Das Deviate Highlander 2 ist der neue Allrounder der High-Pivot-Veteranen aus Schottland mit 160 mm Federweg vorne und 145 mm hinten. Wie wir es von Deviate gewohnt sind, ist es zudem in eine ziemlich elegante Hülle gepackt. Ob es auch abseits der nasskalten Highlands überzeugen kann?
Bei einem Highlander denkt man an grobe, harte Gestalten aus dem schottischen Gebirge – Schottenrock und grimmiger, wettergegerbter Blick inklusive. Was man bei einem Highlander eher nicht erwartet: eine Schönheit wie das neue Bike von Deviate, dem Highlander 2. Das neueste Werk der schottischen Schmiede bringt 145 mm Federweg am Heck und 160 mm an der Front mit. Damit ersetzt es das – wer hätte es gedacht – alte Highlander-Modell mit 140 mm oder 150 mm am Heck. Der Claim lautet: Any trail, any time. So soll der 14,5 kg schwere Hobel wirklich alles mitmachen, von entspannten Local Trail-Runden, über Abenteuer-Missionen bis hin zu Bikepark-Laps. Das 8.835 € teure Bike soll damit der vielseitige Alleskönner im Line-up der Schotten sein.
Deviate und High-Pivot-Bikes – Vorreiter statt Mitläufer
Deviate setzt bereits seit 2016 bereits mit ihrem ersten Bike, dem Guide, ausschließlich auf High-Pivot-Hinterbauten. Die Schotten laufen mit dem Highlander 2 also keinesfalls Trends hinterher, sondern waren vielmehr Vorreiter des High-Pivot-Hypes. Doch was ist die Magie hinter diesen Hinterbau-Konzepten? Das Besondere ist, dass das Hinterrad sich beim Einfedern um einen Drehpunkt (auf Englisch: Pivot) bewegt, der weit oberhalb des Tretlagers und der Radachse liegt. Und somit auch deutlich höher als bei konventionellen Hinterbauten. Das Hinterrad bewegt sich dadurch beim Einfedern in einer aufwärts und rückwärts gerichteten Kurve, anstatt aufwärts und vorwärts wie bei herkömmlichen Hinterbau-Konzepten. Beim Fahren kann das hintere Rad dadurch Schlägen – durch Wurzeln oder Steine auf dem Trail – nach hinten und oben ausweichen. Das soll für ein smootheres Gefühl sorgen, wenn man mit dem Bike über Hindernisse drüber pflügt. Ein Nebeneffekt des hohen Drehpunkts ist, dass sich das Hinterrad im Verlauf des Federwegs immer weiter vom Rahmen wegbewegt – der Abstand zwischen Tretlager und hinterer Achse wächst also. Das kann zum einen die Balance zwischen der Front und dem Heck des Bikes im Lauf des Federwegs ändern, zum anderen zieht das Hinterrad so an der Kette. Deshalb ist bei High-Pivot-Bikes die charakteristische Umlenkrolle nötig, die sich immer etwa auf Höhe des Pivot-Punkts befindet und dadurch Kettenlängung und Pedalrückschlag drastisch reduziert. Mehr Details zu diesem und anderen Hinterbau-Konzept findet ihr in unserem Suspension-Voodoo-Artikel .
Sabberalarm – Das Deviate Highlander 2 2023 im Detail
Das Deviate Highlander 2 hat einen Carbon-Rahmen mit eleganter Linienführung. Es gibt keine gröberen Ecken oder Kanten, an denen sich das Auge stört, gleichzeitig ist das Erscheinungsbild aber nicht zu voluminös und rund. Das Bike ist in zwei Farben mit den ausgefallenen Namen Iona Blue und Isla Sand erhältlich. Auf dem Oberrohr befindet sich ein zebraähnliches Muster, das an das Logo des Herstellers angelehnt ist. Ein besonders im schottischen Winter sicherlich nützliches Feature: An den Rahmenlagern und der Kettenumlenkrolle befinden sich Grease-Ports, mit denen man ganz einfach neues Fett in die Lager pressen kann, um die Lebensdauer der Lager zu verlängern.
Am Unterrohr befindet sich ein angeschraubter Schutz aus Carbon, um den edlen Carbon-Rahmen vor Aufsetzern zu schützen. Der Kettenstrebenschutz sollte hier eher Sitzstrebenschutz heißen, denn wegen der weit oben laufenden Kette ist nur an der oberen Strebe ein Schutz angebracht. Dieser besteht lediglich aus einem einfachen, angeklebten Slapper-Tape, verrichtet seine Arbeit allerdings tadellos, denn er schützt zuverlässig und man hört nichts von der Kette. Die für High-Pivot-Bikes charakteristische Umlenkrolle für die Kette ist sauber auf dem einteiligen Hinterbau angebracht. Das 18 Zähne große Rad ist durch ein robust wirkendes, einteiliges Alu-Teil an drei Punkten am Rahmen verschraubt.
Die Zugverlegung ist mit einem wilden Mix aus innen und außen gelöst. Der Dropper-Zug läuft am Steuersatz direkt in den Rahmen, während die Leitungen von Hinterbremse und Schaltung außerhalb des Hauptrahmens in einer Aussparung auf der Unterseite des Oberrohrs verlaufen. Hier sind sie sauber geklemmt und die Klemmungen fungieren gleichzeitig als Tool-Mounts. Zusammen mit dem Flaschenhalter hat man somit drei Befestigungsmöglichkeiten am Rahmen – top! Im Hinterbau verschwinden die beiden Leitungen allerdings in der Sitzstrebe, sprich: Mal eben die Bremse tauschen, geht auch beim Highlander nicht. Warum Deviate hier auf eine Misch-Lösung der Kabelführung setzt, ist uns nicht ganz schlüssig.
So kommt ihr an ein Deviate Highlander 2 2023
Bei Deviate gibt es zwei Möglichkeiten, in Besitz eines Highlander 2 zu kommen. Eine Variante ist, den Rahmen direkt auf der Website zu bestellen – mit oder ohne Dämpfer – und euch das Bike selbst aufzubauen. Die andere Möglichkeit ist, sich im umfangreichen, aber dennoch übersichtlichen Online-Konfigurator ein komplettes Bike zusammenzustellen. Die Auswahl ist hier groß und zu jedem Produkt werden nützliche Infos gegeben. Allerdings fehlt dann am Ende der Bestell-Button. Denn man kann sich bei Deviate lediglich alles zusammenstellen. Diese Liste wird dann an einen Händler in eurer Nähe geschickt, der euch nochmal kontaktiert. Er bestellt dann auf Wunsch alles Nötige, baut das Bike auf und ihr könnt es dort abholen. Durch den zwischengeschalteten Händler hat man nochmals persönliche Beratung und potenzielle Fragen zur gewählten Ausstattung können so geklärt werden. Allerdings ist das Deviate-Händlernetz noch recht dünn gesät und fertig ausgestattete Builds sind eben nicht direkt über Deviate erhältlich.
Schwedisch-japanische Bilateralität – Die Ausstattung unseres Deviate Highlander 2 2023 Testbikes
Der Aufbau unseres Test-Bikes ist ganz nach Deviates Vorstellung und größtenteils eine schwedisch-japanische Koproduktion. Das schwedische Fahrwerk besteht aus einer Öhlins RXF 36 m.2-Gabel und einem passenden TTX2 Air-Luftfederdämpfer. Die Gabel ist mit zwei Luftkammern ausgestattet, dadurch kann man die Progression stufenlos anpassen, anstatt mit Spacern zu arbeiten. Druckempfehlungen für beide Kammern sind natürlich auf der Gabel abgedruckt. Die Dämpfungskartusche lässt eine Einstellung von High- und Lowspeed-Compression sowie Rebound zu. Die gleichen Einstellmöglichkeiten finden sich auch am Dämpfer wieder.
Antrieb und Bremsen kommen komplett aus der XT-Reihe aus dem Hause Shimano. Die Vierkolbenbremsen sind mit den High-End ICE-TECH-Bremsscheiben kombiniert. Allerdings hilft bei der kleinen 180er-Scheibe am Heck kein Eis der Welt und auf langen Abfahrten oder für schwere Piloten überhitzt die Scheibe schnell und die Bremse verliert dabei an Bremspower. Ein Upgrade auf eine 200er-Scheibe lohnt sich hier also – besonders wenn man gelegentliche Bikepark-Besuche plant. Bei der XT-Schaltung kann man in beide Richtungen 2 Gänge gleichzeitig schalten und auch Hochschalten mit dem Zeigefinger ist möglich – cool! Zudem reicht eine Standard-Kette mit 126 Gliedern, trotz der zusätzlichen Kettenlänge durch die Umlenkung.
Cockpit und Sattelstütze kommen von OneUp mit einem Carbon-Lenker, der durch seinen ovalen Shape Vibrationen dämpfen und so Armpump reduzieren soll, und einer massig langen 210er-Dropper. Die Laufräder stammen von der amerikanischen Edelschmiede Industry Nine und neben der bekannten Hydra-Nabe mit gerade einmal 0,52° Engagement sind hier auch die Alufelgen in North Carolina hergestellt. Der Sound des Freilaufs ist laut, unverkennbar, aber auch Geschmacksache.
Die Vittoria Mazza-Reifen sind mit dünner Trail-Karkasse ausgestattet. Diese wird dem Abfahrts-Potenzial des Bikes nicht gerecht und mit einer robusteren Karkasse, wie der Enduro von Vittoria, könnte man hier einen niedrigen Druck für mehr Grip fahren und hätte zusätzlich noch besseren Pannenschutz. Ein klarer Tuning-Tipp! Auch die Graphene 2.0-Gummimischung ist eher auf der härteren Seite und vergleichbar mit MAXXIS MaxxTerra oder Schwalbe Soft. Vor allem bei nassen Bedingungen lohnt sich ein Upgrade auf einen Reifen mit weicherer Gummimischung für mehr Grip und Kontrolle am Vorderrad. Die Reifenfreiheit ist am Hinterrad recht knapp bemessen, allerdings nicht seitlich, sondern nach vorne. Hier hat schnell mal etwas Matsch vom Reifen am Rahmen gestriffen.
Deviate Highlander 2
8.835 €
Specifications
Fork Öhlins RXF 36 m.2 160 mm
Rear Shock Öhlins TTX2 Air 145 mm
Seatpost OneUp Components V2 210 mm
Brakes Shimano XT 200/180 mm
Drivetrain Shimano XT 1x12
Stem OneUp 42 mm
Handlebar OneUp Components Carbon Bar 800 mm
Wheelset Industry Nine Enduro S Alu 29"
Tires Vittoria Mazza Graphene 2.0 Trail/Vittoria Mazza Graphene 2.0 Trail 2,4"/2,4"
Technical Data
Size S M L XL
Specific Features
Zwei Toolmounts
Online-Konfigurator
Die Geometrie des Deviate Highlander 2 2023
Die Geometrie des Deviate Highlander 2 ist im Vergleich zu seinem Vorgänger etwas flacher und länger geworden, aber noch keinesfalls extrem. Das Bike ist in vier Größen von S bis XL erhältlich. Damit kommt die kleine Größe im Vergleich zum Vorgänger dazu, der nur in den Größen M bis XL erhältlich war. Größe S soll allerdings erst ab August 2023 erhältlich sein. Das Sattelrohr ist in Größe L mit 430 mm bei einem Reach von 490 schön kurz und lässt so in Kombination mit der langen, voll versenkbaren Dropperpost sehr viel Bewegungsfreiheit auf dem Bike zu. Die Kettenstreben sind über alle Größen hinweg 441 mm lang.
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Sitzrohr | 380 mm | 410 mm | 430 mm | 450 mm |
Oberrohr | 571 mm | 601 mm | 635 mm | 658 mm |
Steuerrohr | 88 mm | 93 mm | 110 mm | 121 mm |
Lenkwinkel | 65° | 65° | 65° | 65° |
Sitzwinkel | 77° | 77° | 77° | 77° |
Kettenstreben | 441 mm | 441 mm | 441 mm | 441 mm |
Radstand | 1.189 mm | 1.221 mm | 1.258 mm | 1.283 mm |
Reach | 430 mm | 460 mm | 490 mm | 510 mm |
Stack | 610 mm | 615 mm | 630 mm | 640 mm |
Level up – Was kann das Deviate Highlander 2 2023 auf dem Trail?
Wir haben das Versprechen des Deviate Highlander 2 ernst genommen: Any trail, any time. Und so haben wir dem Bike ordentlich auf den Zahn gefühlt und von langen Hometrail-Runs mit technischen Trails voller Wurzeln – und auch einiger Mutproben – bis hin zu Downhill-Rennstrecken und Bikepark-Lines nichts ausgelassen.
Geht es bergauf, sitzt man verhältnismäßig weit hinten auf dem Bike, was bei flacheren Passagen Komfort bringt. Wird es steil, muss man sich allerdings aktiv nach vorne lehnen, um das Vorderrad auf dem Boden zu behalten. Der Hinterbau bleibt beim Treten stets aktiv, wodurch man komfortabel sitzt, da Wurzeln oder Schlaglöcher weggeschluckt werden. In technischen Climbs hat man guten Grip am Hinterrad und selbst auf langen Schotterweg-Stücken haben wir trotz des minimalen Wippens nie zum Climb-Switch des Dämpfers greifen müssen. Die Umlenkrolle der Kette läuft sauber und geräuschlos – lediglich im leichtesten Gang ist ein leichtes Klackern zu hören. Zusätzlicher Widerstand beim Treten ist uns dadurch allerdings nicht aufgefallen.
Startet man mit dem spaßigen Part jeder Tour, steht man gut zentriert im Rad und fühlt sich direkt wohl. Das Bike ändert willig die Richtung und lässt sich mühelos in schnell aufeinanderfolgende Kurven werfen. Es ist dabei nicht zittrig oder nervös, sondern macht vorhersehbar das, was man von ihm will. Auch schnelle Linienwechsel gehen so easy von der Hand und man muss nicht die Brechstange herausholen, wenn man doch mal schnell auf die Highline wechseln möchte. Eine Sache, die den Abfahrtsspaß des Highlander etwas trübt, ist allerdings die Geräuschkulisse: Zum einen klappern die Züge aneinander und zum anderen kommt ein Klappergeräusch aus dem Tretlagerbereich, das wir allerdings noch nicht genau zuordnen konnten. Ersteres lässt sich jedoch leicht beheben, indem man die Züge zusammenclippt.
Das Hinterrad folgt dem Untergrund gut und spricht fein an, von kleinen Schlägen bekommt man recht wenig mit. Das bringt einem guten Grip am Heck und damit auch viel Sicherheit in rutschigen Passagen oder kniffligen Off-Cambern. Dennoch bietet das Fahrwerk guten Gegenhalt im mittleren Federwegsbereich, sodass man beim Pumpen über Roller oder auf flowigen Passagen ordentlich Schwung generieren kann. Bei dicken Hits hat das Deviate immer genug Reserven, sodass man keine unangenehmen Durchschläge spürt. An der Front zeigt das Bike nicht den besten Grip und man muss aktiv auf die Front arbeiten, damit diese Grip behält. Vor allem in offenen Kurven oder auf staubigem, losem Untergrund schränkt das dann das Sicherheitsgefühl des Bikes etwas ein. Ein Reifen mit weicherer Gummimischung an der Front würde hier bereits helfen.
Trotz des weichen Ansprechverhaltens des Hinterbaus liefert das Highlander 2 ein definiertes Feedback vom Untergrund. Man hat nicht das Gefühl, dass sich das Bike in irgendeiner Weise aus der Ruhe bringen lässt und trotz der gerade einmal 145 mm am Heck liefert es viel Laufruhe und boxt hier eindeutig über seiner Gewichtsklasse. In sehr engen Anliegern hat man allerdings das Gefühl, in der Mitte der Kurve etwas zu verhungern. Das kommt durch die Längung des Bikes beim Einfedern, denn in starken Kompressionen verlängert sich so der Radstand spürbar. Auf der anderen Seite gibt das in schnellen, weitläufigeren Anliegern viel Sicherheit. Hier fühlt man sich wie am Boden festgeklebt, bekommt viel Sicherheit vermittelt und fegt mit dem Highlander 2 durch wie auf Schienen.
Für wen ist das Deviate Highlander 2 2023?
Das Deviate Highlander 2 ist ein Bike mit exotischem Flair und hohem Allroundpotenzial. Es ist für die meisten Hometrails nicht zu viel, kann aber gleichzeitig einen Ausflug in den Bikepark oder ein Trip nach Finale Ligure locker mitmachen. Das Deviate ist natürlich nicht für den Dauereinsatz im Park gemacht, muss sich aber auch nicht verstecken und kann selbst auf heftigen Trails gut an Bikes mit deutlich mehr Federweg dranbleiben. Ach, und haben wir schon erwähnt, wie edel es aussieht?
Fazit zum Deviate Highlander 2 2023
Das Deviate Highlander 2 ist kein grobschlächtiger Barbar, sondern eher eine schottische Schönheit, die es faustdick hinter den Ohren hat. Es überzeugt in den verschiedensten Szenarien von Hometrails bis hin zum gelegentlichen Bikepark-Besuch durch direktes und agiles Handling. Man muss allerdings in offenen Kurven aktiv nach vorne arbeiten, um Grip am Vorderrad zu behalten. Der Hinterbau des Highlander 2 funktioniert tadellos, ist sensibel und traktionsstark, gleichzeitig bietet er viel Gegenhalt.
Tops
- breiter Einsatzbereich
- viel Grip und Feinfühligkeit am Heck
- direktes und agiles Handling
Flops
- lautstarkes Klappern
- Front muss aktiv belastet werden für Grip in Kurven
Auf deviatecycles.com findet ihr mehr Informationen.
Tuning-Tipps: Reifen mit robusterer Karkasse, vorne auch mit weicherer Gummimischung | Züge vor dem Lenker zusammenclippen | größere Bremsscheibe am Heck
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Text: Felix Rauch, Simon Kohler Fotos: Mike Hunger