Das Hope HB916 2022 ist das neueste Enduro-Bike aus der britischen Edelschmiede. Für die komplette Neuentwicklung setzt Hope auf einen Carbon-Rahmen mit High-Pivot-Hinterbau, der mit seinem Vorgänger nichts mehr gemeinsam hat. Wir haben den Exoten für euch getestet und herausgefunden, ob er auch auf dem Festland performt.

Hope HB916 | 170/160 mm (v/h) | 15,6 kg in Größe H3 | 29“ | 8.400 € | Hersteller-Website

Den meisten dürfte die Marke Hope eher als Edelschmiede für Komponenten bekannt sein, beispielsweise für Naben, Bremsen oder Kurbeln – besonders für solche aus gefrästem Alu und in den wildesten Eloxalfarben. Doch Hope baut seit einigen Jahren auch eigene Carbon-Bikes, die direkt in ihrer Fabrik in Barnoldswick aus UK mit viel Handarbeit hergestellt werden. Auch hier lässt Hope seine Fräserfahrung einfließen und fräst die dafür benötigten Moulds selbst. Das Hope HB916 löst das bisherige HB160 als Enduro-Bike der Briten ab. Damit verabschiedet sich Hope auch von seinem bisherigen Hinterbausystem und setzt auf einen voll im Trend liegenden High-Pivot-Hinterbau. Hier ist die Kettenstrebe weit über dem Tretlager mit dem Hauptrahmen verbunden, was für einen hohen Drehpunkt sorgt. Das ermöglicht es dem Hinterrad, Schlägen nach hinten oben auszuweichen statt nur nach oben. Insgesamt soll sich so ein noch geschmeidigeres Fahrgefühl ergeben. Dabei längt sich allerdings der Abstand zwischen Tretlager und Hinterradachse und die Kette zieht an den Pedalen. Um den daraus resultierenden Pedalrückschlag auszugleichen, wird eine Kettenumlenkrolle benötigt.

Hier passiert die High-Pivot-Magie: Der Drehpunkt liegt weit über dem Tretlager.

Hope verpasst dem HB916 170 mm Federweg an der Front und 160 mm am Heck und lässt euch mit einem Flip-Chip die Wahl, ob ihr das Bike als 29er oder Mullet, also 29” vorn und 27,5” hinten, fahren wollt. Falls ihr in den Genuss des britischen Edelschlittens kommen wollt, müsst ihr 8.400 € über den Ärmelkanal überweisen.

Das Hope HB916 2022 im Detail

Bei genauerem Hinsehen fällt dem aufmerksamen Betrachter auf, dass der Rahmen nicht komplett aus Carbon ist. An den Ketten- und Sitzstreben sind die Carbonstreben zum Hauptrahmen hin an ihren Enden mit Alu-Frästeilen verbunden. Dadurch sitzen die Lager an den Streben in Alu-Fassungen, was laut Hope zu mehr Langlebigkeit am Rahmen sowie den Lagern führen soll. Der Hauptrahmen dagegen besteht komplett aus Carbon. Hope hat unserem Test-Bike keine auffällige Lackierung verpasst, sondern belässt es bei schickem Sichtcarbon mit sehr dezenten Details. Fans von knalligen Lackierungen werden mit dem Rahmen in der auffälligen Farbe Chamäleon mehr als glücklich werden – vom fälligen 600 € Aufpreis mal abgesehen.

Carbon oder Alu: Warum sich für eins entscheiden, wenn man auch beides haben kann?

Die Kettenumlenkrolle ist mit einer Konstruktion aus – Achtung, Überraschung – gefrästem Alu an der Schwinge befestigt. Im Unterrohr des HB916 hat Hope ein Staufach integriert. Das ist hochwertig umgesetzt: Deckel und Hebel sind beide aus gefrästem Alu, und damit eure sieben Sachen auch bei britischen Liquid Sunshine trocken bleiben, ist eine Dichtung integriert. Allerdings hat das Fach keinen Boden. Deswegen sollte man hier keine Kleinteile oder Ähnliches lose verstauen, sondern alles in die mitgelieferte Tasche packen. Die Züge werden im Rahmen geführt und laufen relativ weit hinter dem Steuerrohr durch Kabelports in den Rahmen. Hope schützt das Unterrohr mit einem großen, aber dünnen Unterrohrschutz gegen Steine und Aufsetzer. Der gewellte Kettenstrebenschutz fällt eher kurz aus, sorgt aber trotzdem zuverlässig für Ruhe.

Die Konstruktion für die Kettenumlenkung ist – wie könnte es bei Hope anders sein – aus gefrästem Alu.
Das Staufach ist hochwertig umgesetzt und abgedichtet – top!

Die Ausstattung des Hope HB916 2022

Hope bietet das HB916 2022 in zwei Ausstattungsvarianten an, die sich allerdings nur beim Antrieb unterscheiden, der Rest ist identisch. Die von uns getestete Ausstattung setzt auf eine SRAM GX-Schaltung und kostet 8.400 €, während bei der Variante für 8.700 € eine mechanische SRAM X01-Schaltung verbaut ist. Mit 15,6 kg in Größe H3 ist unser Test-Bike kein Fliegengewicht, aber für ein Enduro auch nicht pummelig.

Hope HB916

8.400 €

Specifications

Fork Öhlins RXF 38 M.2 170 mm
Rear Shock Öhlins TTX Air 160 mm
Seatpost OneUp Dropper Post V2 210 mm
Brakes Hope Tech4 V4 200/200 mm
Drivetrain SRAM GX Eagle 1x12
Stem Hope Gravity 35 mm
Handlebar Hope Carbon 800 mm
Wheelset Hope Fortus 30SC/ Hope PRO4 29"
Tires MAXXIS ASSEGAI MaxxTerra EXO+/MAXXIS MINION DHR II MaxxTerra EXO+ 2,4"

Technical Data

Size H1 H2 H3 H4
Weight 15,6 kg

Specific Features

Staufach
Flip Chip

Was an unserem Aufbau direkt auffällt? Hope-Teile, wohin das Auge blickt! Die Briten haben es sich natürlich nicht nehmen lassen, das HB916 mit möglichst vielen eigenen Teilen aufzubauen. Typisch Hope hat man an fast allen hauseigenen Parts die Wahl zwischen einer ganzen Reihe verschiedener Eloxalfarben – ein Traum für Individualisten! Besonders stechen beim HB916 die schicken Hope Tech 4 V4-Bremsen ins Auge. Hier lassen sich am Hebel Druckpunkt und Hebelweite werkzeuglos verstellen, die hochwertigen kleinen Alu-Verstellrädchen treiben Alu-Fans die Freudentränen in die Augen. Allerdings sind die Hebel sehr lang, was dafür sorgt, dass der Schalthebel – der mit dem Bremshebel sauber verbunden ist – sehr weit Richtung Lenkermitte wandert. Auf dem Trail ist die Bremse super dosierbar und hat viel Power, könnte aber etwas mehr Biss vertragen. Vorne wie hinten verbaut Hope ihre eigenen 200-mm-Bremsscheiben, was Fans von langen Abfahrten freuen dürfte.

Objekt der Begierde für alle Alu-Fans: die Hope Tech 4 V4-Bremse.

Am Cockpit kombiniert Hope den hauseigenen 800 mm breiten Carbon-Lenker mit dem 40 mm langen Hope Gravity-Vorbau. Der Lenker hat viele Markierungen, die dabei helfen, ihn einerseits präzise kürzen zu können und andererseits die Hebel am Cockpit genau auszurichten – praktisch! Am Vorbau hat man – wie am ebenfalls hauseigenen Vorbau – jede Menge Farben zur Auswahl. Mit den Laufrädern neigt sich das Hope-Portfolio dann allmählich dem Ende zu: Hier werden Hope Fortus 30 SC-Felgen aus Alu auf die legendären Hope PRO4-Naben gespeicht.

Carbon trifft Alu, die Zweite: Am Cockpit kombiniert Hope einen Carbon-Lenker mit einem Alu-Vorbau.

Beim Fahrwerk vertraut Hope für unser Test-Bike ganz auf Öhlins. An der Front kommt die RXF 38 m.2-Gabel mit 38 mm Standrohren und 170 mm Federweg zum Einsatz. Die Gabel hat nicht nur eine, sondern zwei Luftkammern: die Hauptkammer und die Ramp-Up-Kammer. Über den Druck in der Hauptkammer kann wie üblich die Federhärte angepasst werden, während über den Druck in der Ramp-Up-Kammer die Progression der Gabel angepasst wird. Dadurch verzichtet die Gabel auf Volumenspacer und ermöglicht die stufenlose Progressionsanpassung. Ist der Luftdruck angepasst, lassen sich noch High- und Lowspeed-Druckstufe sowie Lowspeed-Rebound einstellen. Am Heck setzte Hope auf einen Öhlins TTX Air-Dämpfer, um die 160 mm Federweg im Griff zu behalten. Hier lassen sich ebenso wie an der Gabel High- und Lowspeed-Druckstufe und Lowspeed-Rebound einstellen. Wer vom TTX-Air Dämpfer nicht überzeugt ist, hat noch die Wahl zwischen dem Öhlins TTX22M Coil-Dämpfer, einem FOX DHX2-Stahlfederdämpfer oder einem FOX FLOAT X2-Luftdämpfer. Hier hat man freie Auswahl und keiner der Dämpfer ist mit einem Aufpreis verbunden. Zur Vereinfachung des Dämpfer-Setups hat Hope am Rocker-Link mit drei Strichen einen recht einfachen SAG-Indikator umgesetzt: Einfach aufs Bike steigen, und durch die Bewegungen des Rocker-Links mit einem aufgedruckten 30 % SAG-Punkt und einem Strich an der Lagerabdeckung sieht man, ob der SAG passt.

Nichts für Entscheidungsschwache: Am Dämpfer lässt euch Hope die Wahl zwischen 4 Optionen. Am Rocker-Link seht ihr den einfachen SAG-Indikator.

Die verbaute OneUp Dropper Post V2 mit 210 mm Hub sorgt bergauf auch als Langbeiner für eine gute Sitzposition und bergab für Bewegungsfreiheit. Fahrer mit kurzen Beinen können die Stütze komplett im Rahmen versenken. Bei den Reifen setzt Hope auf eine Kombination aus MAXXIS ASSEGAI in 2,5” Breite an der Front und MAXXIS Minion DHR II in 2,4” am Heck. Leider sind beide Reifen nur in der dünnen EXO+ Karkasse verbaut. Wir würden hier die dickere Doubledown-Karkasse bevorzugen, die eher zum groben Einsatzbereich passt. Vorne wie hinten kommt die harte MaxxTerra-Gummimischung zum Einsatz. Besonders an der Front würde die weichere MaxxGrip-Mischung für mehr Traktion Sinn machen.

Wir hätten uns am Vorderrad vor allem einen weicheren Reifen gewünscht, der mehr Grip liefert.

Die Geometrie des Hope HB916 2022

Das Hope HB916 ist in den Größen H1 bis H4 erhältlich, wobei H1 die kleinste und H4 die größte Variante ist. Der Reach wächst in 20-mm-Schritten von 450 mm in H1 bis zu 510 mm in H4 an. Durch das Drehen der oberen Lagerschale am Steuersatz lässt sich der Lenkwinkel von 64° auf 63,3° abflachen. Über alle Größen hinweg sind die Kettenstreben 440 mm lang und wachsen nicht mit. Das Sattelrohr hat in Größe H3 440 mm und in H4 470 mm. Für unseren Geschmack ist das etwas lang und dürfte für mehr Bewegungsfreiheit auf dem Trail gern etwas kürzer ausfallen. Über den Flip-Chip an den Sitzstreben habt ihr noch die Möglichkeit, entweder ein 29”- oder 27,5”-Hinterrad zu verbauen, wodurch sich auch der Radstand etwas verkürzt.

Die Geometrie des Hope HB916 2022 im Standard Setting

Grösse H1 H2 H3 H4
Sattelrohr 395 mm 410 mm 440 mm 470 mm
Oberrohr 583 mm 606 mm 631 mm 655 mm
Steuerrohr 100 mm 110 mm 120 mm 130 mm
Lenkwinkel 64° 64° 64° 64°
Sitzwinkel 78° 77.9° 77.7° 77.5°
Kettenstreben 440 mm 440 mm 440 mm 440 mm
BB Drop 30 mm 30 mm 30 mm 30 mm
Radstand 1230 mm 1254 mm 1278 mm 1303 mm
Reach 450 mm 470 mm 490 mm 510 mm
Stack 628 mm 637 mm 646 mm 655 mm
Helm POC Kortal | Brille DELAYON Line Tracer | Hose DHARCO Gravity Pants | Schuhe Fizik Gravita Versor | Socken Full Send Send Socks 2.0

Unser erster Fahreindruck des Hope HB916 2022

Schwingt man sich auf das Hope HB916 und macht sich auf in Richtung Trails, bringt einen das Bike direkt in eine zentrale Sitzposition. Man sitzt angenehm integriert im Bike und kommt effizient vorwärts. Dabei wippt es kaum und man kann gut und gern darauf verzichten, den Dämpfer zu sperren. An steilen Rampen fällt es durch den recht steilen Sitzwinkel und die aufrechte Sitzposition leicht, den Druck auf das Vorderrad aufrecht zu erhalten, und so steigt die Front nicht ungewollt und ermöglicht es euch, stets die Spur zu halten.

Auf dem Trail liefert das HB916 eine gute Balance aus Laufruhe und Agilität. Statt nur geradeaus fahren zu wollen, wechselt es willig die Richtung. Das macht es ziemlich spaßig, das Bike von einer Kurve in die nächste zu werfen und auch mal das Hinterrad in Kurven von der Leine zu lassen. Im Vergleich zu anderen High-Pivot-Bikes – wie beispielsweise dem Norco Range – fällt die Längung des Hope HB916 moderat aus, dadurch liefert es ein konstanteres Fahrgefühl. Das Fahrwerk liegt auf der straffen Seite und liefert einiges an Gegenhalt und Pop. Dadurch lädt es den Fahrer dazu ein, an jeder kleinen Welle abzuziehen und das Bike in die Luft zu befördern. Auch in Kompressionen oder beim Pushen von Wellen bietet es genug Gegenhalt und rauscht nicht durch den Federweg, wodurch man hier richtig Speed generieren kann. Gerade in flachen Kurven benötigt das Hope aber viel Druck auf der Front, um nicht ins Rutschen zu kommen. Hier würde das Reifen-Upgrade Sinn machen, das mit der weicheren Mischung mehr Grip liefern würde und mit einer stabilen Karkasse einen geringeren Luftdruck möglich macht. Positiv hervorzuheben ist noch, dass das HB916 ein sehr leises Bike ist – ganz zur Freude eurer Ohren und der eurer Mitfahrer.

Unser Fazit zum Hope HB916 2022

Das Hope HB916 2022 ist ein Bike für Individualisten und Liebhaber und ein absoluter Hingucker auf den Trails. Bei der Ausstattung habt ihr ein hohes Maß an Individualisierbarkeit und, bis auf die Reifenwahl, ein sehr stimmiges Gesamtpaket. Auf dem Trail möchte das HB916 aktiv gefahren werden und zaubert dem Fahrer mit seiner Agilität und Verspieltheit ein dickes Grinsen ins Gesicht. Zudem verleitet das straffe Fahrwerk dazu, an Kanten abzuziehen und durch Pushen auf dem Trail immer mehr Speed zu generieren.

Tops

  • agiles Fahrverhalten
  • hoher Wiedererkennungswert
  • exotisches Gesamtpaket
  • gute Allround-Eigenschaften

Flops

  • Die Reifenwahl wird dem Potenzial des Bikes nicht gerecht

Weitere Infos über das HB916 findet ihr auf der Website von Hope.


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Text: Felix Rauch Fotos: Peter Walker, Mike Hunger