doch die ist noch da! Also schiebe ich mein Rad bis zur Bärhap-Alm, leihe Werkzeug aus und stelle einen kompletten Abriss des Freilaufs fest. Heute werde ich wohl nicht mehr treten können. Auf der Passhöhe werde ich von den anderen zur Aufmunterung mit unserer Erfindung begrüßt, der Weiterentwicklung des Energieriegels: Vinschgauer Speck und Kaminwurzen.
Nach der traditionellen Rast auf der Haselgruberhütte geht es auf die Abfahrt. Zwar wurde hier eine Umfahrung des Wanderwegs für Biker angelegt, weil die aber leider keinerlei Flair hat, entscheiden wir uns für den Wanderweg. Nach einer Ermahnung, den Weg ohne blockierende Hinterräder zu befahren, geht es los. Jeder Meter ein Genuss, immer tiefer hinab ins Tal Richtung Rabbi. Wir treffen andere Transalpgruppen, die sich auf dem Forstweg nach unten bewegen … nicht unser Ding, wir wählen den Trail, der sich hier zum Spaßhaben anbietet und ich lasse mein Bike so weit wie möglich rollen.
Nach einer kurzen Schiebeeinlage übernehmen Filippo und Roland meinen Antrieb, mit der linken Hand halte ich mich an Rolands Rucksack fest und Filippo schiebt mich an meinem Rücken. Leider ist in Dimaro weder ein Ersatzfreilauf noch ein passendes Hinterrad zu bekommen. Notstrategie! Die Stimmung ist nun leider etwas angekratzt, verständlicherweise. Ohne Freilauf muss ich auf den Linienbus umsteigen.
In Madonna teilen wir uns das Hotel mit einer Jugendgruppe, die scheinbar gerade einen Contest am Laufen hat, wer am lautesten schreien kann. Egal, wir schlafen trotzdem gut, bis Filippo und ich morgens um 6 Uhr denselben Gedanken haben und uns fertig machen: 5 min später sitzen wir auf der Terrasse des Hotels mit einem heißen Cappuccino und sehen uns den Sonnenaufgang an der Brenta an, während die anderen langsam eintrudeln.
Bewaffnet mit GPS-Daten und einer genauen Beschreibung der ersten Tourhälfte schicke ich die anderen ein wenig wehmütig los und verzichte auf den Blick auf den Adamello-Gletscher und den wunderschönen Waldtrail, der sich hinunter zum Rifugio Ghedina windet. Ich rolle mit möglichst viel Schwung Richtung Ponte Arche, dorthin bringt mir ein Bekannter mein Enduro-Racebike, damit ich die Gruppe weiterhin begleiten kann.
Alles, was der Gardasee zu bieten hat
Wieder vereint geht es hinauf zum Passo Ballino. Der Blick auf den Gardasee setzt auch bei mir jedes Mal wieder Glücksgefühle frei – zum einen der Stolz, es geschafft zu haben, zum anderen aber auch Wehmut, jetzt nur noch einen Trail vor sich zu haben … Es werden noch ein paar Fotos geschossen und dann geht es weiter: Felsen, Geröll, hohe Geschwindigkeit, dieser Trail vereint alles, was der Gardasee zu bieten hat.
Wir fliegen ihn hinunter und klatschen uns an der Einmündung auf die Straße ab: Wir haben es geschafft, sind keine Gruppe mehr, haben uns gemeinsam zu einem Team entwickelt, und genau das feiern wir dann mit Spritzzz, Cappuccino und dem einen oder anderen Bier zunächst bei Mecki, danach in der Villa Emma und mit Percussion-Show in der Villa Aurora – ein super Abend, tolle Leute.
Eine grandiose Woche liegt hinter uns und alle haben ein glückliches Leuchten in den Augen. Ich spüre, dass unsere Idee von der Trail.Trans.Alp, die vor 12 Jahren geboren wurde, gar nicht so schlecht war. Dass sich die Mühen der ersten Jahre gelohnt haben. Und dass ich hoffentlich noch viele Menschen durch die Berge führen darf und mit ihnen meine Idee, die Alpen zu überqueren, teilen kann.
Alle Infos zur Trail.Trans.Alp und anderen Touren von Frank gibt es bei ride.happy
Text & Bilder: Frank Ellenberger
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!