Das FOCUS JAM 8.9 ist das günstigste Fully im Test. Und das, obwohl es das Topmodell des JAM-Lineups ist. Es hat viele Features, die sonst nur hochpreisige Bikes mit sich bringen: integrierte Kabelführung und ein Staufach im Unterrohr. Doch wie schlägt es sich auf dem Trail?
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Trail-Bike 2022 – 14 Modelle im Test

Das FOCUS JAM 8.9 ist mit einem Preis von 4.699 € das teuerste JAM im Line-up, jedoch das günstigste Bike im Test – abgesehen vom Hardtail. Es ist mit 15,8 kg in der getesteten Größe L auch das schwerste. Es besteht aus einem Carbon-Hauptrahmen mit wuchtiger Form und einem Alu-Hinterbau, der 150 mm Federweg zur Verfügung stellt. Kombiniert ist das mit einer 150-mm-Federgabel.



Die Ausstattung des FOCUS JAM 8.9
Im Unterrohr des FOCUS JAM 8.9 befindet sich ein Fach das I.C.S. genannt wird. Das steht für Internal Compartment Solution. Im Inneren befindet sich eine Tasche, die an den Metallstift des Schließmechanismus gehängt wird, damit sie nicht im Rahmen verloren geht. Das bedeutet aber auch, dass ohne diese Tasche nichts im Fach verstaut werden kann. Zudem ist der Schließmechanismus der Klappe etwas fummelig. Der Rahmen ist standardmäßig an Unterrohr, Kettenstrebe und Sitzstrebe in Schutzfolie gepackt. Zusätzlich wird der Rahmen mit einem schmalen Unterrohrschutz vor Kratzern bewahrt. Der große Kettenstrebenschutz ist aufgesteckt, während der Schutz an der Sitzstrebe geklebt ist.

Das kleine Krokodil scheint hier eure Kabel zu fressen. Das macht den Rahmen clean, aber einen Umbau der Front kompliziert.

Die Remote des Post Moderne-Droppers benötigt hohe Bedienkräfte.

Das Staufach zu verschließen, ist etwas fummelig. Man sollte also entweder hohe Fingerfertigkeit oder viel Geduld mitbringen.
FOCUS JAM 8.9
4.699 €
Specifications
Fork FOX 36 Performance GRIP 150 mm
Rear Shock FOX FLOAT X Performance 150 mm
Seatpost Post Moderne 170 mm
Brakes Shimano XT 200/200 mm
Drivetrain Shimano XT/SLX 1x12
Stem FOCUS C.I.S. 50 mm
Handlebar Race Face Chester 35 Alu 780 mm
Wheelset DT Swiss M1900 29"
Tires MAXXIS Minion DHF, 3C, MaxxGrip, EXO/MAXXIS Minion DHR II, 3C, MaxxTerra, EXO+ 2,5/2,4
Technical Data
Size S M L XL
Weight 15,8 kg
Specific Features
Flip-Chip
Staufach
Tuning-Tipp: Sattel ganz nach vorne schieben für zentralere Sitzposition

Die Kette und Kassette stammen aus der günstigeren SLX-Serie, bringen im Vergleich zu XT aber nur ein geringes Mehrgewicht mit.

Die GRIP-Dämpfungskartusche bietet solide Trail-Performance, aber begrenzte Einstellbarkeit und Sensibilität.

An der Front arbeitet die FOX 36 Performance mit GRIP-Dämpfungskartusche. Diese bietet nur begrenzte Einstellmöglichkeiten und ist weniger feinfühlig als die GRIP2-Kartuschen der Konkurrenz. Am Heck ist der FOX FLOAT X Performance verbaut. Dieser bietet Einstellung von Rebound und eine Plattformdämpfung, im Vergleich zum Factory-Topmodell fehlt ihm aber die Verstellbarkeit von Low Speed Compression. Der 780 mm breite Race Face Alu-Lenker ist am Focus C.I.S.-Vorbau angebracht. Das steht für Cockpit Integration Solution und bedeutet, dass alle Leitungen oberhalb des Lenkers in der Vorbau laufen und von dort aus in den Rahmen verlegt sind. Der Post Moderne-Dropper bietet 170 mm Hub, was für ein Trail-Bike in Größe L zu wenig ist und die Bewegungsfreiheit einschränkt. Zudem benötigt der Hebel hohe Bedienkräfte.

Durch sein hohes Gewicht und den wippenden Hinterbau ist das FOCUS bergauf eher träge.
Geschalten wird mit einer Mischung aus Shimano XT und SLX: Trigger und Schaltwerk kommen aus der hochwertigeren XT-Serie, während Kassette und Kette aus der günstigeren SLX Serie kommen. Die Schalt-Performance ändert sich dadurch nicht, lediglich das Gewicht steigt etwas. Shimano XT sorgt am FOCUS außerdem für Verzögerung: Die Vierkolbenbremsen mit 200 mm großen Bremsscheiben vorne und hinten sind sehr standfest. Der verbaute DT Swiss M1900-Laufradsatz ist solide, aus Aluminium und hat einen Budget-bewussten Preis. Vorne ist der MAXXIS Minion DHF-Reifen in weicher MaxxGrip Mischung und mit EXO-Karkasse verbaut, hinten findet man den MAXXIS Minion DHR II mit härterer MaxxTerra-Mischung und EXO+ Karkasse. Diese Kombination hat sich gut bewährt und uns gefällt besonders, dass der Vorderreifen aus weichem Gummi ist, da das mehr Traktion an der Front bedeutet.
Das Staufach ist ein cooles Feature, leider ist die Bedienung etwas fummelig.

Die Geometrie des FOCUS JAM 8.9
Das FOCUS JAM 8.9 ist in vier Größen von S bis XL erhältlich. Mit einem Flip-Chip an der Umlenkung kann man Sitz- und Lenkwinkel um 0,5° verkleinern und den Reach um 5 mm verkürzen. Wir sind das Bike hauptsächlich im High-Setting gefahren. Es hat einen Reach von 480 mm und ein 450 mm langes Sitzrohr. Das ist sehr hoch, was die freie Größenwahl und die Bewegungsfreiheit zusätzlich zum kurzen Dropper noch weiter einschränkt.
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 390 mm | 420 mm | 450 mm | 480 mm |
Oberrohr | 558 mm | 598 mm | 622 mm | 655 mm |
Steuerrohr | 90 mm | 100 mm | 120 mm | 140 mm |
Lenkwinkel | 65° | 65° | 65° | 65° |
Sitzwinkel | 76° | 76° | 76° | 76° |
Kettenstrebe | 435 mm | 435 mm | 435 mm | 435 mm |
BB Drop | 30 mm | 30 mm | 30 mm | 30 mm |
Radstand | 1.170 mm | 1.204 mm | 1.242 mm | 1.281 mm |
Reach | 420 mm | 450 mm | 480 mm | 510 mm |
Stack | 603 mm | 613 mm | 631 mm | 649 mm |

Das FOCUS JAM 8.9 auf dem Trail
Nimmt man auf dem FOCUS JAM 8.9 Platz, sitzt man recht weit hinten, besonders wenn man lange Beine hat und den Sattel weit ausziehen muss. Geht es bergauf, wippt der Hinterbau stark, hier lohnt sich in jedem Fall der Griff zu Plattformdämpfung, um noch ein paar Körner Energie übrig zu haben, sobald man am Trail-Einstieg ankommt. Allerdings verschlechtert sich dadurch die Traktion und sobald der Aufstieg etwas technischer ist, wird eine aufmerksame Fahrweise benötigt. Die Front steigt bei steileren Passagen schnell und auch das hohe Gewicht des Bikes macht sich beim Uphill bemerkbar.
Das FOCUS JAM 8.9 hat ein schluckfreudiges Fahrwerk. Eine aktive Fahrweise lässt das leider nicht zu.



Steinfelder verschwinden aus dem Sinn, wenn man auf dem Focus sitzt, denn es gibt nur wenig Feedback vom Untergrund weiter.
Droppt man in den Trail, lässt sich das Bike intuitiv und einfach steuern. Man fühlt sich schnell wohl auf dem FOCUS und der weiche Hinterbau liefert viel Traktion. Auch Anfänger kommen mit dem Bike schnell zurecht, da es den Federweg großzügig freigibt und so ruppige Wurzelfelder unter den Füßen verschwinden lässt. Allerdings ist keine aktive Fahrweise möglich, da Impulse, die man ins Bike gibt, vom Fahrwerk geschluckt werden. Wer gerne passiv fährt und den Trail einfach niederbügelt, ohne zu merken, was unter einem passiert, wird mit dem JAM gut zurechtkommen. Wer allerdings lieber verspielt fährt, viel Airtime mag und gerne Manuals auf dem Trail zieht, ist mit dem FOCUS nicht gut bedient, da es wenig Gegenhalt und Pop bietet. In Anliegern oder Kompressionen versinkt das Bike zu leicht im Federweg und macht es so sehr mühselig, Schwung zu generieren.

Fazit
Das FOCUS JAM 8.9 bietet coole Features, wie einen cleanen Carbonrahmen, integrierte Kabelführung oder ein Staufach, zu einem fairen Preis. Es hat eine solide Ausstattung, ist aufgrund des hohen Gewichts und des wippenden Hinterbaus aber sehr träge im Uphill. Geht es bergab, schluckt das sanfte Fahrwerk Features einfach weg, gibt dabei aber wenig Feedback vom Untergrund. Eine aktive Fahrweise verpufft so schnell im Fahrwerk und das JAM vermittelt eher Sofa- als Trail-Feeling.

Tops
- viele Rahmen-Features
- schluckfreudiges Fahrwerk

Flops
- schwergängige Dropper Remote
- Hinterbau wippt stark im Uphill
- Fahrwerk bietet nicht genug Gegenhalt und Pop
Mehr Informationen findet ihr unter focus-bikes.com

Das Testfeld
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Text: Simon Kohler Fotos: Peter Walker, Mike Hunger