Wie verhältst du dich in kritischen Situationen? Was können wir vom Downhillen fürs Leben lernen? Was haben eine Bieridee und Aliens mit dem Whistler-Bikepark zu tun? Wir waren mit ROSE-Ambassador Bella Chen und dem neuen ROSE SCRUB in Whistler, um fette Jumps und Entwicklungssprünge zu machen – Risiken und Nebenwirkungen inklusive!

Wir quälen uns auf schmalen Reifen den Teide hinauf. Der Asphalt glüht. Die Sonne brennt. Wir keuchen im Rhythmus unserer Pedalumdrehungen. Der Schweiß läuft, tropft stetig aufs Oberrohr. Die Waden krampfen. Wir sind mit dem deutschen Rennrad-Bundestrainer André Greipel und Tour-de-France-Sprintstar Marcel Kittel unterwegs und noch kilometerweit von der Erkenntnis entfernt, dass uns dieser Ride nach Whistler bringen wird.

Aliens auf Rennrädern

Die Landschaft des Pico del Teide, Spaniens höchstem Berg auf der Insel Teneriffa, gleicht der des Mondes. Und unsere Gruppe wirkt wie eine Alien-Horde im Road-Business. Und das sind wir auch – zumindest in Teilen. Da wären einmal die blutigen Anfänger Leo und Fred, denen man sogar noch erklären muss, wie man einen Helm richtig herum aufsetzt, am Dropbar schaltet und bremst. Und auch wir: Bikepark-Rat Bella im Aero-Outfit mit Sneaker und Flatpedals. Chef-Reporter Robin mit Lederschuhen, unrasierten Beinen (logo!) und Dolce-Vita-Dress mit Sonnen- statt Sportbrille. Und dann noch eine ganze Horde an Road-Influencern, ROSE-Teammitgliedern und ROSE-Road-Profis. Wie soll das funktionieren?, haben wir uns schon vor dem Ride gefragt.
In der sehr unterhaltsamen Story „Group Ride oder Suicide?“ unseres Schwestermagazins GRAN FONDO könnt ihr nicht nur die Antworten lesen, sondern erfahrt auch, warum das eine richtig gute Idee war. Egal, ob man 14 Tour-de-France-Etappensiege in der Tasche hat, wie Bella eigentlich nur im Bikepark unterwegs ist, oder wie Fred und Leo zum ersten Mal im Leben auf dem Rennrad sitzt.

Der Whistler-Jungmann

„Wie?! Du hast ENDURO gegründet und warst noch nie in Whistler?“ Ungläubig schaut mich Bella beim Abendessen auf Teneriffa an … und denkt sich vermutlich: „Was läuft bei dem denn falsch?“ Mein Ass im Ärmel: In wenigen Wochen fliegen wir zum Crankworx nach Whistler und bleiben dann noch 2 Wochen dort, um fürs Magazin einige Tests und Stories zu produzieren. Bella hingegen hat Familie in Vancouver und ist in Whistler schon halber Local. Anatol, Marketing-Chef von ROSE, der zu dieser Zeit Bella als Ambassador gewinnen wollte, sitzt ebenfalls mit am Tisch in Teneriffa und rückt nach ein paar hopfenhaltigen Rehydrations- und Regenerationsgetränken mit der Info raus, dass ROSE bald einen Downhiller launchen wird: „Robin, du als Whistler-Jungfrau – wir können dir das SCRUB vorab mit nach Whistler geben, und vielleicht könnt ihr da drüben ja eine coole Story mit dem neuen Bike machen?“ Gesagt – getan. Bierideen sind einfach die besten!

Eine neue Definition von Oh-mein-Gott

„Da willst du runter? – No way!“ Fast schon entsetzt schaut mich Bella an der Kante einer Felswand in Whistler an … Whistler bringt jeden einzelnen von uns an seine Grenzen. Doch was auf den ersten Blick noch unfahrbar aussieht, entpuppt sich innerhalb kurzer Zeit doch oft als machbar.
Und das hat gute Gründe, die nicht mit (allzu viel) Angstschweiß verbunden sind, sondern mit einem Umfeld, das es fast schon unmöglich macht, nicht besser zu werden. Da wäre einmal die Gewissheit, dass die Strecken hier sinnvoll und sicher gebaut sind und man sich bei den meisten Features herantasten kann. Dann wäre da die unglaubliche Anzahl an guten Locals und Fahrern, die an einem vorbeibrettern, während man sich ein Oh-mein-Gott-Feature anschaut. Oder man trifft andere Fahrer, die genau vor dem gleichen Feature stehen, mit denen man sich austauschen, Lines konsultieren und dumme Witze reißen kann. Daraus entsteht fast schon eine spielerische Leichtigkeit, mit der man sich entwickelt. Und ich hatte Bella. Und Bella hatte mich. So redete ich ihr ein, wie einfach die 80°-Steilwand sei, machte es ihr vor und siehe da – gar kein Problem! Und schwupp-die-wupp brauchte es ein größeres Feature für ihr nächstes Oh-mein-Gott. Doch nicht so schnell … vorher war ich an der Reihe.

Bellas Wochenziel: die Pro-Line Crabapple Hits. Berühmt-berüchtigt durch die rund 20 Meter weiten Jumps, auf denen die Whip-Off-Champs stattfinden. Fuck. Ich hatte Schiss, sie dagegen Selbstvertrauen und Balls! Ich hingegen betete: Liebes Bike, verleih’ mir Flügel und bitte bitte eine extra Portion Selbstvertrauen.

Risiken und Nebenwirkungen des Whistler-Bikepark

Paradies und Hölle liegen manchmal ganz schön nah beieinander. Keiner weiß das besser als die Bikepark-Crew in Whistler. Deshalb stehen überall am Lift Plakate mit zur Vernunft mahnenden Sprüchen wie „Ride like there’s a tomorrow“. Und bekanntlich soll man ja keine letzte Abfahrt machen. Das gilt auch für Whistler. Dennoch ließen wir es uns nicht nehmen, jeden Abend Sweep Runs zu unternehmen. Sprich: nicht die letzte Abfahrt. Nein – die allerletzte Abfahrt! Als Bikepark-Besucher kann man nach 20 Uhr, wenn Whistler Blackcomb seine Türen schließt, mithelfen, den Park „durchzufegen“, um sicherzustellen, dass keine Rider mehr auf der Strecke sind. Dazu wählt man dann eine Streckenkombi aus bzw. bekommt sie zugeteilt. Und wie es der Zufall wollte, gab es nur noch A-Line to Crabapple Hits für uns. Und natürlich haben wir dann genau das gemacht, was man nicht machen sollte: Hit it! Und siehe da. Wir haben unseren Düsenjet-Flugkurs absolviert. Zumindest die ersten großen Jumps – wir wollten unser Glück nach Sonnenuntergang ja nicht zu sehr herausfordern. Es zu tun, hat sich aber auch richtig angefühlt.

Bella und ich kamen zwar nicht sturz-, aber zumindest verletzungsfrei durch die Whistler-Woche. Andere nicht. Freunde wie auch Bellas Schwester Donna erlitten Knochenbrüche, und auch so hört man von mancher Horrorgeschichte, die sich im Whistler-Bikepark Woche für Woche zutragen soll. Am Ende kommt es einfach auf die eigene Form, Fitness und Konzentration an – und die kann zu jeder Tageszeit am Arsch sein. Oder man hat manchmal einfach Pech!

Rollercoaster der Gefühle

Paradies und Hölle liegen manchmal ganz schön nah beieinander. Das wissen jetzt auch wir. Ein Bikepark ist ein Rollercoaster der Gefühle: zwischen Woaaaah, oh-no, oh-fuck, wie-geil, braaap auf Jumps und Tech-Trails und Schnarch, Snooze und Babble im Lift kann alles mit dabei sein. Bikepark-Riding findet auch viel im Kopf statt: Es ist ein schmaler Grat zwischen Höhenflug und Sturz. Zwischen Draufgängertum und Souveränität. Zwischen gesundem Selbstvertrauen und gesunden Zweifeln. Adrenalinsucht und die Gier, die maximale Anzahl an Abfahrten aus einem Bikepark-Tag rauszuholen oder andere beeindrucken zu wollen, können hingegen schnell gefährlich werden. Also: Keep your shit together. Da hilft dann auch das beste Bike nix!

Wenn man sich für eine Line entschieden hat, dann muss man auch durchziehen. Egal, ob im Alltag oder im Bikepark: Viele crashen, weil sie in kritischen Situationen in Panik geraten und aufgeben. Bricht das Hinterrad aus, muss man noch cooler bleiben. Wer dort aufgibt, hat direkt schon verloren. Das wissen Bike-Profis. Und das kann man Stück für Stück auch selbst lernen. In Whistler geht das besonders gut. Ein Bike, das das richtig gut mitmacht, ist dabei nicht nur mehr als hilfreich und empfehlenswert, sondern freut auch euren Versicherungsberater. Der Lohn: Bike-Skill-Entwicklung im Turbomodus!

Bike- und Line-Choices: Braucht es überhaupt noch ein DH-Bike?

Enduro-Bikes sind über die letzten Jahre so potent geworden wie Mini-Downhiller und kommen so ziemlich überall souverän runter. Ein DH-Bike bin ich deshalb lange Zeit nicht mehr gefahren. „Ein Downhill-Bike macht für mich keinen Sinn“, ist eine Aussage, die ich nicht nur in meinem Freundeskreis, sondern auch von unseren Lesern immer wieder höre.

Nun ja, was soll man sagen? Seit über 20 Jahren fahre ich nun Mountainbike – so viel in so kurzer Zeit wie in Whistler habe ich jedoch noch nie gelernt. Und ja … ohne Downhillbike wäre die Progression lange nicht so krass gewesen. Der Spaß vermutlich auch nicht! Ein DH-Bike im Bikepark ist eben eine ganz andere Welt! Das Level an Vertrauen, Laufruhe und Nehmerqualitäten ist nochmal ein ganz anderes. Fahrbar? Klar! Das kann hier und da riskant sein, in den meisten Fällen ist es jedoch sicherer, weil die Reserven einfach da sind und man eher mal was Neues probiert als auf gemäßigteren Bikes. Dahingehend lassen die Big Bikes Mumm und Eier doch ganz schön wachsen: A-Line. Dirt Merchant. Repeat. Und Crabapple Hits? Hätte ich ohne sicher nicht in Angriff genommen!

Ganz gleich, ob schwitzend auf den Teide oder im Adrenalinrausch durch den Bikepark Whistler – das Leben auf zwei Rädern kommt immer mit einem Rollercoaster der Gefühle: Komfortzonen verlassen, Ängste überwinden, sich in Entschlossenheit und Durchhaltevermögen üben. Limits erkennen, Limits pushen. Am Ende liegt es immer an eurem Mindset und in eurer Hand, aber mit dem richtigen Material geht es doch einfacher!


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Text: Robin Schmitt Fotos: Peter Walker, Paul Masukowitz

Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.