ENDURO Dauertest 2014: Das Focus SAM 1.0 im Langzeittest
Es gibt einige Bikes, bei denen man beim ersten Aufsitzen denkt “hmm, wenn ich ein paar Teile auswechsle könnte ich mich dran gewöhnen”. Es gibt auch die Sorte von Bikes, bei denen man denkt, “nein, da passt einfach gar nichts”. Selten hingegen sind die Bikes, die du aus dem Karton holst, Pedale montierst und auf Anhieb die Strava-Zeiten auf deinen Hometrails knackst. Das Focus SAM 1.0 ist so ein Bike: Schnell, aggressiv und gnadenlos! UK-Redakteur Trevor Worsey testet das SAM nicht weniger gnadenlos seit Anfang des Jahres im schottischen Winter im Rahmen des Dauertest-Programms 2014.
Das erste Mal fiel mir das Focus SAM bei dem Auftakt-Rennen der Enduro World Series 2013 in Punta Ala auf, als Teamfahrer und Designer Fabian Scholz einen Prototypen des Bikes auf den fordernden italienischen Strecken fuhr. Im Rahmen des Dauertest-Programms 2014, war ich der Glückliche, der ausgewählt wurde, das SAM zu fahren. Besonders deshalb, da ich vergangenes Jahr immer mehr Gefallen daran fand, ambitioniert Rennen zu bestreiten. Aber schnell sollte sich herausstellen, dass das Bike für mehr als Racing taugt. Lange Touren, XC-Rides oder Abenteuer in den schottischen Highlands – die Liste der Trips ist genauso lang wie die immense Masse an Trailkilometern, welche das SAM auf unterschiedlichste Weise über die vergangenen Monate in rauem, englischem Wetter gesammelt hat. Das Focus ist ein Bike, das auf entspannten Touren mit den Kumpels Spaß macht, sobald man jedoch in die Abfahrt sticht, lechzt dieses Bike nach Speed: “You will not be able to stop yourself from slamming the reverb, dropping it into the 10t cog and giving it full gas, this bike is amazing fun!”. Aber back to topic! Lasst uns zu allererst einen Blick auf die Komponenten und den Aufbau werfen!
Wenn ich ein Bike für mich gestalten und konzipieren dürfte, dann wäre das tief, flach, lang und mit RockShox-Pike-Federgabel, SRAMs XX1-Antrieb und Carbon-Laufrädern ausgestattet. Entsprechend war ich mehr als happy, als ich genau das standardmäßig am SAM 1.0 vorfand. Die Ausstattung des SAMs ist vor allem eines: High-End. Im Prinzip gibt es keine Unstimmigkeiten im Aufbau. Selbst der 780 mm breite Carbon-Lenker und die dünnen Griffe passen perfekt. Die Schwalbe Hans Dampf Reifen gehören zu den besten Allround-Reifen, nutzen sich aber recht schnell ab, deshalb wurden sie bereits durch ein anderes Modell ersetzt. Aber nun zur wichtigsten Frage, wie performt das Focus auf dem Trail?
Wenn ich das SAM in 3 Worten beschreiben müsste, wären diese “schnell, souverän und intuitiv”, ein Bike das Sprünge und Vollgas liebt. Bestes Beispiel: Als ich das Bike einem Freund lieh, killte er bei der ersten Fahrt jeden seiner (ziemlich schnellen) Strava KOMs. Ein Zeichen dafür, dass die Eingewöhnungszeit recht kurz ausfällt und es ziemlich einfach ist, das Potential dieses Bikes auszuschöpfen.
Für ein Bike dieser Federwegsklasse klettert das SAM (nicht zuletzt dank des 75° steilen Sitzwinkels) überraschend gut. Der effiziente 160-mm-Hinterbau wippt selbst ohne Zuschalten des Climb-Modus am Dämpfer kaum und bietet dabei hervorragende Traktion in technischen Anstiegen. Man merkt natürlich den mit 65° recht flachen Lenkwinkel, aber dank der tiefen Front hat man stets genügend Druck auf dem Vorderrad und kann es so gut in Zaum halten.
Mit diesem Setup beeindruckt das SAM vor allem in Kurven, wo es extrem präzise und kontrolliert dem Lenkimpuls folgt. Im Downhill begeistert das SAM mit einem sehr definierten Fahrwerk. Insgesamt gibt sich das Fahrwerk dabei vorne wie hinten sehr ausbalanciert, und bietet ein sehr definiertes Feeling. Ein Durchrauschen des Fahrwerks? Fehlanzeige! Das Bike bleibt in Kurven und Kompressionen eher hoch im Federweg. Mit 155 PSI Druck im Monarch Plus hat der Dämpfer bei einem Körpergewicht von 78 kg rund 25 % SAG und agiert bei kleinen Schlägen sehr sensibel. Nichtsdestotrotz kam es bei sehr schnellen und großen Schlägen mehrmals vor, dass der Hinterbau durchgeschlagen ist. Deshalb werde ich in Kürze zwei weitere Luftvolumen-Spacer im Monarch installieren. Das Focus Trail Team fährt ebenfalls mit 4 Spacern.
Der 65° flache Lenkwinkel und das lange Oberrohr (595 mm in Größe M), sowie der lange Radstand (1184 mm) sorgen für hohe Laufruhe und ein souveränes Handling in technischem und verblocktem Terrain. Nicht zu verspielt, aber dennoch sehr aktiv lässt sich das SAM sehr präzise manövrieren.
Das SAM 1.0 im Überblick
Ziel des Dauertests ist es, die Ups & Downs der Bikes im Alltagseinsatz aufzuzeigen. Nach mehr als 1000 km and 40,000 Höhenmetern folgt hier die Bilanz des Focus SAM 1.0:
- Auf den ersten Blick erschienen mir die Lager des Hinterbaus etwas klein und fragil für den harten Einsatz in schottischen Bedingungen. Doch entgegen meiner Annahme, hier schnell Verschleiß feststellen zu müssen, haben sie sich bis dato bestens geschlagen. Nach 5 knallharten und materialmordenden Rennen im Winter mit Schlamm, Steinen und Wurzeln laufen die Lager noch wie am ersten Tag.
- Ich habe eine Buchse am Dämpfer austauschen müssen, das ist das einzige in Bezug auf das Fahrwerk.
- Die Leitung meiner Reverb ist beim Crash an der Verbindung zum Remote-Lenkerhebel gerissen.
- Im Tretlagerbereich reiben die Züge etwas am Rahmen, sobald ich das bemerkt haben, klebte ich 3M-Folie an besagte Stelle.
- Die Lager im Reynolds Hinterrad musste ich bereits einmal wechseln. Der Ein- und Ausbau der Lager ging jedoch sehr einfach von der Hand.
Fazit
Das Focus SAM 1.0 ist eines der besten Bikes der Saison 2014. Mit einer exzellenten Performance und einer sehr hochwertigen und vor allem durchdachten Ausstattung ist das 4.999 Euro teure Bike absolut Race-Ready. Schnelle, anspruchsvolle Trails sind das Lieblingsmetier des aggressiven Trailbikes, das dank der ausgewogenen Geometrie und des geringen Gewichts auch sehr gut klettert. Nach unzähligen Kilometern im schottischen Winter und mehreren Renneinsätzen unter widrigsten Bedingungen ist klar: Dieses Bike hält was es verspricht – und das vor allem lange!
Lies auf unserer innovativen Dauertest-Timeline, was mit den anderen 12 Testbikes passiert!
Text und Fotos: Trev Worsey
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!