15.000 € für ein Mountainbike? Bei einigen Bike-Herstellern ist das mittlerweile die Norm statt die Ausnahme! Bikes werden immer teurer und das hat auch gravierende Auswirkungen für das Einstiegs- und mittlere Preissegment. Wird Biken zum neuen Golf für die Champagner-Elite oder haben die Hersteller auch noch die Normalverdiener im Blick?

Wenn ihr nicht gerade Elon Musk oder Bill Gates heißt und es euch nicht egal ist, ob eine Milliarde mehr oder weniger auf eurem Konto liegt, dürfte euch sicher bereits aufgefallen sein, dass Bikes in den letzten Jahren immer teurer geworden sind. Bevor jetzt die ersten von euch mit dem erhobenen Zeigefinger wedeln und uns die Marktgesetze zu Angebot und Nachfrage um die Ohren hauen wollen: Ganz ruhig, dazu kommen wir noch. Biken ist bereits von Haus aus durch die finanziell hohe Einstiegshürde eine recht elitäre Angelegenheit. Wird der Sport durch immer weitere Preiserhöhungen nun aber endgültig zum exklusiven Zeitvertreib für gutverdienende Ingenieure, ITler und Rich Kids? Verliert die Bike-Industrie die Leute aus den Augen, die den Sport wirklich ausmachen, oder sind die Preissteigerungen gar eine notwendige Reaktion auf die Ansprüche und Bedürfnisse der sich weiterentwickelnden Bike-Szene? Wir haben uns für euch auf die Suche nach den Gründen für die steigenden Preise gemacht, bei verschiedensten Herstellern nachgehakt und für euch herausgefunden, ob es auch in der Zukunft noch für uns Normalos bezahlbare Bikes geben wird.

Warum die Bike-Preise durch die Decke gehen

Inflation und Teuerung sind zwei Begriffe, die seit ein paar Monaten unangenehm allgegenwärtig sind. Doch während die Preise für beispielsweise Nahrungsmittel und Energie erst in den letzten Monaten so richtig angezogen haben, ist auf dem Bike-Markt schon länger ein Trend zur Preissteigerung zu beobachten. Und dafür gibt es die unterschiedlichsten Gründe. Angefangen damit, dass Bikes einfach immer besser werden. In den letzten Jahren jagt eine neue technologische Entwicklung die nächste: von der Entwicklung und Etablierung der ersten hydraulischen Sattelstützen vor einigen Jahren bis zum top aktuellen elektronischen Flight Attendant-Fahrwerk. Alles Entwicklungen und Innovationen, die Bikes besser machen sollen, aber definitiv auch komplexer und teurer! Und mal ehrlich: Wer würde heute noch auf seine verstellbare Sattelstütze verzichten wollen? Wer auf matt-glänzendes Carbon beim futuristisch integrierten Carbon-Rahmen? Mit E-Bikes und weiteren elektronischen Anbauteilen werden kostentreibende Digitalisierungsschritte und Connectivity-Lösungen nötig und damit auch ganze Software-Entwicklungsteams, die sich allein damit beschäftigen. Besonders E-Bikes sind komplexer und wartungsintensiver, was sich ebenfalls in den Preisen niederschlägt.

Und damit kommen wir zu einem weiteren, nicht ganz unwichtigen Punkt: Die Bike-Branche konkurriert immer mehr mit anderen Branchen um Entwickler und Ingenieure. Lange Zeit – und in manchen Firmen trifft es auch heute noch zu – war in der Bike-Branche nicht viel zu verdienen, aber das ändert sich gerade. Bike-Firmen, die eigene Antriebs- oder Akkukonzepte für E-Bikes entwickeln, konkurrieren mit großen Konzernen aus der Automobilbranche um Mitarbeiter. Firmen, die eigene Connectivity-Lösungen rund um ihre Bikes anbieten wollen, brauchen Entwickler, die auch bei großen Tech-Unternehmen arbeiten könnten. Egal ob Bike-Firmen im Silicon Valley oder rund um Stuttgart – Konzerne wie Rivian, Tesla, Apple, Porsche, Bosch oder Mercedes sind hungrig nach Ingenieuren und ITlern und werben teils aktiv und aggressiv mit großen Paychecks Personal von den Bike-Firmen ab. Spricht man mit Personen, die diesen Wechsel vollzogen haben, wurde ihr Leben selten erfüllender – doch die Verlockung der schnellen Lohnsteigerung war eben zu verlockend. Dieses kompetitive Lohnumfeld bedarf entsprechender Margen, um als Bike-Firma seine Entwicklungskompetenz bzw. den Personalstamm zu halten, und hat direkt oder indirekt Auswirkungen auf die Verkaufspreise.

Viele Firmen aus der Bike-Branche haben in den letzten Jahren auch zunehmend in Service und Kundenfreundlichkeit investiert. Besonders die Versenderfirmen arbeiten daran, ein immer kompletteres Kauferlebnis zu schaffen. Große Concept-Stores, Testflotten und Teams, die sich um Customer Support kümmern, müssen aber auch bezahlt werden. Ewige Telefonwarteschlangen und schleppende Garantieabwicklungen gehören damit hoffentlich bald der Vergangenheit an. Eine Investition, die sich auszahlt!

Wenn Innovation und Konkurrenz um Ingenieure die Flamme unter dem Hintern der Preisentwicklung sind, dann war die Corona-Pandemie der Benzinkanister im Lagerfeuer! Fast jeder dürfte mitbekommen haben, dass Fahrräder in den letzten 2 Jahren teilweise schwerer zu bekommen waren als eine Familienpackung Klopapier. Durch die Nachfrage nach Bikes, die plötzlich durch die Decke gegangen ist, und das begrenzte Angebot sind die Preise ordentlich nach oben gegangen. Wartezeiten für ein Bike von mehr als einem Jahr und mehrere Preiserhöhungen innerhalb dieser Wartezeit waren keine Seltenheit. Geschlossene Fabriken, fehlende Arbeiter, Konkurrenz durch andere Hersteller um die knapp gewordenen Komponenten sowie begrenzte Produktionsslots. All das sind Gründe dafür, dass nicht annähernd genug Bikes produziert werden konnten, um die Nachfrage zu decken.Dazu kamen Frachtkosten, die auf dem Höhepunkt der Krise etwa 20-mal so hoch waren wie vor der Corona-Pandemie und sich weit über dem Vor-Corona-Niveau eingependelt haben. Ganz zu schweigen von den stark gestiegenen Rohstoffpreisen. All das summiert sich ordentlich und wurde von den Herstellern auf die Preise aufgeschlagen. Besonders kleinere Hersteller haben die Entwicklungen noch stärker getroffen als die großen Hersteller.

Wieso sind manche Bike-Marken so teuer und andere nicht?

Mountainbikes gibt es in den verschiedensten Klassen und Preisen, vom 1.500-€-Hardtail bis zum 15.000-€-Light-E-MTB. Und auch zwischen den Herstellern gibt es starke Unterschiede in der Preisgestaltung. Wie schafft es beispielsweise CUBE, Bikes mit derselben Ausstattung deutlich billiger anzubieten als beispielsweise Santa Cruz? Und womit rechtfertigen hochpreisige Bike-Marken ihre Preise?

Der Bike-Markt hat sich in den letzten 10 Jahren enorm verändert. Früher haben klassische Marken wie Trek, Specialized oder GIANT den Markt beherrscht und euch über ihre Händler mit Bikes versorgt. Heute sieht der Bike-Markt etwas anders aus: Direktversender wie YT Industries, Canyon, COMMENCAL, ROSE oder Propain haben den Markt ordentlich aufgemischt und eine neue Art etabliert, Fahrräder zu deutlich günstigeren Preisen zu verkaufen. Kernpunkt der neuen Philosophie ist der Verzicht auf Händler. Die Bikes werden direkt bei den Firmen bestellt und zu euch nach Hause geliefert, dort müsst ihr die Räder aber selbst aufbauen. Damit umgehen die Versender die Marge für den Händler und können die Ersparnis an euch weitergeben. Dafür muss man bei einigen Versendern auf einen direkten Ansprechpartner vor Ort verzichten. Hier kann es auch schon mal vorkommen, dass ihr monatelang warten müsst, um einen Garantiefall abgewickelt zu bekommen, oder dass ihr ewig Zeit am Telefon in verschiedenen Warteschleifen verbringt, bis ihr Infos zu eurem Bike bekommt. Aber auch an anderen Stellen sparen die Firmen und bauen die Bikes teilweise nicht mehr selbst auf, sondern beauftragen billigere Fremdfirmen damit. Der Performance tut das aber alles keinen Abbruch und die Versender-Bikes brauchen sich definitiv nicht vor anderen Bikes verstecken!

Große und exklusive Marken wie Specialized oder Trek gehen einen anderen Weg und setzen weiterhin auf Händler, die für direkten und guten Service sorgen sollen. Auch wenn sich dieses Modell langsam aufweicht und von vielen Herstellern durch Omni-Channel ersetzt wird. Dabei setzen die Hersteller nicht mehr exklusiv auf Händler vor Ort, sondern bieten auch die Möglichkeit, Bikes direkt online zu bestellen und nach Hause oder in den nächsten Bikeshop liefern zu lassen.

Specialized und Trek haben sich als die Speerspitze der Innovationskraft etabliert und liefern einiges an technischen Neuentwicklungen ab. Das muss aber auch bezahlt werden: Mit dem Kenevo SL von Specialized und dem Fuel EX von Trek haben beide Marken ein Bike für je 15.000 € im Portfolio. Andere kleinere Firmen im Premiumbereich nutzen besondere neue Fertigungsmethoden oder produzieren nur sehr kleine Stückzahlen und setzen damit auf Exklusivität und Exotik. UNNO hat zum Beispiel handgefertigte Carbon-Rahmen in kleiner Stückzahl in Barcelona gefertigt. Auch wenn die Fertigung mittlerweile nach Fernost gewandert ist und damit auch die Preise gesunken sind, produziert UNNO immer noch sehr exklusive Räder für eine eher kleine Zielgruppe in kleiner Stückzahl. Ein anderes Beispiel für besondere Fertigung in limitierter Stückzahl ist die Firma Atherton Bikes. Die kleine Schmiede aus Wales, gegründet von den Atherton-Geschwistern, hat ein in der Bike-Industrie aktuell einzigartiges Fertigungsverfahren entwickelt, bei dem Carbonrohre mit Titanmuffen verbunden werden. Das ermöglicht viele verschiedene Größen und auch Custom-Geometrien. Das Ganze, handgefertigt in Wales, hat natürlich seinen Preis … Neben der exklusiven Fertigung und Innovationskraft schreiben sich viele höherpreisige Hersteller auch eine höhere Qualität und Haltbarkeit auf die Fahne.

Falls ihr euch jetzt denkt: Alles schön und gut, aber wie kann es sein, dass ich für den Preis eines gut ausgestatteten Bikes ein Highend-Motorrad oder einen Kleinwagen bekomme? Auch wir haben uns die Frage gestellt: Der Grund dafür liegt unter anderem in der sehr niedrigen Fertigungstiefe in der Bike-Branche. Während an Motorrädern vom Speichennippel bis zum Sitzbezug fast alles aus dem eigenen Haus bzw. der eigenen Produktion kommt, ist bei Fahrrädern das genaue Gegenteil der Fall. Die meisten Bike-Marken entwickeln eigene Rahmen, haben aber keine eigenen Fabriken, sondern lagern die Fertigung an Hersteller in Fernost aus, häufig in Taiwan, Vietnam, China oder Indonesien. Die Anbauteile für die Bikes werden dann fast alle von externen Zulieferern zugekauft. Weil die Zulieferer natürlich auch ihr Stück vom Kuchen abhaben wollen und Geld verdienen müssen, ist in jedem Anbauteil eine Marge enthalten. Durch die Knappheit an Komponenten in den letzten zwei Jahren haben Zulieferer zudem eine stärkere Verhandlungsposition erhalten und entsprechend sind auch dort nicht nur die Preise, sondern auch die Margen gestiegen – zusätzlich zu den üblichen Teuerungen für Rohstoffe, Energie, Logistik, Personal und Produktion. Für ein komplettes Bike summiert sich das deutlich. Durch Ausstattungsvarianten mit unterschiedlichen Teilen und dem Mix aus verschiedenen Baugruppen wird das Problem noch verschärft. Die Individualität in der Bike-Branche wird so zum Preistreiber! Einige Bike-Firmen haben das Potenzial eigener Komponentenmarken bereits erkannt und versuchen bereits, so viele Teile wie möglich aus dem eigenen Haus anzubieten. Das hat übrigens oftmals nicht nur monetäre Gründe, sondern einige Hersteller nutzen die eigenen Komponenten für Individuallösungen für eine bessere Performance, Usability oder Nutzererlebnis.

Für wen überhaupt baut die Fahrradindustrie Fahrräder?

Von den Veröffentlichungen in den Bike-Medien, Werbungen und dem Bling-Bling-Schaulaufen in den Liftschlangen könnte man den Eindruck bekommen, dass Hersteller nur absolute Highend-Bikes für absolute Profis bauen. Dabei vergisst man aber gern, dass die Highend-Versionen nur die Leuchttürme und Innovationsträger der Marken sind und der breiten Masse Lust auf mehr machen sollen. Für manche Marken gehören teure und edle Bikes aber auch zur Markenidentität und sind wichtiger Faktor in der Positionierung als „aspirational Brand“. Ähnliche Beispiele gibt es auch in anderen Branchen: aus der Automobilwelt zum Beispiel die Neuausrichtung der Marke Mercedes, die in Zukunft nur noch exklusive Premium-Modelle verkaufen möchte, um sich wieder stärker als Premiummarke zu profilieren. Mit dem Verkauf der Rennradmarke Pinarello an den Konzern LVHM (Moët Hennessy – Louis Vuitton) ist auch im Bikesport endgültig die Luxuswelt eingezogen. Während wir noch auf das erste Rennrad im Louis Vuitton-Design warten und auch in den meisten Trinkflaschen noch kein Moët zu finden ist, lässt sich aber nicht übersehen, dass Teile der Bike-Branche einen immer größeren Hang zur Exklusivität und Hochpreisigkeit entwickeln.

Doch nicht nur eine wachsende Zielgruppe für sündhaft teure Luxus-Bikes verändert die Fahrradindustrie. Auch neue und nötige Einflüsse wie beispielsweise eine wachsende Nachfrage nach Nachhaltigkeit und Langlebigkeit fördert und erfordert neue Konzepte. So sind mit RAAW oder auch Privateer Bikes neue Marken entstanden, die einen sehr starken Fokus auf Langlebigkeit ihrer Produkte legen und dafür auf unnötigen Schnickschnack verzichten. Die Zielgruppe der Conscious Consumer, die Produkte mit gutem Gewissen kaufen möchte, wird auch in Zukunft weiteren Zulauf finden. Ein Trend, auf den auch die Bike-Branche reagieren muss.

Falls ihr aber nicht wisst, wie Moët schmeckt, und falls euch egal ist, ob eure Sattelstütze elektrisch funktioniert und die Erwähnung des aktuellen IPCC-Berichts bei euch keine Schockstarre auslöst, gehört ihr wahrscheinlich in die Gruppe der Core-Szene. Als Teil der Core-Szene wollt ihr Bikes, die ordentliche Performance abliefern, auf unnötige Gadgets könnt ihr gut verzichten und das ganze bitte zu einem vernünftigen Preis. Damit dürfte diese Gruppe einen Großteil der Biker repräsentieren, auch wenn man die Gruppe natürlich noch in unendlich viele Untergruppen unterteilen könnte. Als Teil der Core-Szene kann man sich in den letzten Jahren immer mehr die Frage stellen, ob die Bike-Industrie nicht an diesem Teil der Bike-Szene vorbei baut und den falschen Schwerpunkt setzt. Denn was einem Großteil dieser Gruppe am meisten nützen würde, sind Bikes mit hochwertigem Fahrwerk, guten Bremsen, günstigerem Antrieb und haltbaren Restteilen zu einem moderaten Preis. Denn welcher Normalsterbliche braucht schon ein teures Superduper-Schaltwerk, wenn es realistisch betrachtet nach einer Saison sowieso in alle Richtungen verbogen ist. Oder ein tolles sexy Cockpit, wenn auch Teile von Eigenmarken abliefern. Auch wenn man natürlich nicht leugnen kann, dass der neueste heiße Scheiß uns Biker anzieht wie das Licht die Motten, und dass die Liftschlangen immer auch ein kleiner Laufsteg sein werden. Viel wichtiger als Bling-Bling ist aber ein gutes Fahrwerk, das maßgeblich zur Performance des Bikes beiträgt, oder gute Bremsen, die zum Nachrüsten teuer sind. Wer sich nach einem solchen Gesamtpaket umsieht, wird, mit Ausnahme einiger weniger Hersteller, leider nicht die größte Auswahl antreffen.

Sind Bike-Firmen der Szene/dem Sport verpflichtet?

Die meisten Bike-Firmen sind aus der Szene herausgewachsen. Durch die Menschen, die unseren Sport ausmachen, wurden sie groß und zu den Konzernen, die sie heute sind. Aus kleinen Garagenfirmen, die aus Leidenschaft Bikes gebaut haben, sind multinationale Konzerne mit Ex-Amazon-Managern an der Spitze geworden. Findet hier der große Ausverkauf der Szene statt oder eine notwendige Professionalisierung, weil viele der Firmen schlicht zu groß für ihre Gründer geworden sind? Viele Firmen versuchen, über die Unterstützung von Trailbauprojekten, Events oder lokalen Vereinen und Teams sichtbar zu bleiben und sich zu engagieren. Diese Engagements tragen definitiv dazu bei, dass die Szene lebendig bleibt und auch der Nachwuchs gefördert werden kann, egal ob Kinder und Jugendliche oder ältere Quereinsteiger.

Im krassen Kontrast dazu steht, dass Firmen wegen der begrenzten Produktionskapazitäten während der Corona-Pandemie die Produktion von Kinder-Bikes ausgesetzt haben, um lieber Highend-Bikes für Erwachsene zu produzieren, mit denen sich größere Margen erzielen lassen. Auch die starken, teils jährlich mehrfachen Preiserhöhungen von einigen Herstellern für Bikes mit günstigeren Ausstattungen sind ein Tiefschlag für die Bike-Szene. So wird der bereits jetzt schon elitäre Charakter des Bikesports nur noch weiter gefestigt und vielen Menschen, die Lust auf Biken haben, wird der Einstieg immer schwerer gemacht. Menschen aus eher weniger privilegierten Gesellschaftsschichten werden mehr oder weniger von diesem Sport ausgeschlossen. Während auch wir uns im Klaren darüber sind, dass Bike-Firmen keine Sozialämter sind und auch nie welche werden, würden wir uns doch wünschen, dass leichte Zugänglichkeit und soziale Vielfalt im Bikesport weiter in den Fokus der Bike-Firmen rücken. Durch den Bikeboom erleben wir, dass neue Radfahrer mit verschiedenen Backgrounds die Szene erweitern und bereichern. Dabei ist es wichtig, dass die neuen Biker aufgenommen, akzeptiert und nicht abfällig von oben herab betrachtet werden. Denn nur weil man einen Sport schon gefühlt immer macht, heißt das noch lange nicht, dass man die Regeln für andere diktieren kann oder mehr Recht auf die Ausübung eines Hobbys hat als ein Neueinsteiger. Hinzu kommt: Mit mehr Vielfalt innerhalb der Bike-Szene kommt es zu neuen Impulsen und mehr Austausch, wovon wir alle profitieren!

Sind Bikes zu teuer geworden?

Um zu beantworten, ob Bikes mittlerweile zu teuer sind, müsste man sich erst mal die Frage beantworten, ab wann ein Bike zu teuer ist. Die Antwort auf diese Frage würde bei hundert Befragten wahrscheinlich mindestens 99 Mal unterschiedlich ausfallen. Nüchtern und marktwirtschaftlich betrachtet könnte man wohl sagen, ein Produkt ist zu teuer, wenn es niemand mehr kauft. Da nüchtern aber langweilig ist und wir keine Marktwirte sind, betrachten wir das Thema aus einem etwas anderen Blickwinkel. Besonders in den Bikeshops fällt es den Verkäufern zunehmend schwer, die Preise für Bikes zu rechtfertigen. Denn es braucht schon einiges an Fantasie und Redekunst, um zu rechtfertigen, dass ein und dasselbe Bike, das bereits im Laden steht, vom einen auf den anderen Tag teurer geworden ist, ohne dass sich die Ausstattung, die Geometrie oder das Aussehen geändert hätten. Wenn das im Jahr dann auch nicht nur einmal, sondern mehrmals passiert, kommt man als Verkäufer und als Kunde definitiv ins Grübeln, was da eigentlich schiefläuft.

Ein weiteres erstes Anzeichen dafür, dass Bikes zu teuer geworden sind, ist, dass erste Firmen mitten in der Saison die Preise für einige Modelle gesenkt haben. Trotzdem bleibt es eine sehr persönliche Einstellung und Meinung, vor allem, weil der Preis eines Bikes nicht unbedingt auch seinen Wert widerspiegelt. Der Wert, den ein Bike für euch hat, kann sich an verschiedensten Faktoren festmachen. Ihr verbindet eine besondere Erinnerung mit einer Marke? Ihr könnt euch mit den Werten identifizieren, für die eine Marke steht? Ihr legt besonderen Wert auf eine bestimmte Geometrie oder wollt ein bestimmtes Rahmenmaterial? Das sind nur ein paar Beispiele dafür, wie jeder einzelne von uns jedes Bike mit einem unterschiedlichen Wert belegt, den ein Preis nie wirklich repräsentieren kann. Mit dem Bike durch die Natur zu ballern ist absoluter Luxus – es tut uns ungemein gut, mental und physisch, aber keiner braucht es tatsächlich. Für viele ist es Identifikation und dazu gehört die richtige Marke und das richtige Produkt. Dass man sich wie bei der Uhr oder dem Auto über den geilsten neuen Scheiß definiert, passiert dabei allzu häufig – und das ist auch nicht verwerflich, schließlich geht von den neuesten Innovationen und Highend-Produkten eine hohe Anziehungskraft aus. Nichtsdestotrotz bleibt wahrscheinlich den meisten von euch bei Preisen rund um 15.000 € die Spucke weg. Und damit ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Die Frage ist nicht, ob ein Hersteller mit einem Bike die 20.000-€-Marke knacken wird, sondern vielmehr wann und welcher Hersteller das sein wird. Und dann reden wir noch einmal darüber, ob Bikes zu teuer geworden sind …

Welchen Preis haben die teuren Bikes?

In Anbetracht der limitierten Produktionskapazitäten der vergangenen Jahre hat die Basis häufig gelitten: Kids-Bikes oder Einsteiger-Bikes um die 500 € wurden teils oder komplett aus den Portfolios der Hersteller gestrichen und so haben bereits heute einige Händler keine solchen Bikes mehr im Angebot. Andere Händler haben aufgrund der allgemeinen Teuerungsraten ihre Preise nach oben hin angepasst. Gerade in diesen preissensiblen Bereichen kann man die Verkaufspreise jedoch nicht allzu stark nachregulieren. Größere Preissteigerungen resultieren hier vielmehr im Verlust gewisser Zielgruppen, weil ab einem gewissen Preispunkt die Kaufbereitschaft wegfällt. Und so haben einige Hersteller über die letzten zwei Jahre ihre Modellpaletten reduziert, statt sich zu überlegen, wie man bezahlbare Einstiegs-Bikes in den Handel bekommt. Noch stirbt hiermit der Nachwuchs an angehenden Bikern in der Breite nicht weg, aber wenn keine solchen Bikes zu akzeptablen Preisen mehr verfügbar sind, kann das durchaus zu Schwierigkeiten führen.

Doch nicht nur im Sub-1.000-€-Bereich haben die Preissteigerungen schwerwiegende Folgen. Hinzu kommt das technische Wettrüsten – ganz gleich ob Motoren, Akkukapazitäten, Werkstoffe oder Feature-Reichtum. Bikes werden immer technischer und komplexer. Man kennt es aus dem Automobilbereich: Hatte man früher einfach ein übersichtlich konstruiertes Fahrzeug mit Innen- und Rückspiegeln, dienen heute im futuristischen Stadt-SUV zahlreiche Parksensoren, Einparkhilfen und 360°-Kameras als Basisausstattung, die sich zwangsläufig in einem höheren Verkaufspreis niederschlägt. Bei Bikes ist das nicht anders: Schöne Schweißnähte, auffällige Lackierungen, Storage-Boxen im Unterrohr, innenverlegte Züge, große Batterien und hochwertige Motoren mit zahlreichen Abstimmungsmöglichkeiten – all das hat seinen Preis. Während die damit einhergehenden Aufpreise keine Hemmschwelle bei den Highend-Modellen bedeuten, sorgen sie im mittleren Preissegment für ernsthafte Probleme: Mit vielen Highend-Motoren kann man keine vernünftigen Einstiegsmodelle mehr herstellen. Vor drei Jahren konnte man sich ein Einstiegs-E-MTB für 3.500 € kaufen, heute muss man locker 1.000 € mehr für die gleiche Modellklasse zahlen. Dabei wächst das Budget der Kunden selten mit. Egal ob Bosch Smart System oder Bosch ABS – das sind tolle Technologien, aber für gewisse Preisklassen einfach nicht kompatibel. Klar, es wird immer die Top-Kunden geben, die alle Gimmicks nutzen, aber die Breite, die einfach fahren will, eben nicht. Diese Kunden werden nicht mehr bedient, weil die Bikes auf einmal Features haben, die sie mitkaufen müssen, auch wenn sie diese zwanghaften Add-Ons gar nicht nutzen.

Der Blick in die Glaskugel

Was bringt uns die Zukunft? Günstige Bikes mit traumhaften Ausstattungen? Oder folgt weiterhin eine Preiserhöhung auf die nächste und werden Bikes knappe Luxusgüter? Das bisher deutlich unter den Erwartungen gebliebene Verkaufsjahr 2022 könnte hier bereits zu einem Umdenken in der Bike-Branche beitragen.

Denn die Rabatt-Schlacht im Einstiegs- sowie mittleren Preissegment hat bereits begonnen. Rabatte von 10 % bis 40 % sind immer häufiger zu finden. Der Handel stockt weltweit. In vielen Bikeshops sind entgegen den Erwartungen viele Bikes stehen geblieben und die große Nachfrage scheint fürs Erste wieder abzuebben – vor allem in Anbetracht der steigenden Energiepreise, die dafür sorgt, dass die Leute weniger Kohle in den Taschen haben. Hinzu kommt die verspätete Produktion, die dem Handel viel zu schaffen macht. Im in der Bikebranche sehr optimistischen Handelsjahr 2021 wurden große Bestellungen aufgegeben, zu Preisen, die heute nicht mehr haltbar sind, und in Stückzahlen, die deutlich über dem liegen, was heute verkauft werden kann. Ein Beispiel: Händler XY hat 2021 ein Bike für 3.500 € gekauft, das er jetzt aufgrund diverser Preissteigerungen für 4.500 € abnehmen muss – mit teils veralteten oder billigeren Komponenten. Diese Teuerungsraten sorgen zudem dafür, dass mehr Modelle die Deckelungen von Diensträdern bzw. Job-Leasing-Bikes sprengen. Wie oben bereits erwähnt, sorgen die höheren Preise zudem dafür, dass der Handel Kunden verliert. Hatte der Händler ein Bike in einer gewissen Anzahl noch für je 3.500 € bestellt und dafür potenzielle 10 Kunden gehabt, hat er für das gleiche Bike, das jetzt rund 1.000 € mehr kostet, nur noch 3 Kunden und damit 7 Bikes übrig.

Nach einem für viele Händler enttäuschenden Sommer kommen im Herbst 2022 antizyklisch viele seit Langem bestellte Produkte in großen Mengen. Einige Händler wissen nicht, wo sie die ganzen Waren hinstellen sollen, weil sie gar nicht die Lagerfläche besitzen. Diese großen Mengen an Inventar belasten logischerweise zudem die Liquidität der Händler, die jetzt einen wenig aussichtsreichen Winter mit hohen Energiepreisen vor sich haben. Außer Rabatten und Abverkauf für Liquidität wird hier wenig helfen. Glücklich können sich die Händler schätzen, die Teile der großen Umsätze der letzten zwei Jahre zur Seite legen konnten. Eine starke Kollaboration von Herstellern und Handel mit beispielsweise langen Zahlungszielen ist jetzt besonders wichtig.

Für die Hersteller entspannt sich die Lage zunehmend: In den Fabriken in Fernost werden wieder Produktionsslots frei, auch weil einige Hersteller wegen der gesunkenen Nachfrage ihre Bestellungen verkleinern oder stornieren. Viele Hersteller rechnen damit, dass sich die Verfügbarkeit von Bikes und Komponenten bis 2023/24 normalisieren wird. Damit sollten sich auch die Preise wieder einpendeln und Entspannung am Bike-Markt einkehren.

Auch wenn das sprunghafte Wachstum der Branche mit dem Ende der Pandemie abebbt, erwarten wir doch, dass der stete Zustrom an neuen Bikern nicht aufhört und die Branche konstant weiterwächst. Dieser Zustrom wird sich auch nicht nur auf Biker im bisher klassischen MTB-Sinne beschränken, sondern auch andere Bereiche abdecken. Hier sind E-Mobility und Urban Mobility die Buzzwords der Stunde! Auch sprechen alle Zeichen dafür, dass ein großer Teil der bereits dazugekommenen Neueinsteiger Blut geleckt hat und immer tiefer einsteigt. Die Tendenz bleibt weiterhin klar: Wir erwarten mehr Biker, mehr Vielfalt und mehr Austausch.

Fakt ist, dass sich die Bike-Branche in den letzten Jahren rasant entwickelt hat und die Auswahl an Bikes noch nie so umfangreich war wie heute. Auch war die Auswahl an richtig guten Bikes noch nie so groß wie sie heute ist. Gleichzeitig sind Bikes aber auch teurer als jemals zuvor und die Hürden für den Einstieg in den Sport werden immer größer. Man bekommt das Gefühl, dass sich die Bike-Industrie hier an einer Art Scheideweg befindet. Jede Zeit bringt Veränderungen mit sich und jedes schnelle Wachstum sorgt für Wachstumsschmerzen, Kompromisse und Menschen, die sich links liegen gelassen fühlen. In der Szene und bei Menschen mit geringerer monetärer Ausgabebereitschaft gibt es Unmut über die aktuellen Preisentwicklungen. Die entscheidende Frage ist nun: Schafft die Branche den Spagat, die Bedürfnisse und Ansprüche zwischen neuen Zielgruppen und eingefleischten Bikern zu überbrücken? Die teils notwendigen Teuerungen wie Professionalisierung, Digitalisierung und besserer Service der Hersteller und die teils unausweichlichen Kostensteigerungen für Logistik, Personal, Energie und Rohstoffe kann man nicht wegdiskutieren. Dennoch kann die Branche mit ihrer Modellpolitik oder kürzeren Supply Chains bzw. höherer Fertigungstiefe dafür sorgen, trotz allem attraktive, statt abschreckende Pakete zu schnüren. Die gute Nachricht in dieser Erkenntnis lautet: Die Bike-Branche hat ihre Zukunft in der eigenen Hand und kann mit ihrer Modell- und Produktpolitik der kommenden Jahre die Zielgruppenansprache und Attraktivität für unterschiedliche Preisbereiche steuern. Das Specialized Status ist hier ein gutes Beispiel, das simple Technik mit super Performance von einem Premium-Hersteller kombiniert hat.

Das 20.000-€-Bike wird kommen – die Frage ist nicht ob, sondern wann. Der Reiz von mehr Performance, mehr faszinierender Technologie und Exklusivität steht außer Frage. Und gerade das fordert seinen Preis im Einstiegssegment. Hier ist die Bike-Branche mit ihren Entwicklungsschwerpunkten und Modellpolitik gefragt, den Bikesport erschwinglich und zugänglich zu halten. Neben den edlen Hightech-Raketen braucht es wieder mehr einfache Bikes, die preiswerter, langlebiger und mindestens genauso sexy sind.


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Text & Fotos: Felix Rauch, Robin Schmitt