Nach vielen Jahren des Wartens ist das Atherton AM.150 nun endlich käuflich. Die Fertigung per 3-D-Laserdruck und die riesige Anzahl an Geometrien machen es einzigartig. Sowohl in die Entwicklung als auch in das Hightech-Produktionsverfahren der Bikes ist viel Hirnschmalz geflossen. Zeigt sich das auf dem Trail?

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Trail-Bike 2022 – 14 Modelle im Test

Atherton AM.150 | 160/150 mm (v/h) | 15,5 kg in Größe 12 | 7.699 € | Hersteller-Website

Das Atherton AM.150 ist ein seltenes Bike, das nur in geringer Stückzahl hergestellt wird. Einzigartig macht es die Rahmenkonstruktion und das Fertigungsverfahren: Gerade Carbonrohre werden mit 3-D-gedruckten Titanmuffen verbunden. Das gibt dem Hersteller viel Spielraum und das 7.699 € teure Bike wird in 22 Größen oder auch in komplett individueller Geometrie angeboten. Es ist als Enduro-Bike vermarktet, passt mit 160 mm an der Front und 150 mm am Heck aber sehr gut in unser Trail-Bike-Testfeld. Mit 15,5 kg ist es jedoch kein Leichtgewicht. Aber ganz nebenbei: Obwohl das Bike aus Großbritannien kommt, muss man bei der Bestellung nach Europa keinen Zoll bezahlen, da es in Wales hergestellt wird und somit als Ursprungserzeugnis gilt.

Die Ausstattung des Atherton AM.150

Der Rahmen des Atherton AM.150 kommt in schlichtem Schwarz mit geraden Linien daher. Ein großer Fokus auf ein besonderes Rahmendesign wird also offensichtlich nicht gelegt. Auch an den Detaillösungen wird gespart: So hat das Atherton zwar einen Flaschenhalter, aber weder Staufach noch Toolmount. Auch der Kettenstrebenschutz ist nur ein dünner Gummischlauch, der auf die Strebe geklebt ist. Am Serien-Bike ist immerhin ein Unterrohrschutz verbaut, an unserem Test-Bike ist dieser allerdings nicht zu finden, da er zu spät geliefert wurde.

Große Geschütze
Als einziges Bike im Test hat das Atherton den FOX X2-Dämpfer verbaut. Der überzeugt mit guter Performance und viel Einstellbarkeit.
Länge nicht nutzbar
Mit 175 mm Hub ist die FOX Transfer gerade lang genug für ein Bike in Größe L. Leider lässt er sich nicht komplett im Rahmen versenken.
Overpowered
Die Continental-Reifen überzeugen bei der Abfahrt mit ihrer robusten Karkasse und der weichen Gummimischung. Für ein Trail-Bike ist das aber schon fast übertrieben.

Atherton AM.150

7.699 €

Specifications

Fork FOX 36 Factory GRIP2 160 mm
Rear Shock FOX X2 Factory 150 mm
Seatpost FOX Transfer 175 mm
Brakes SRAM CODE RSC 200/200 mm
Drivetrain SRAM X01 Eagle 1x12
Stem Renthal Apex 60 mm
Handlebar Renthal FatBar Carbon 800 mm
Wheelset Stan’s NoTubes Flow MK4 29"
Tires Continental Kryptotal FR SuperSoft DH Casing/Continental Kryptotal RE SuperSoft DH Casing 2,4/2,4

Technical Data

Size 1 12 22
Weight 15,5 kg


Tuning-Tipp: keinen

Minimalistisch
Dieser dünne Gummischlauch ist alles, was das Atherton als Kettenstrebenschutz hat. Ist aber okay, da trotzdem nichts klappert.
Modellbau
Muffen wie diese verbinden die geraden Carbonrohre. Sie werden mit super starkem Kleber an Ort und Stelle gehalten.

Die von uns getestete Ausstattung ist nicht die, die im Moment auf der Website des Herstellers abgebildet wird. Aber da Atherton nur sehr kleine Stückzahlen herstellt, ist eine individuelle Anpassung der Teile ohnehin immer möglich. Das FOX Factory-Fahrwerk besteht aus einer 36er-Federgabel an der Front und einem X2-Dämpfer am Heck. Beide bieten gute Trail-Performance und ein hohes Maß an Einstellbarkeit. Das Cockpit kommt von Renthal mit einem 60 mm langen Apex-Vorbau und einem 800 mm breiten FatBar Carbon-Lenker. Gebremst wird mit SRAM CODE RSC-Bremsen, welche werkzeuglose Hebelweiten- und Druckpunktverstellung sowie die SwingLink-Technologie besitzen. Damit soll der Leerweg des Bremshebels reduziert und die Bremskraft erhöht werden. Dank der 200 mm großen Bremsscheiben an Front und Heck kann man diese Power auch gut auf den Boden bringen.

Fast wie schummeln
Wo ist das Steinfeld hin verschwunden, das auf den anderen Bikes so anspruchsvoll zu fahren war?

Geschalten wird mit SRAM X01 Eagle-Schaltung mit einer Bandbreite von 500 % statt der sonst üblichen 520 %. Bei sehr steilen Anstiegen muss man hier also etwas mehr arbeiten. Die FOX Transfer-Sattelstütze bietet 175 mm Hub, was für ein Bike in Größe L gerade lang genug ist. Allerdings lässt sie sich nicht vollständig im Rahmen versenken. Auf den Stan’s Flow MK4 Alu-Felgen sind Reifen von Continental aufgezogen. Vorne der Kryptotal FR und hinten Kryptotal RE, beide in der Supersoft-Gummimischung mit Downhill-Karkasse. Diese bieten zwar super hohen Pannenschutz und viel Dämpfung, sind für ein Trail-Bike aber etwas überdimensioniert. Um das Kettenblatt zu schützen und die Kette vor dem Herunterspringen zu bewahren, ist eine Kombination aus Kettenführung und Bashguard angebracht.

Das Atherton AM.150 hat gerade Linien und einen schlichten Look. Die geringen Stückzahlen und das spezielle Fertigungsverfahren lassen eine unglaubliche Anzahl an Rahmengeometrien zu.

Die Geometrie des Atherton AM.150

Das Atherton AM.150 wird in 22 (!) verschiedenen Größen angeboten. Diese sind nach Reach in 10-mm-Schritten geordnet und es gibt – abgesehen von den kleinen Größen – zwei Varianten pro Reach. Diese unterscheiden sich immer in der Länge des Sitzrohres, teilweise auch im Stack. Über alle Größen hinweg wachsen die Kettenstreben mit und der Sitzwinkel wird steiler. Die Tretlagerhöhe und der Lenkwinkel sind jedoch bei allen Größen gleich. Wer möchte, kann sich aber auch eine komplett individuelle Geometrie bauen lassen. Unser Test-Bike ist in Größe 12 und besitzt somit einen Reach von 480 mm und eine Sitzrohrlänge von 415 mm. Das ist super niedrig, jedoch lässt sich die Sattelstütze nicht komplett versenken und schränkt somit die Bewegungsfreiheit wieder etwas ein.

Größe 1 12 22
Sattelrohr 395 mm 415 mm 475 mm
Oberrohr 553 mm 616 mm 655 mm
Steuerrohr 100 mm 125 mm 125 mm
Lenkwinkel 65,0° 65,0° 65,0°
Sitzwinkel 77,0° 78.0° 79.0°
Kettenstrebe 433 mm 438 mm 443 mm
BB Drop 30 mm 30 mm 30 mm
Radstand 1.167 mm 1.246 mm 1.308 mm
Reach 410 mm 480 mm 530 mm
Stack 619 mm 641 mm 641 mm
Shirt Troy Lee Designs Sprint Ultra | Hose Specialized Demo Pro Trail | Helm Sweet Protection Trailblazer | Brille Scott Sport Shield | Schuhe Giro Chamber II

Das Atherton AM.150 auf dem Trail

Schwingt man sich auf das Atherton, sitzt man sehr angenehm. Die Position ist die beste im Test, denn es lastet in der Ebene kein Druck auf den Händen und selbst in steilen Aufstiegen steigt die Front kein bisschen. Der Hinterbau ist sehr antriebsneutral und man denkt nicht einmal darüber nach, den Climb-Switch zu verwenden. Allerdings zollen das hohe Gewicht und die weichen Reifen ihren Tribut bei der Uphill-Effizienz.

Das Atherton AM.150 ist eine Macht auf dem Trail. Es kombiniert intuitives Handling mit extrem hoher Laufruhe und sehr hoher Wendigkeit.

Alleskönner
Auch auf gebauten Strecken macht das Atherton durch viel Gegenhalt des Hinterbaus verdammt Bock!

Bei der Abfahrt bringen die Reifen dafür ein großes Plus an Performance. Man kann einen niedrigeren Reifendruck fahren und in Kombination mit der weichen Gummimischung bekommt man so mehr Grip und eine bessere Dämpfung. Das Bike lässt sich super intuitiv fahren und man fühlt sich direkt wohl darauf. Wird der Trail-Speed schneller, blüht das Atherton so richtig auf: Vom Start des Steinfelds lässt sich eine mit dem Lineal gezogene Linie nachfahren. Denn egal, was sich dem Bike in den Weg stellt, es wird einfach niedergebügelt und man kann mit voller Kontrolle weiterfahren. Das Motto ist hier klar: „draufsitzen und festhalten“. Was aber nicht heißt, dass es träge wird bei langsamen Passagen. Hier ist es trotzdem sehr wendig und kommt auch um die engste Spitzkehre ohne Probleme herum. Und auch in Anliegern oder Kompressionen hat man sehr viel Gegenhalt und kann ordentlich Schwung generieren. Das verleiht dem Fahrer extrem viel Sicherheit, egal was der Trail zu bieten hat, und macht das Atherton mit Abstand zum besten Bike auf dem Trail.

Riding Characteristics

12

Uphill

1
  1. sluggish
  2. efficient

Agility

2
  1. cumbersome
  2. playful

Stability

3
  1. nervous
  2. confident

Handling

4
  1. demanding
  2. balanced

Suspension

5
  1. harsh
  2. plush

Fun Factor

6
  1. planted
  2. poppy

Value for money

7
  1. terrible
  2. very good

Intended Use

XC

8

Trail

9

Enduro

10

Downhill

11

Fazit

Das Atherton AM.150 ist super schlicht und doch ein Unikat unter modernen Trail-Bikes. Die Ausstattung ist top und – wie das ganze Bike – auf Abfahrts-Performance getrimmt. Auf Staufach oder Toolmount muss man allerdings verzichten. Im Uphill sitzt man super angenehm und es geht trotz der Reifenwahl richtig vorwärts. Bergab vermittelt es extrem viel Sicherheit und kombiniert intuitives Handling mit einer unglaublichen Laufruhe und sehr hoher Wendigkeit. Das beste Trail-Bike 2022!

Tops

  • überragende Downhill-Performance
  • super wendig, trotz extrem hoher Laufruhe
  • sehr angenehme Sitzposition
  • antriebsneutraler Hinterbau
  • sehr außergewöhnliches Bike

Flops

  • kein Toolmount oder Staufach

Mehr Informationen findet ihr unter athertonbikes.com

Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Trail-Bike 2022 – 14 Modelle im Test

Alle Bikes im Test: Atherton AM.150 (Zum Test) | Bold Linkin 135 Ultimate (Zum Test) |
Canyon Spectral 125 CF 9 (Zum Test) | Canyon Spectral CFR (Zum Test) | FOCUS JAM 8.9 (Zum Test) | Mondraker Raze RR SL (Zum Test) | Propain Hugene (Zum Test) | Rocky Mountain Instinct C70 (Zum Test) | ROSE BONERO 3 (Zum Test) | Santa Cruz Bronson CC X01 AXS (Zum Test) | SCOR 4060 ST GX (Zum Test) | Specialized Stumpjumper EVO S-Works (Zum Test) | Specialized Stumpjumper EVO Elite Alloy (Zum Test) | YT JEFFSY UNCAGED 6 (Zum Test)


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text: Simon Kohler Fotos: Peter Walker, Mike Hunger

Über den Autor

Simon Kohler

Simon liebt Geschwindigkeit. Als Downhill Skater ist er lange Zeit Rennen gefahren und mit seinem Longboard Alpenpässe runtergeknallt. Inzwischen hat er vier gegen zwei Reifen eingetauscht und heizt jetzt mit seinem Mountainbike auf Trails und Bikepark Lines. Bei verschiedensten Roadtrips durch die Alpen hat er seither einige der feinsten Trails Europas ausgekostet. Da er einige Zeit in Österreich gelebt hat, kennt er zudem die lokalen Bikeparks wie seine Westentasche. Durch sein Ingenieurstudium und seine Liebe zum Detail ist er ein echter Technik-Nerd und testet jetzt als Redakteur die aktuellsten Bikes und Parts auf Herz und Nieren. Als Frühaufsteher und selbsterklärter Müsli-Connaisseur lebt er sein Leben frei nach dem Motto „Powered by Oats. And also Legs.“