Moin Moin. Ich bin Julian, Art Director
bei ENDURO, GRAN FONDO und E-Mountainbike.

Obwohl meine Arbeit absolut abwechslungsreich ist, verfalle ich oft im Alltag einer monotonen Routine, die dann meine Kreativität im Schwitzkasten hält. Die Macht der Gewohnheiten ist bekanntlich der stärkste Klebstoff der Welt. Für die Ausgabe dieses Magazins wurde es also mal wieder Zeit, das Weite zu suchen. Gefunden habe ich es an einem Küstenabschnitt Portugals.

Mit den Worten „Time to shine“ weckt mich mein Handy aus dem Tiefschlaf. Eingewickelt in Schlafsack und Decke, liege ich in meinem Bulli zwischen Bike und Boards. Um diese Uhrzeit hätte ich mir zu Hause einen Kaffee aufgesetzt, um dann Stunden am Laptop in Layouts und Katzenvideos abzutauchen. Heute gibt es eine Banane und Nüsse zum Frühstück – abgetaucht wird im Atlantik. Von der Schiebetür bis zum Meer sind es nur ein paar Meter.

Wer aber immer das tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist. Henry Ford

Das gute Leben hat leichtes Spiel, wenn man auf Achse schläft

Routine ist Fluch und Segen zugleich. Sie funktioniert wie liniertes Briefpapier, wie Fahrbahnmarkierungen auf der Straße. Unser Freiraum wird mit ihr organisiert und abgesteckt. Doch hinter ihr lauert oft die Gefahr, seinen Alltag zu standardisieren. Wir schleppen uns irgendwann nur noch unmotiviert von Wochenende zu Wochenende, woraufhin sich ein Gefühl von Stillstand und Langeweile breitmacht. Bei mir endet das häufig in fehlender Kreativität und Einheitsbrei. Doch wenn ich unterwegs bin, kann sich jene kontraproduktive Routine kaum einstellen. Ich wache dann täglich in einer neuen Umgebung auf, muss mich auf kleinstem Raum organisieren und bestenfalls die Sprache wechseln.

Was aber, wenn man nicht als Freelancer von überall aus arbeiten kann oder mal gerade keinen Urlaub hat, um „on the road“ auf Selbstfindung zu gehen? Dann hilft nur noch, die Zähne mit der schwächeren Hand zu putzen und dabei rückwärts zu gehen. ;-) Zumindest hilft mir das, wenn ich neue Wege einschlagen will. Durch das Abändern banaler und gewöhnlicher Abläufe versuche ich, der Standardisierung, der Langweile und der Einbahnstraße des Alltags zu entfliehen. Denn neue Schaltkreise bilden wir in unbekannten Gefilden.

Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen. Kurt Marti

Ins kalte Wasser springen

Raus aus der Endlosschleife, die auf alten Marotten und Repetitionen aufgebaut ist, und rein ins kalte Wasser! Wenn rückwärtslaufend Zähne putzen nicht mehr hilft, kann man immer eine neue Sportart ausprobieren. Mein Substitut zum Wald ist das Meer. Im Wasser habe ich kein WLAN, keinen Strom, keine Uhr. Dafür aber eine ungewohnte Umgebung. Während ich auf das nächste Set Wellen warte, habe ich genug Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen. In dieser Zeit vollzieht sich oft ein Perspektivwechsel, der mich auf neue Ideen stoßen lässt, wenn ich am Schreibtisch gerade mal wieder an standardisierte Arbeitsabläufe wie das Austauschen von Bildern oder das Einfließen von Text gebunden bin.

Der sicherste Ort für ein Schiff ist der Hafen. Aber nicht dafür wurden Schiffe gebaut. Unbekannt

Runter vom Holz, rauf aufs Bike

Hier im Westen Lissabons, wo die Trails ins Meer münden, kann ich auch Abwechslung auf dem Bike erfahren. Die Trail-Vielfalt, die man hier geboten bekommt, gleicht dem All-you-can-eat-Buffet eines Fünfsternehotels. Perfekt gebaute Downhill-Trails mit Anliegern, Drops und Steinfeldern oder vielleicht doch lieber naturbelassene Single-Trails auf den Klippen?

In der Heimat bin ich oft auf Solo-Tour. Ich kann dadurch besser abschalten und mein eigenes Tempo fahren. Doch Inspiration findet man ja bekanntlich in Gesellschaft. Deshalb tut es mir auf Reisen auch mal ganz gut, mich Gleichgesinnten anzuschließen. Entweder treffe ich einen Local, der mir neue Trails zeigt, oder aber ich treffe einen Touristen, mit dem ich gemeinsam auf Trail-Suche gehen kann. Jede Ausfahrt bringt dann neue Geschichten, Perspektiven und Ideen mit sich. Nicht selten haben diese Ansätze einen Einfluss darauf, wie ich meinen Job und mein Leben angehe. Ganz zu schweigen von den Freundschaften, die man hierdurch schließen kann. Sag also ruhig mal „Moin“ zur nächsten unbekannten Person, die deinen Weg kreuzt! Egal ob im Wald, im Supermarkt oder im Wasser.

Wetsuit ION ONYX AMP | Jersey ION TEE LS SCRUB AMP | Shorts ION SCRUB AMP | Schuhe ION RAID AMP II

Die Welt dreht sich nicht nur um uns und das ist auch gut so, denn es nimmt Last von unseren Schulter und sorgt für Freiheit. Freiheit, die wir nutzen können, um auf Entdeckungsreise zu gehen. Also packt vielleicht mal die Badehose ein, falls euch der Tipp mit dem Wasser gefallen hat. Und geht rückwärts Zähne putzend da hin, wo man hinkommt, wenn man denn mal gehen würde. Grüßt die anderen schön. Ich komme jetzt erst mal wieder zurück. Der Alltag ruft. ;-)

Riesen Dank für die Unterstützung und die Fotos geht an João Mourão von weride.pt


Dieser Artikel ist aus ENDURO Ausgabe #037

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Text: Julian Lemme Fotos: João Mourão

Über den Autor

Julian Lemme

Julian hat schon mit Haien den Pazifik erkundet, der Höhenangst im Himalaja die Hand geschüttelt, ein paar Stunden im ältesten Knast Uruguays gesessen und im brasilianischen Regenwald Weltfrieden gefunden. Als digitaler Nomade hat er die halbe Welt bereist und ganz nebenbei die Layouts für unsere Magazine gemacht. Heute ist er schon fast sesshaft geworden und lebt mit seinem Hund Bonnie im sonnigen Lissabon, um dort zu biken, zu surfen und den entspannten Lebensstil zu genießen. Als Art Director haben wir ihm die geilen Layouts und Styles zu verdanken, die unsere Magazine auszeichnen.