Das Deviate Claymore 2022 ist die neueste Entwicklung der High-Pivot-Spezialisten aus Schottland. Ausgestattet mit 165 mm Federweg am Heck soll das Enduro-Race-Bike ein treuer Begleiter für die wildesten Trails und Renn-Stages sein. Ob uns der Exot überzeugen konnte, lest ihr hier!

Deviate Claymore | 170/165 mm (v/h) | 16,4 kg in Größe L | 3.600 € (Rahmen) | Hersteller-Website

Geboren in den schottischen Highlands, ist das Claymore die neueste Entwicklung aus der Bike-Schmiede Deviate. Mit 170 mm Federweg vorne und 165 mm am Heck, gepaart mit 29“-Laufrädern und einer rennlastigen Firmenphilosophie, macht das Claymore recht schnell klar, was es ist: ein waschechtes Enduro-Race-Bike! Um die maximale Performance aus dem Bike herauszuholen, setzt Deviate auf einen High-Pivot-Hinterbau – und das nicht erst seit dem Claymore. Bereits seit 2016 baut Deviate ausschließlich High-Pivot-Bikes und war damit eine der ersten Firmen, die das Konzept an Trail- und Enduro-Bikes umgesetzt hat. Damit schwimmen die Schotten nicht nur auf der High-Pivot-Trendwelle, sondern sind Überzeugungstäter und Pioniere der ersten Stunde.

Aber was genau ist ein High-Pivot-Hinterbau nochmal? Bei einem High-Pivot-Hinterbau sitzt der Drehpunkt des Hinterbaus – wie der Name schon sagt – weit über dem Tretlager. Die Kernidee dahinter ist es, dem Hinterrad zu ermöglichen, Hindernissen nach hinten oben auszuweichen. Das soll für ein geschmeidiges Fahrgefühl ganz im Stile eines fliegenden Teppichs sorgen. Allerdings längt sich durch den hohen Drehpunkt beim Einfedern der Abstand zwischen dem Tretlager und der Hinterradachse, was in einem längeren Radstand resultiert. Dadurch zieht die Kette an den Pedalen und sorgt für unerwünschten Pedalrückschlag. Deshalb wird eine Kettenumlenkrolle benötigt, die den Pedalrückschlag minimieren soll – sie verpasst High-Pivot-Bikes auch ihr charakteristisches Aussehen mit der umgelenkten Kette.

Die exotischen Deviate Claymore Carbon-Bikes sind bisher noch ziemlich selten anzutreffen und machen euch definitiv zum Hingucker auf jeder Trail-Ausfahrt. Der Name Claymore kommt übrigens nicht von irgendwo: Ein Claymore ist in der schottischen Mythologie ein riesiges Schwert mit zwei Klingen und ein Zeichen von Stärke und Brutalität. Ob das Deviate Claymore auch auf dem Trail ein brutales Schwert ist oder doch eher ein stumpfes Buttermesser, haben wir für euch herausgefunden.

Das Deviate Claymore 2022 im Detail

Das Deviate Claymore setzt auf einen Carbonrahmen mit fließenden Formen. Hauptrahmen und Hinterbau bestehen gleichermaßen aus Carbon, nur der Link in der Dämpfer-Anlenkung ist aus Alu. Der Dämpfer sitzt tief im Bike integriert und schmiegt sich an das Unterrohr. Farblich erinnert das „Green Moss“ des Rahmens stark an das legendäre British-Racing-Green. Wer eine Abneigung gegen Grün hat, kann noch auf die Farbe „Rowan Red“ zurückgreifen.

Absicht oder nicht? Die Farbe „Green Moss“ erinnert uns stark an das legendäre British-Racing-Green.

Die Alu-Idler-Konstruktion rund um die Kettenumlenkung ist mit Liebe zum Detail umgesetzt und passt gut ins Gesamtbild. Trotz nicht im Rahmen verlegter Züge sorgt Deviate für Ordnung: Die Züge für das Schaltwerk und die hintere Bremse laufen entlang einer Einbuchtung unter dem Oberrohr und werden dann in den Sitzstreben weiter bis zu ihren Ausgängen geführt. Damit fallen die Züge kaum auf und sind trotzdem gut erreichbar, um z. B. Servicearbeiten durchzuführen. Der Zug der Sattelstütze wird durch den Hauptrahmen geleitet, sorgt dort aber leider für starkes Klappern. Praktischer Nebeneffekt der Kabelklemmungen unter dem Oberrohr: Die vier Verschraubungen lassen sich als Tool Mount nutzen. Damit könnt ihr euer Deviate zum Packesel für Tools, Schläuche, Kartuschen, Pumpen oder Ähnliches machen und seid nicht auf einen Hipbag angewiesen. Zudem ist die Sitzstrebe mit einem Kettenschutz versehen. Der liegt gut versteckt hinter der Strebe und fällt beim Betrachten erst auf den zweiten Blick auf. Unser Testbike hat hier allerdings schon erhebliche Spuren von der Kette davongetragen, und auch wenn auf dem Trail kein Lärm von der Kette festzustellen ist, würden wir euch empfehlen, hier etwas mit Slapper-Tape nachzuhelfen. Am Unterrohr hat das Claymore einen großzügigen geschraubten Rahmenschutz, der den Carbonrahmen gegen Aufsetzer oder vom Vorderrad aufgewirbelte Steine schützen soll.

Die Kettenumlenkung ist mit viel Liebe zum Detail umgesetzt und funktioniert gleichzeitig als Kettenführung.
Der Stopfen für die Fixierung der Sattelstützenleitung hat bei uns leider gar nichts fixiert … wildes Geklapper inklusive.
Die Sitzstrebe hat mit dem vorhandenen Schutz leider kein angenehmes Leben – hier empfehlen wir eine gute Portion Slapper-Tape!

So kommt ihr an ein Deviate Claymore

Deviate bietet direkt über die Website nur die Option, das Claymore als Rahmenset zu bestellen, wofür ihr 3.600 Euro in die schottischen Highlands überweisen müsst. Online habt ihr dann noch die Wahl zwischen verschiedenen Stahl- und Luftdämpfern, die ihr gegen Aufpreis dazu bestellen könnt. Für alle, die nach einem Komplettbike suchen und jetzt traurig dreinschauen, hat Deviate ein Hintertürchen offen gelassen: Auf der Website kann man sich in einem Konfigurator aus (fast) allen Teilen, die das Herz begehrt, das persönliche Wunschbike zusammenstellen. Der große Unterschied zu Konfiguratoren von anderen Marken ist allerdings, dass man das Komplettbike dann nicht direkt auf der Website bestellen kann. Die Wunschkonfiguration wird an den nächstgelegenen Deviate-Händler verschickt, der dann mit einem Angebot bzw. Änderungsvorschlägen – abhängig von der Verfügbarkeit – auf euch zurückkommt. Der Kauf des Komplettbikes findet also über den Händler und nicht über Deviate direkt statt. Das hat einerseits den Nachteil, dass man das Bike nicht direkt und ohne Umwege bestellen kann, bietet aber gleichzeitig den Vorteil einer individuellen Beratung und den Dienstleistungen eines niedergelassenen Händlers.

Die Ausstattung unseres Deviate Claymore 2022 Testbikes

Deviate hat uns für unseren Test mit einem Custom-Aufbau ganz nach den hauseigenen Vorstellungen versorgt. Der ist recht kompromisslos auf Abfahrt getrimmt und bringt in Größe L 16,4 kg auf die Waage. Das Fahrwerk aus Schweden stammt von Öhlins. An der Front werkelt die RXF38 M.2-Gabel mit 170 mm Federweg und 38 mm dicken Standrohren. Sie verfügt über zwei Luftkammern, die separat mit Luft befüllt werden. Über den Druck in der Hauptkammer kann wie gewohnt die Härte der Gabel angepasst werden, während über den Druck in der Ramp-up-Kammer die Progression eingestellt wird. Die Progression kann damit stufenlos angepasst werden, ohne mit Volumen-Spacern zu hantieren. Am Heck kümmert sich der TTX 22 M Coil-Dämpfer um die 165 mm Federweg. An dem Stahlfederdämpfer lassen sich die High- und Lowspeed-Compression sowie der Rebound werkzeuglos einstellen. Die Federhärte kann direkt beim Kauf gewählt werden – wer hier Hilfe bei der Wahl der richtigen Feder braucht, muss sich auf der Website an den Kundenservice von Deviate wenden.

Bling-Bling: Bei Öhlins wird bekanntermaßen nicht mit goldenen Akzenten gegeizt.
Nicht weniger golden ist der TTX 22 M Coil-Dämpfer. Wer auf der Website nach einem Guide zur Federhärte sucht, wird leider nicht fündig …

In puncto Bremsen und Schalten vertraut Deviate ganz auf Teile aus dem Hause Shimano. Die mechanische 12-fach XT-Schaltung verrichtet gewohnt zuverlässig ihren Job. Immer wieder positiv fällt der XT-Trigger auf: Hier könnt ihr mit einem Daumendruck direkt 2 Gänge in die schwerere Richtung oder 4 Gänge in die leichtere Richtung schalten. Auch die 4-Kolben-Bremsen kommen aus der XT-Baureihe und werden vorne wie hinten mit 200-mm-Bremsscheiben kombiniert – wie es sich für ein richtiges Enduro gehört! Cockpit und Sattelstütze kommen von OneUp Components. Der 45 mm lange Vorbau wird mit einem 800 mm breiten Carbon-Lenker kombiniert. Gute Nachricht für Fahrer mit langen Beinen: Die OneUp Dropper Post V2 wird mit 210 mm Hub verbaut und lässt sich komplett im Rahmen versenken. Das sorgt für eine angenehme Sitzposition im Uphill und genug Bewegungsfreiheit auf dem Trail.

Hier summt nichts beim Schalten: Die Shimano XT-Schaltung setzt noch auf einen guten alten Schaltzug.
Gute Nachrichten für schwere Piloten: Vorne und hinten gibt’s 200-mm-Bremsscheiben am Claymore.

Für einen stabilen Laufradsatz hat Deviate beim Claymore eine DT Swiss EX 511 29“Alufelge mit Industry Nine Hydra-Naben kombiniert. Die Alufelgen halten ordentlich was aus und man muss, auch im Vergleich zu Carbonfelgen, bei Durchschlägen auf die Felge nicht direkt zittern. Für Kontakt zum Untergrund sorgen am Claymore MAXXIS-Reifen: vorne ein ASSEGAI EXO+ mit 3C MaxxTerra-Mischung, hinten ein HighRoller II DoubleDown mit demselben Compound. Während die härtere MaxxTerra-Mischung am Hinterrad wegen geringerem Verschleiß und Rollwiderstand Sinn ergibt, wäre am Vorderrad die weichere MaxxGrip-Mischung für mehr Grip wünschenswert. Was den Schutz der Laufräder angeht, geht Deviate all-in und hat uns vorne wie hinten noch Cush-Core-Inserts mit reingepackt. Diese schützen zusätzlich die Felgen, erhöhen die Dämpfung am Reifen und verhindern in Kurven, dass die Reifen wegknicken. Das ist cool, trotzdem würden wir vorne wie hinten eher die stabilere Karkasse am Reifen wählen, bevor wir zu den Inserts greifen.

Wir hätten uns an der Front für mehr Grip die weichere MaxxGrip-Mischung gewünscht.
Können sich entspannt zurücklehnen: Die EX 511-Alufelgen werden von Cush-Core-Inserts geschützt.

Deviate Claymore (Rahmen)

3.600 €

Specifications

Fork Öhlins RXF 38 M.2 170 mm
Rear Shock Öhlins TTX 22 M 165 mm
Seatpost OneUp Dropper Post V2 210 mm
Brakes Shimano XT 200/200 mm
Drivetrain Shimano XT 1x12
Stem OneUp Stem 42 mm
Handlebar OneUp Carbon 800 mm
Wheelset DT Swiss EX511/ Industry Nine Hydra 29"
Tires MAXXIS ASSEGAI MaxxTerra EXO+/MAXXIS HighRoller II MaxxTerra DoubleDown

Technical Data

Size M L XL
Weight 16,4 kg

Specific Features

Tool Mount

Die Geometrie des Deviate Claymore 2022

Das Deviate Claymore ist lediglich in den drei Größen M bis XL erhältlich. Dabei ist es ein langes Bike, aber kein Schiff. Der Reach wächst zwischen den Größen in 30-mm-Schritten, von 460 mm in M bis hin zu langen 520 mm in XL. Zwischen den Größen fallen die Schritte recht groß aus, weshalb man schnell zwischen zwei Größen landet. Der Lenkwinkel ist mit 64,3° eher auf der steileren Seite, und die 441 mm langen Kettenstreben wachsen zwischen den Größen nicht mit. Positiv: Über alle Größen hinweg fällt das Sattelrohr kurz aus, was für ordentlich Bewegungsfreiheit auf dem Trail sorgt.

Grösse M L XL
Oberrohr 592 mm 622 mm 656 mm
Sattelrohr 410 mm 430 mm 450 mm
Steuerrohr 92 mm 108 mm 114 mm
Lenkwinkel 64.3° 64.3° 64.3°
Sitzwinkel 78° 78° 78°
BB Drop 30 mm 30 mm 30 mm
Kettenstrebe 441 mm 441 mm 441 mm
Radstand 1.235 mm 1.268 mm 1.303 mm
Reach 460 mm 490 mm 520 mm
Stack 620 mm 630 mm 640 mm

Erster Fahreindruck des Deviate Claymore 2022

Wir hatten die Gelegenheit, das Deviate Claymore über mehrere Wochen zu testen und haben dem Bike unter anderem bei einem Trip nach Finale Ligure ordentlich auf den Zahn gefühlt. Bergauf tritt sich das Claymore solide: Ihr werdet auf den Climbs keine neuen Strava-Rekorde damit aufstellen, aber vom Bike auch nicht zurückgehalten. Auf langen und steilen Anstiegen hätten wir uns die Möglichkeit gewünscht, den Dämpfer sperren zu können. Die Sitzposition fällt angenehm aus und man sitzt mittig im Bike, was es einem leicht macht, an steilen Rampen Gewicht auf die Front zu bekommen.

Auf dem Trail fällt zunächst auf, dass einem eigentlich nicht so viel auffällt: Der High-Pivot-Hinterbau verrichtet unauffällig seine Arbeit. Er spricht feinfühlig an und ist in seinem Charakter vorhersehbar. Die Längung des Hinterbaus beim Einfedern verläuft recht gleichmäßig, wodurch sich das Claymore konstant fahren lässt. Im Vergleich zu anderen Bikes mit High-Pivot-Hinterbau – wie etwa Norco Range oder Cannondale Jekyll – fällt die Veränderung des Radstands nicht so drastisch auf und liefert so einen guten Mix aus Agilität und der für dieses Hinterbau-System bekannt hohen Laufruhe.

Das Fahrwerk bietet ebenfalls einen guten Mix aus Traktion und Gegenhalt und ist dabei weder zu straff noch versinkt man im Federweg. Dadurch kann das Hinterrad dem Untergrund gut folgen und generiert viel Grip. Versucht man über Roller oder Wellen Schwung zu generieren, muss man mit dem Claymore allerdings schon etwas härter arbeiten, weil etwas Energie im Fahrwerk versinkt. Das Handling ist auf der wendigeren Seite: Das Bike lässt sich willig von Kurve zu Kurve werfen, vermittelt aber auch auf der Geraden ausreichend Sicherheit für hohe Geschwindigkeiten. Angepeilte Linien lassen sich mit dem Deviate Claymore gut treffen, und auch wenn man mal die falsche Linie gewählt hat, ist man dort nicht direkt verloren, sondern kann mit wenig Aufwand die Linie wechseln. Allgemein braucht das Claymore einen aktiven Fahrstil, um seine Stärken auszuspielen, sonst wird man schnell zum Passagier. Das macht es nicht zum Anfänger-freundlichsten Bike, sondern zu einem Rad für erfahrene Piloten und Racer.

Unser Fazit zum neuen Deviate Claymore 2022

Deviate hat das High-Pivot-Konzept mit dem Claymore konsequent und stimmig umgesetzt. Schicke Detail-Lösungen wie die Alu-Konstruktion rund um die Kettenumlenkung werden allerdings leider von lautem Klappern und einem zu schmalen Kettenstrebenschutz überschattet. Auf dem Trail liefert es eine gute Balance aus Laufruhe und Wendigkeit, braucht aber einen erfahrenen Piloten. Damit schafft es willig den Spagat zwischen brutalem Schwert und feiner Klinge, was es zu einem vielseitigen Bike macht.

Tops

  • schicker Rahmen mit schön gelöster Kettenumlenkung
  • gute Balance aus Agilität und Laufruhe
  • sensibles Ansprechverhalten

Flops

  • klappernde Dropper-Leitung
  • kein Bike für Anfänger

Alle weiteren Infos findet ihr auf der Website von Deviate.


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Text: Felix Rauch Fotos: Sina Meissner, Mike Hunger