Bikes werden immer besser, Trails immer schneller und Sprünge immer weiter. Doch besser, schneller, weiter bedeuten auch ein erhöhtes Sturzrisiko. Aber wer trägt schon gerne einen Fullface-Helm auf seinen Hometrails oder der chilligen Single-Trail-Mission? Leichte und konvertierbare Helme werden deshalb immer beliebter und wir haben neun spannende Modelle für euch im Vergleichstest!

Eine hohe Geschwindigkeit an sich hat zwar noch niemanden verletzt, es ist vielmehr das abrupte Abbremsen, das zu Verletzungen führt. Und wir alle haben bereits erfahren, dass man ab und zu schneller auf dem Boden liegt, als einem lieb ist. Doch zum Glück werden nicht nur Mountainbikes immer besser, auch in Sachen Fullface Helm hat sich viel getan. Sie wurden in den letzten Jahren nicht nur sicherer, sondern gleichzeitig leichter und besser belüftet. Viele greifen deshalb auch abseits des Bikeparks inzwischen zum Fullface Helm, und das ist auch gut so! Denn auch wenn man selbst hochtreten muss, gibt es einige Trails, die vom Speed und der Schwierigkeit locker mit Bikepark-Lines mithalten können. Zudem ist es bei vielen Enduro-Rennen verpflichtend, einen Fullface Helm zu tragen und auch bei den Anstiegen gilt meistens Helmpflicht.

Der Fullface Helm-Markt ist nur noch schwer zu überblicken: Ständig kommen neue Modelle in unterschiedlichen Ausführungen heraus mit einer Vielzahl von Sicherheitstechnologien und spannenden Kunstnamen.
Wir haben deshalb neun Fullface Helme für euch getestet, darunter sind drei konvertierbar, das heißt, der Kinnbügel lässt sich entfernen. Die restlichen sechs Helme haben einen fest verbauten Kinnbügel, fünf davon setzen allerdings einen Fokus auf leichtes Gewicht und hohe Belüftung. Der Giro Insurgent wird als Downhill-Helm angeboten und geht als Außenseiter in den Test – dient aber gleichzeitig als Referenz in Sachen Gewicht, Belüftung und Passform.

Worauf kommt es bei einem leichten Fullface Helm an?

Der Schutz steht bei einem Fullface Helm natürlich an erster Stelle. Deshalb beleuchten wir hier auch die verschiedenen Normen und weiteren Sicherheitsbewertungen. Zudem sollte der Helm natürlich gut auf euren Kopf passen. Dadurch verrutscht er zum einen bei einem Sturz weniger, zum anderen zieht man einen gemütlichen Fullface Helm auch öfter auf. Und bekanntlich ist der beste Schutz der, den man auch trägt. Wenn ihr die Möglichkeit habt, lohnt es sich also, ein paar Helme anzuprobieren, um herauszufinden, welcher am besten auf eure Kopfform passt. Wir geben aber hier natürlich auch Tipps, wie welcher Fullface Helm sitzt, denn unterschiedliche Köpfe haben wir bei uns im Office ausreichend ;).

Normen und Prüf-Bewertungen für einen Fullface Helm – Was bedeuten sie?

Um die Sicherheit eines Fullface Helms bewerten zu können, kann man sich sowohl die offiziellen Normen als auch Tests von unabhängigen Prüfinstituten anschauen. Dabei gibt es verschiedene Abläufe und die Tests unterscheiden sich stark in Fallhöhen und maximal erlaubten resultierenden Kräften. Die Details dazu könnt ihr in unserem Sicherheitsbibel-Artikel nachlesen. Die beiden wichtigsten Normen sind die EU-Norm EN 1078 CE und die amerikanische Norm ASTM F1952. Beide testen jedoch nur lineare Krafteinwirkung. Rotationskräfte, die das Risiko für Gehirnerschütterungen erhöhen sollen, werden dabei nicht berücksichtigt. Hier kommen unabhängige Tests wie von Certimoov oder Virginia Tech ins Spiel. Sie haben ein umfangreicheres Testverfahren, das auch Rotationskräfte berücksichtigt und zudem werden die Helme nach Schutzwirkung bewertet – bei Normen gibt es nur bestanden oder eben nicht, eine qualitative Einschätzung fehlt hier. Systeme wie MIPS sollen beim Sturz diese Rotationskräfte ableiten und dem Fullface Helm so eine bessere Schutzwirkung geben. Alle von uns getesteten Helme sind übrigens mit MIPS ausgestattet.

Norm EN 1078 CE – Das Mindestmaß

Um Helme in der EU und einem großen Teil der Welt verkaufen zu dürfen, wird die Norm EN 1078 CE benötigt. Diese gilt für alle Bereiche des Fahrradfahrens, von City über Road bis hin zu Mountainbikes. Allerdings ist diese Norm inzwischen mehr als veraltet und alle Helme im Test übertreffen die vorgegebenen Werte bei Weitem. Dass ein Fullface Helm diese Norm besteht, sagt also noch nicht viel über seine Schutzwirkung aus – zumal nur die Helmschale getestet wird und nicht der Kinnbügel.

NTA 8776 – Die E-Bike-Norm

Die Norm NTA 8776 gilt in den Niederlanden für E-Bikes bis 45 km/h, sogenannte S-Pedelecs. Da sie höhere Anforderungen als die Standard-EU-Norm hat, prüfen manche Hersteller ihren Fullface Helm ebenfalls nach dieser Norm für S-Pedelecs. Ein Test des Kinnbügels gibt es aber auch bei diesem Test nicht.

ASTM 1952-15/2032-15 – Norm für Fullface Helme

Die amerikanische Norm ASTM 1952-15/2032-15 hat ebenfalls höhere Anforderungen als die EU-Norm, doch was viel wichtiger ist, sie ist auch für Fullface Helme aussagekräftig, da sie den Kinnbügel miteinschließt. Bei vielen Enduro-Rennen ist ein Fullface Helm, der nach dieser Norm geprüft wurde, Pflicht. Unserer Meinung nach ist das auch sehr sinnvoll, da dadurch sichergestellt wird, dass der Kinnbügel auch wirklich schützt. In unserem Test haben alle Fullface Helme mit festem Kinnbügel diese Norm erfüllt, bei den konvertierbaren Helmen ist der MET Parachute jedoch der einzige Helm, der das schafft – bei Bell und uvex ist hier also noch Nachholbedarf!

Konvertierbarer Helm vs. fester Kinnbügel: Was sind die Vor- und Nachteile

Ob ein konvertierbarer Helm oder einer mit festem Kinnbügel die bessere Wahl ist, kommt ganz darauf an, wie ihr ihn einsetzen wollt. Ein konvertierbarer Helm ist eine gute Wahl, wenn ihr in den allermeisten Fällen mit Halbschale fahrt, aber doch hin und wieder in den Bikepark geht oder einen harten Enduro-Trail bestreiten möchtet. Für diese gelegentlichen Einsätze reicht er komplett aus und ihr habt einen Helm für alles. Zudem könnt ihr natürlich bei langen Uphills den Kinnbügel entfernen und etwas frische Luft an euer Gesicht lassen. Allerdings macht ihr dann klar Abstriche bei der Passform des Fullface Helms. Hier sitzt ein vollwertiger Fullface Helm einfach besser, verrutscht weniger und vermittelt ein höheres Sicherheitsgefühl, da die Passform hier ausschließlich für ein Tragen mit Kinnbügel ausgelegt ist. Wenn ihr also öfter im Bikepark seid und auch viele roughe Trails bestreitet, fahrt ihr mit der Variante mit festem Kinnbügel besser.

Die Fullface Helme im Test

Unsere neun Fullface Helme im Test teilen sich auf in sechs mit fixem Kinnbügel und drei mit abnehmbaren. Die Preisspanne liegt zwischen 320 € und 390 € und ist damit relativ gering. Somit liegt der Durchschnittspreis der Helme im Test bei 345 €. Durchschnittlich wiegt der Fullface Helm im Test 834 g. Wenig überraschend dürfte sein, dass der Giro Insurgent Spherical mit 1.156 g der schwerste Helm im Test ist, da dieser als Downhill-Helm angeboten wird. Auf der anderen Seite der Waage ist der uvex revolt MIPS mit gerade einmal 687 g der leichteste Helm im Test. Alle Fullface Helme wurden für den Test in der größten Größe gewogen. Der Specialized Gambit sticht vor allem durch seine kompakten Maße und das schlanke Erscheinungsbild hervor, doch kann er auch beim Komfort punkten? Der Troy Lee Designs Stage ist der einzige Fullface Helm im Test, der auf eine Größenanpassung durch Verstellrädchen verzichtet und stattdessen nur auf austauschbare Polster setzt. Fox stattet seinen Proframe RS mit dem brandneuen Integra Split-System von MIPS aus, bringt ihm das den entscheidenden Vorteil? Der POC Otocon konnte bereits unsere Kollegen beim Design & Innovation Award überzeugen, hat er auch das Zeug, diesen Vergleichstest für sich zu entscheiden? Als letzter und jüngster Zugang geht der erst kürzlich vorgestellte Bluegrass Vanguard ins Rennen.
Unter den konvertierbaren Fullface Helmen geht der Bell Super R Air Spherical als heißer Favorit ins Rennen, denn sein Vorgänger konnte in der Vergangenheit bereits abräumen. Doch mit dem MET Parachute und dem uvex revolt MIPS hat er zwei harte Konkurrenten, die vor allem beim Anbringungssystem des Kinnbügels die ein oder andere Innovation eingebaut haben.

Hersteller Modell Konvertierbar Gewicht in g Preis in €
Bell Super Air R Spherical (Zum Test) ja 766 340
Bluegrass Vanguard Core Edition (Zum Test) nein 771 330
Fox Proframe RS (Zum Test) nein 917 320
Giro Insurgent Spherical (Zum Test) nein 1.156 390
MET Parachute MCR (Zum Test) ja 887 350
POC Otocon Race MIPS (Zum Test) nein 842 330
Specialized Gambit (Zum Test) nein 717 360
Troy Lee Designs Stage (Zum Test) nein 764 370
Uvex Revolt MIPS (Zum Test) ja 687 330

So haben wir die Fullface Helme getestet

Um den besten Fullface Helm zu finden, haben wir alle Kandidaten über mehrere Monate in verschiedenen Szenarien getestet. Neben unzähligen Trail-Laps haben wir die Helme in den Bikeparks in den Alpen getragen und auch das ein oder andere Enduro-Rennen damit bestritten.

Dabei ist natürlich die Passform superwichtig. Um eine möglichst breite Meinung dazu zu bekommen, durften auch unsere Kollegen von E-MOUNTAINBIKE, GRAN FONDO und DOWNTOWN einmal in alle Helme reinschlüpfen. Auf den Trails haben sich dann Langzeit-Komfort, Sicherheitsgefühl, Belüftung und Lautstärke gezeigt. Und hier drückt, quietscht und knarzt es teilweise ordentlich. Aber auch die Handhabung des Fullface Helms und vor allem das Handling der abnehmbaren Kinnbügel sind natürlich mit in die Bewertung eingeflossen.

Auf einen Labortest haben wir in diesem Fall hingegen verzichtet, denn aktuelle Tests bilden die Realität nur bedingt ab. Was euren Kopf bei einem Sturz wirklich schützt, ist im Moment noch unklar. So können bereits unspektakulär wirkende Stürze zu Gehirnerschütterungen führen, während brutale Einschläge zum Teil ohne Probleme weggesteckt werden. Reine lineare Einschlagswerte zu vergleichen, würde also nicht wirklich weiterhelfen. Und mit welchen Schutzmechanismen Helme hier genau helfen, ist ebenfalls noch unklar. Daher raten wir euch, nach einem Helm zu greifen, der gut passt, die genannten Normen erfüllt und zusätzlich einen Schutz gegen Rotationskräfte, wie MIPS, besitzt. Außerdem könnt ihr bei unabhängigen Prüfinstituten wie Virginia Tech oder Certimoov online nach getesteten Helmen suchen.

Die Tops und Flops der getesteten Fullface Helme

Tops

Unauffällig integriert
Das Verstellrad bei POC und Specialized ist in die Helmschale integriert – elegant!
Extra-Schutz
Alle Helme im Test sind mit MIPS-Liner ausgestattet und schützen eure Rübe so auch bei Rotationskräften besser.
Magneto
Der Fidlock-Verschluss von MET, Bluegrass, Fox und Troy Lee schließt einfach und sicher – auch wenn ihr gerade nur eine Hand frei habt.
Flexibel
Alle Helme im Test haben flexible Visiere. Sie brechen so bei einem Crash weniger schnell und sollen zusätzlich Kräfte bei einem Einschlag abfangen.

Flops

Aufgesetzt
Der Specialized Gambit hat eine sehr flache Passform, dadurch sitzt er eher locker auf dem Kopf.
Ohren-Kratzer
Das Einstellsystem des Fox ist etwas ungeschickt platziert und scheuert an den Ohren – nervig.
Hitzestau
Durch die Jethelm-Form des uvex staut sich in der Auffahrt Hitze. Die Vorteile des konvertierbaren Helms sind so wieder teilweise zunichtegemacht.
Wackelpudding
Die Anpassung der Größe beim Troy Lee Designs mithilfe von Polstern gelingt nur bedingt. Denn die dicken Wangenpolster schwabbeln hin und her und geben keinen sicheren Sitz.

Zusammengefasst: welcher Fullface Helm für welchen Einsatzbereich?

Auch wenn die Fullface Helme auf dem Papier alle sehr ähnlich sind, gibt es in der Praxis doch große Unterschiede. Kein Helm im Test saß so fest und hat so viel Sicherheit vermittelt wie der Giro Insurgent. Das stark gepolsterte Innenleben gibt ihm einen sehr sicheren Sitz und auch wenn einige der leichten Konkurrenten nah herangekommen sind, so hat es keiner geschafft, diesen Halt zu geben. Wenn ihr viel im Bikepark ballert und niemals mit dem Helm irgendwo hochpedaliert, ist also ein waschechter DH-Helm nach wie vor die beste Wahl. Wer hingegen einen Fullface Helm mit mehr Allround-Potenzial möchte, für den ist eine leichte oder konvertierbare Variante deutlich sinnvoller.

Der beste Fullface Helm: Bluegrass Vanguard

Bluegrass Vanguard Core Edition (Zum Test)

Der Bluegrass Vanguard Core Edition macht bereits auf dem Papier eine sehr gute Figur: Mit einem Preis von 330 € gehört er zu den günstigsten Helmen im Test, ist aber gleichzeitig mit 771 g einer der leichtesten. Doch auch auf dem Trail kann kein Modell dem Vanguard das Wasser reichen: Er bietet eine top Passform für eine Vielzahl von Kopfformen, gute Belüftung und ein Sicherheitsgefühl, das kein anderer Fullface Helm im Test überbieten kann. Testsieger!


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Text: Simon Kohler Fotos: Ulysse Daessle, Mike Hunger, Simon Kohler, Peter Walker

Über den Autor

Simon Kohler

Simon liebt Geschwindigkeit. Als Downhill Skater ist er lange Zeit Rennen gefahren und mit seinem Longboard Alpenpässe runtergeknallt. Inzwischen hat er vier gegen zwei Reifen eingetauscht und heizt jetzt mit seinem Mountainbike auf Trails und Bikepark Lines. Bei verschiedensten Roadtrips durch die Alpen hat er seither einige der feinsten Trails Europas ausgekostet. Da er einige Zeit in Österreich gelebt hat, kennt er zudem die lokalen Bikeparks wie seine Westentasche. Durch sein Ingenieurstudium und seine Liebe zum Detail ist er ein echter Technik-Nerd und testet jetzt als Redakteur die aktuellsten Bikes und Parts auf Herz und Nieren. Als Frühaufsteher und selbsterklärter Müsli-Connaisseur lebt er sein Leben frei nach dem Motto „Powered by Oats. And also Legs.“