Das Specialized S-Works Turbo Levo SL gehört mit 17 kg zu den leichtesten, aber auch teuersten E-Mountainbikes auf dem Markt. Das eigens entwickelte Motoren- und Akku-Konzept ermöglicht lange Touren, ein natürliches Fahrgefühl und viele Features. Kann es nach dem Kauftipp in unserem Trail-Bike-Vergleichstest 2020 dieses Jahr im großen Mountainbike-Vergleichstest mithalten?
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Mountainbike 2021 – 22 Modelle im Test
Das Anfang 2020 gelaunchte Specialized Turbo Levo SL ist Pionier einer neuen E-MTB-Light-Generation und hat bereits letztes Jahr bewiesen, dass es zahlreiche analoge Mountainbikes in Sachen Fahr-Performance und -spaß in den Schatten stellen kann. Das Specialized S-Works Turbo Levo SL besitzt einen sehr schicken, matt lackierten Vollcarbon-Rahmen mit passenden Decals in Bronze. Mit seinen 17 kg ist es das leichteste voll auf Trailperformance ausgelegte E-Mountainbike-Fully, mit dem Specialized SL 1.1-Motor mit 35 Nm Drehmoment aber auch eines der schwächsten, was die Unterstützung angeht. Im Vergleich dazu hat das Orbea Rise mit modifiziertem Shimano EP8 RS-Motor 60 Nm Drehmoment. Allerdings wiegt es auch fast 1,5 kg mehr als das Levo SL. Der interne Akku des Turbo Levo SL besitzt 320 Wh und kann mit dem 160 Wh starken Range Extender kombiniert werden. Dieser wiegt ein weiteres Kilo, ist beim Kauf des S-Works Turbo Levo SL inklusive und findet im Flaschenhalter Platz.
Zum Vergleich: Das Orbea hat 40 Wh mehr an interner Akkukapazität und ein ähnliches Akkukonzept mit optionalem Range Extender. Aber Vorsicht: Die Leistungs- und Verbrauchswerte zwischen Specialized SL 1.1-Motor und Shimano EP sind deutlich verschieden, sodass ein 1:1-Vergleich der reinen Akkukapazitäten keinen Sinn macht! Herzstück des modularen Motor-Akku-Konzepts des Specialized ist die im Oberrohr integrierte Turbo Connect Unit (TCU). Sie zeigt über LEDs Akkustand und Unterstützungsstufe an und kommuniziert mit der Mission Control App auf dem Smartphone. Mit ihr lassen sich die Fahreigenschaften des Motors und das Akkumanagement an eure persönlichen Vorlieben anpassen. Wer will, kann – wie auch beim Orbea Rise – auf die Lenkerremote verzichten und hat dann in Kombination mit den AXS-Komponenten trotz Motor ein mega cleanes Cockpit. Nice! Die Specialized-typische SWAT-Box fällt beim Levo SL durch den integrierten Akku leider weg. Das im Steuerrohr integrierte SWAT-Tool besitzt es aber dennoch. Ebenso wie seine analogen Geschwister – Stumpjumper und Stumpjumper EVO – besitzt das Levo einen ausreichend großen Kettenstrebenschutz, eine minimalistische Kettenführung und einen Unterrohrschutz, um den Carbon-Rahmen vor anfliegenden Steinen zu schützen.
Das Specialized S-Works Turbo Levo SL ähnelt mehr einem starken Rückenwind und vermittelt dadurch ein sehr natürliches Fahrverhalten. Der ein oder andere Schweißtropfen muss deshalb verdrückt werden.
Nicht von schlechten Eltern! Die Ausstattung des Specialized S-Works Turbo Levo SL
Den S-Works Schriftzug tragen bei Specialized lediglich die Top-Modelle und das Specialized S-Works Turbo Levo SL ist mit schlappen 13.999 € das teuerste Bike in unserem großen Mountainbike-Vergleichstest. Für das Geld könnte man auch acht Canyon Stoic oder beispielsweise 930 Kästen Bier kaufen. Entscheidet man sich dennoch für das Turbo Levo SL, erhält man ein astreines FOX Factory-Fahrwerk mit 150 mm Federweg an Front und Heck, verwaltet von der 36 GRIP2-Gabel und einem DPX2-Dämpfer. Dazu kommt die schicke SRAM XX1 AXS 12-fach-Schaltgruppe mit 10–52-Kassette und eine RockShox Reverb-AXS-Sattelstütze mit 170 mm Hub. Gebremst wird mit der kraftvollen MAGURA MT7-Vierkolbenbremse mit 200-mm-Bremsscheiben vorne und hinten und den Signature Loic Bruni-Bremshebeln. Die AXS-Hebel sind durch Shiftmix-Klemmen mit den MAGURA-Bremsen verbunden, bieten aber nur einen geringen Verstellbereich. In unseren Test hat das dazu geführt, dass fast alle Testfahrer Probleme hatten, Bremse und Schalthebel optimal zu positionieren. Zusätzlich lässt die Reifenkombination zu wünschen übrig. So sind die leichten Traverse SL Carbon-Laufräder der Hausmarke Roval mit der alten Generation der Specialized-Reifen kombiniert, die mit harter Gummimischung und pannenanfälliger GRID Trail-Karkasse kommen: Butcher an der Front und Eliminator am Heck. Wir raten zu einer robusteren Karkasse am Heck, um den Carbon-Laufradsatz vor Durchschlägen zu schützen.
Specialized S-Works Turbo Levo SL
13.999 €
Specifications
Motor Specialized SL 1.1 35 Nm
Battery Specialized SL1-320 320 Wh
Display Specialized TCU
Fork FOX 36 Factory 150 mm
Rear Shock FOX DPX2 Factory 150 mm
Seatpost RockShox AXS 170 mm
Brakes MAGURA MT 7 200/200 mm
Drivetrain SRAM XX1 Eagle AXS 1x12
Stem Deity Copperhead 35 mm
Handlebar Specialized Trail FACT Carbon 780 mm
Wheelset Roval Traverse SL Carbon 29"
Tires Specialized Butcher/Eliminator GRID Trail GRIPTON 2,3
Technical Data
Size S M L XL
Weight 16,95 kg
Specific Features
Range-Extender mit 160 Wh
SWAT-Multitool
Die Geometrie des Specialized S-Works Turbo Levo SL
Die Größenwahl des Specialized S-Works Turbo Levo SL besitzt nicht das neue Specialized-typische S-System, sondern basiert auf Standard-Größen von S–XL. Die vier Größen decken eine Körpergröße von 157 cm bis 193 cm ab. Hier zeigt sich das Alter des Turbo Levo SL. Das lange Sattelrohr von 455 mm in Kombination mit einem sehr kurzen Reach von ebenfalls 455 mm in Größe L sorgen für ein kompaktes Rad und wenig Bewegungsfreiheit. Das neue Stumpjumper hat im Vergleich dazu einen Reach von 475 mm mit einer Sattelrohrlänge von lediglich 425 mm. Durch die extrem großen Sprünge zwischen den Größen und der veralteten Geometrie bietet das Levo SL keine Möglichkeit, die Rahmengröße nach den individuellen Vorlieben, z. B. eines längeren Bikes mit mehr Bewegungsfreiheit, zu wählen. Rahmengröße XL besitzt bereits eine Sattelrohrlänge von 505 mm bei einem Reach von lediglich 480 mm. Am Dämpfer ist ein Flip-Chip integriert, mit dem sich die Geometrie minimal auf die eigenen Vorlieben einstellen lässt. Wir bevorzugen das flachere „Low-Setting“.
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 390 mm | 410 mm | 455 mm | 505 mm |
Oberrohr | 574 mm | 597 mm | 629 mm | 663 mm |
Steuerrohr | 95 mm | 95 mm | 125 mm | 140 mm |
Lenkwinkel | 66,0° | 66,0° | 66,0° | 66,0° |
Sitzwinkel | 75,3° | 75,0° | 74,6° | 74,2° |
Kettenstrebe | 437 mm | 437 mm | 437 mm | 437 mm |
BB Drop | 27 mm | 27 mm | 27 mm | 27 mm |
Radstand | 1.165 mm | 1.185 mm | 1.217 mm | 1.248 mm |
Reach | 415 mm | 435 mm | 455 mm | 480 mm |
Stack | 606 mm | 606 mm | 633 mm | 647 mm |
Doping für die Beine! Das Specialized S-Works Turbo Levo SL auf dem Trail
Das Specialized S-Works Turbo Levo SL bietet in der Ebene eine aufrechte und komfortable Sitzposition. Das Fahrwerk ist sehr aktiv und schluckt Unebenheiten gekonnt weg. Wird der Sattel weit ausgezogen oder werden die Climbs steiler, befördert das Turbo Levo SL den Fahrer weit über das Hinterrad. Wir raten großen Fahrern, den Sattel nach vorne zu schieben. In der Ebene ist die Unterstützung des Motors sehr angenehm und ähnelt im Turbo-Modus den anderen E-Bikes im Test – wenn sie im Eco-Modus fahren! Die Motorpower lässt sich leicht kontrollieren und an der 25-km/h-Grenze fällt das Aussetzen des Motors kaum auf. Das liegt unter anderem daran, dass der Motor bereits bei 23 km/h beginnt, die Leistung zu reduzieren, und sich so der Übergang sehr natürlich und unauffällig anfühlt. Dennoch lässt sich, dank des niedrigen Tretwiderstands, das Bike auch ohne Motor noch gut treten. Die niedrige Motorpower ermöglicht trotz der geringen Akkukapazität große Touren mit weniger körperlicher Anstrengung als bei einem analogen Bike. Im Vergleich zum Shimano EP8 im Orbea Rise surrt der Motor im Levo SL unter Last deutlich lauter.
Geht es steiler bergauf, kann das Turbo Levo SL mit seinen direkten E-Konkurrenten durch die geringe Motorpower nicht mithalten. So fühlt es sich weniger nach E-Mountainbike und mehr nach kräftig Rückenwind an und kommt den analogen Bikes im Test sehr nah. Bedeutet aber auch, dass bei sehr technischen Uphills ein präzises Schalten und Vorarbeit bei steileren Passagen und Rampen vonnöten sind. Auch die Geometrie des Levo SL spielt hier eine Rolle, so muss die hecklastige Position bei steilen Rampen und das darauffolgende Versacken im Dämpfer durch eine aktive Gewichtsbelastung der Front ausgeglichen werden.
Wer ein gutmütiges und intuitives Bike sucht, wird hier fündig. Für schnelle Fahrer mit aggressivem Fahrstil ist es aber nicht geeignet, denn die generierte Geschwindigkeit verpufft durch den fehlenden Gegenhalt vom Fahrwerk im nächsten Anlieger.
Tuning-Tipps: Reifen mit stärkerer Karkasse am Heck (z. B. Eliminator mit GRID-Gravity-Karkasse) | große Fahrer sollten den Sattel vorschieben
Im Downhill überzeugt das Specialized S-Works Turbo Levo SL durch ein super intuitives Handling und sein ausgewogenes Fahrwerk. In Kombination mit einem präzisen Lenkverhalten macht das Bike bergab richtig Spaß und ist für jedermann oder -frau einfach zu fahren. Für Bestzeiten ist es allerdings nicht gemacht und so generiert das Fahrwerk zwar gute Traktion in offenen Kurven, in Anliegern und Sprüngen fehlt es ihm aber an Gegenhalt und die mitgebrachte Geschwindigkeit verpufft. Wer viel auf Flow-Strecken und Jumps unterwegs ist, sollte das Bike mit weniger SAG fahren. Das sorgt für einen besseren Gegenhalt und Pop des Fahrwerks. Die konservative Geometrie macht sich auch bei Highspeed bemerkbar und so fehlt es dem Turbo Levo SL an Laufruhe im Vergleich zu seinen Konkurrenten, dem MERIDA eONE-SIXTY sowie dem Orbea Rise. Das niedrige Gewicht, verglichen zum MERIDA, macht es aber verspielter und so findet das Turbo Levo SL eine gelungene Balance zwischen Laufruhe, Leichtfüßigkeit und Agilität. Für aktive und schnelle Fahrer liefert das Orbea Rise das bessere Gesamtpaket.
Fazit
Das modulare Akkukonzept und die klasse Integration des Motors im Specialized S-Works Turbo Levo SL verleihen dem Bike ein sehr natürliches Fahrverhalten bei geringer Motorpower und ermöglichen das intuitive Handling im Downhill. Als innovativer Allrounder eignet es sich vor allem für Touren und flowige Trails. Wer jedoch ein potentes Baller-Bike sucht, wird beim Turbo Levo SL etwas Laufruhe bei Highspeed und Gegenhalt vom Fahrwerk missen. In Kombination mit dem sehr hohen Preis von 13.999 € liefert es nur ein mäßiges Preis-Leistungs-Verhältnis ab.
Tops
- sehr intuitives Handling
- sehr natürliches Fahrgefühl des Motors
- starke Integration und Individualisierungsmöglichkeiten des Motor-Akku-Systems
- modulares Akkukonzept mit Range Extender
Flops
- fehlende Laufruhe im Highspeed und wenig Gegenhalt vom Fahrwerk
- pannenanfälliger Hinterreifen
Mehr Informationen findet ihr unter specialized.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Mountainbike 2021 – 22 Modelle im Test
Alle Bikes im Test: Canyon Neuron CF SLX 9 (Zum Test) | Canyon Spectral 29 LTD (Zum Test) | Canyon Stoic 4 (Zum Test) | FOCUS THRON 6.9 (Zum Test) | Ibis Ripmo V2 (Zum Test) | MERIDA eONE-SIXTY 10K (Zum Test) | MERIDA NINETY-SIX 8000 (Zum Test) | Nukeproof Reactor 290C (Zum Test) | Orbea Rise M-Team (Zum Test) | Propain Hugene (Zum Test) | RAAW Jibb XTR Build (Zum Test) | Rocky Mountain Instinct C70 (Zum Test) | Santa Cruz 5010 X01 (Zum Test) | Santa Cruz Tallboy CC X01 (Zum Test) | SCOTT Ransom 900 Tuned AXS (Zum Test) | Specialized S-Works Stumpjumper (Zum Test) | Specialized S-Works Stumpjumper EVO (Zum Test) | Specialized S-Works Turbo Levo SL | Trek Fuel EX 9.8 GX (Zum Test) | Trek Top Fuel 9.9 X01 (Zum Test) | Yeti SB115 TURQ3 (Zum Test) | YT IZZO BLAZE 29 (Zum Test)
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Text: Peter Walker Fotos: Diverse