Steil, technisch und ausgesetzt soll er sein, der erste Trail des Tages. Viele Steine, Felsen und verblockte Passagen seien ebenso zu erwarten – ganz zu schweigen vom rutschigen Untergrund. Der Streckenposten am Start der ersten Stage fackelt nicht lange, „ach was sage ich, versuche einfach besser nicht zu stürzen – das kommt hier nicht so gut!“ Na dann, ich bin vorgewarnt und etwas angespannt.

Ab_durch_die_Mitte Maxi_Dickerhoff_kurz_vor_dem_Ziel_von_Stage_3

Tag 4 – Schwitzen im Staub der Einöde

Wir sind in Alexandra, einer Kleinstadt in Zentral Otago. Die Region gehört zu jenen neuseeländischen Gegenden, die am weitesten vom Meer entfernt sind. Das hiesige Klima ist entgegen dem Rest der Südhalbinsel eigenständig – heiß und trocken. Es wundert also nicht, dass die dürre, karge Hügellandschaft um Alexandra fast schon an eine Wüste erinnert. Hier werden wir uns heute austoben, auf rund 30 Kilometern Singeltrail durch die sandigen und felsigen Hügel einer fast schon anderen Welt inmitten des eigentlich so grünen Neuseelands.

Hell_Yeah

Doch zurück zum Start und den Ratschlägen des Streckenpostens: stürzen ist keine Option! Mit diesem Gedanken gehe ich ins Rennen und bekomme gleich in der ersten Kurve zu sehen, wovon die Rede war. Immer wieder geht es über Felsplatten, Absätze und kaum zu beschreibende Steinkonstellationen – meist gespickt mit fiesen Richtungswechseln hinter und gar in den Sektionen selbst. Schwer machen es jedoch die High-Speed-Passagen zwischen drin: Es ist kaum möglich abzuschätzen, wie viel Schwung in die nächste, meist gänzlich uneinsehbare Passage mitgenommen werden kann. Oft merke ich, dass es nicht all zu viel ist.

Trans-NZ-Day4-3 Wheelie_Wednesday

Dennoch bin ich mittlerweile gut im Flow. Trotz längerem Vorsprung hole ich bereits meine Vorstarter ein – einen nach dem Anderen. Ihre Anfeuerungsrufe zeigen mir, dass ich ein flottes Tempo hinzulegen scheine. Doch dann – ein Absatz, ein Steinfeld, eine Unachtsamkeit und die Kräfte reichen nicht mehr um den Fehler zu kaschieren – schon befinde ich mich neben meinem Bike. Bis auf ein paar Kratzer nichts – es dauert nur wenige Sekunden und ich bin zurück im Flow – auf dem Bike versteht sich. Nach 06:54 Minuten passiere ich die Ziellinie. Wenn das so weitergeht, dann könnte mir dieser Tag den Zahn ziehen.

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Die Verbindungsetappen fallen mir schwer, sehr schwer. Meine Beine sind müde und die stehende Hitze (und es sind gerade einmal ca. 30 °C) macht mir zu schaffen. Erstmals lege ich die Uphills überwiegend schiebend zurück und werde schnell zum Schlusslicht des Konvois. Zu mir gesellt sich Luke, der im Gesamtranking nur einen Platz vor mir liegt.
Gegenseitig motivieren wir uns, pushen uns und tauschen Tipps aus. An den Wertungsprüfungen fahre ich vor, Luke startet nach mir. Im Ziel versuche ich anhand des Abstands zu ermitteln, ob Luke Zeit gut machen konnte oder verloren hat. Es ist kaum zu sagen, ich muss mich überraschen lassen. Stage 3 und 4 präsentieren sich mit vielen schönen Trail-Abschnitten, schnellen Kurven und so mancher Flugnummer – und dennoch quälen sie mich mit ihren langen Tretstücken, auf die meist unmittelbar eine technische Sektion erfolgt, die nach höchster Wachsamkeit und Kraft verlangt. Hier und da verfehle ich die Ideallinie – die Konzentration schwindet merklich.

Luke_zeigt_selbst_auf_der_letzten_Stage_noch_machtig_Style Highspeed_und_verblockte_Passagen_ggeben_sich_hier_die_Hand

Die Beine schmerzen, der Kopf brummt und der Schweiß rinnt mir nur so von der Stirn. Nachdem ich die vergangenen Tage einer der Wenigen war, der auch die anspruchsvollen Trail-Uphills auf den Liaison-Stages tretend bewältigte, schiebe ich mein Bike am heutigen Tage fast ausschließlich bergauf. Die Luft ist raus!

BN - Day 4 - 11

Dann, endlich, erreichen Luke und ich die letzte Etappe. Unser „internes Duell“ nähert sich dem Höhepunkt. Am Start haben sich bereits die Streckenposten anderer Wertungsprüfungen versammelt, ebenso wie einige Fotografen. Alle warten sie nur darauf, dass wir – die Schlusslichter des heutigen Tages – endlich auf die Strecke gehen, damit sie selbst die letzte Abfahrt genießen können. Zehn Minuten Fahrtzeit prognostizierten uns die Locals am Start – zehn letzte Minuten Konzentration und vollen Körpereinsatz. Also gut – gehen wir die Sache an! Luke prescht voraus – ich warte noch ein paar Minuten, bis sich meine Beine halbwegs fit anfühlen.

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Nach nur 100 Metern der erste Uphill: steil und sandig. Das Laktat schießt in die Muskeln, die Beine brennen und das Herz pumpt. Dann geht es endlich in die Abfahrt. Der Trail ist schnell, sehr schnell sogar – doch der rutschige Boden macht die Kurvenfahrten unberechenbar. Ich versuche im Fahrfluss zu bleiben. Es gelingt mir erstaunlich gut – der Fahrspaß übertönt die körperlichen Leiden. Der Trail mündet auf eine Schotterstraße, vom Ziel weit und breit nichts zu sehen. Jetzt heißt es treten, treten was die Beine noch so hergeben. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreiche ich den Schlusspunkt – endlich. Luke liegt bereits KO neben seinem Bike. Was für ein Tag.

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Beim Auslesen unserer Transponder dann die Überraschung. Bei zwei von fünf Wertungsprüfungen liegen wir mit einer identischen Zeit gleichauf. Stage 4 und 5 gehen an mich, jedoch nur mit hauchdünnem Vorsprung. Auf Stage 3 konnte Luke jedoch Boden gut machen, so viel, dass er nach 26 Minuten gewerteter Gesamtzeit mit 4 Sekunden Vorsprung einen Platz vor mir liegt. Das ist Rennsport – richtig geil!

Bilder: Maxi Dickerhoff, Trans NZ


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