Für viele Biker scheint die Berechnung der Übersetzung immer noch ein Buch mit sieben Siegeln, gerade beim Wechsel auf einen 1-fach-Antrieb herrscht immer noch Angst vor fehlender Bandbreite. Dabei lässt sich mit ein paar Kopfrechnungen schnell Licht ins Dunkel bringen. Wir zeigen euch Schritt für Schritt, wie ihr die richtige Kombination aus Kassette und Kettenblatt findet.

Die meisten Biker werfen bei einem 1-fach-Antrieb zuerst den Blick auf die Größe des Kettenblatts. „Klar kommst du den steilen Anstieg nicht hoch, du hast ja auch ein 34er Kettenblatt!“ – so oder so ähnlich fällt der typische Tech-Talk unter Bike-Buddies aus, doch ganz so einfach ist es dann auch wieder nicht. Das wichtigste Thema ist dabei meist die Übersetzung des kleinsten Ganges, schließlich entscheiden hier die kleinsten Unterschiede darüber, ob man die steile Rampe noch hoch kommt oder schieben muss. Im Wesentlichen kommt es dabei auf drei Faktoren an: die Bandbreite der Kassette, die Größe des Kettenblatts und den Laufraddurchmesser des Bikes.

Bandbreite einer Kassette berechnen

Die Bandbreite der Kassette hat bei allen Kettenschaltungen einen wesentlichen Einfluss auf die nutzbare Übersetzung. In der Regel wird das kleinste und das größte Ritzel angegeben, bei einer 10-42-Kassette hat also das kleinste Ritzel 10 Zähne und das größte 42 Zähne. Die Bandbreite erhält man, indem man die Zähne des größten Ritzels durch die Zähne des kleinsten teilt, also z. B. 42/10 = 4,20 = 420 %. Dabei wird offensichtlich, dass auch kleinste Veränderungen am kleinen Ritzel die Bandbreite sehr stark beeinflussen. Eine 9-46-Kassette von E*thirteen hat z. B. 511 %, während eine 11–46-Kassette von Shimano gerade einmal 418 % bietet.

Kassette Bandbreite
Shimano 11–42 382 %
Shimano XT 11–46 418 %
SRAM 10–42 420 %
SRAM Eagle 10–50 500 %
Shimano XTR 10–51 510 %
E*thirteen 9–46 511 %

In der Praxis kommt es also nicht immer auf die Anzahl der Gänge an, sondern vor allem auf die Bandbreite der Kassette. Wechselt man zum Beispiel von einer typischen 11-fach-Gruppe auf eine 12-fach-Schaltung wie die SRAM Eagle oder die neue Shimano XTR, gewinnt man im Grunde nicht nur einen, sondern zwei zusätzliche Gänge. Eine Eagle-Schaltung mit einem 34er-Kettenblatt verfügt z. B. über einen leichteren kleinsten Gang als ein 1×11 SRAM-Antrieb mit einem 30er-Kettenblatt, der größte Gang entspricht aber dem einer 1×11 mit 34 Zähnen vorne.

Die Wahl des richtigen Kettenblatts

Während die Wahl der Kassette die Bandbreite des Antriebs festlegt, kann diese mit der Wahl des Kettenblatts verschoben werden. Je kleiner das Kettenblatt, desto leichter wird der kleinste Klettergang; je größer das Kettenblatt, desto höher wird die Endgeschwindigkeit, in der man im größten Gang noch pedalieren kann. Die Über- bzw. Untersetzung berechnet man, indem man die Zähne des Kettenblatts durch die Zähne des Ritzels teilt. Folgendes Rechenbeispiel soll den Zusammenhang verdeutlichen:

Ausgangspunkt ist eine Shimano XT 11–46-Kassette und ein Kettenblatt mit 32 Zähnen. In dieser Konfiguration hat der kleinste Gang eine Untersetzung von 32/46 = 0,696 und der größte Gang eine Übersetzung von 32/11 = 2,909. Eine SRAM 10–42-Kassette hat zwar eine sehr ähnliche Bandbreite, hätte bei einem 32er Blatt aber eine Untersetzung von 32/42 = 0,762 im kleinsten Gang und eine Übersetzung von 32/10 = 3,200 am anderen Ende des Spektrums. Wechselt man beim SRAM-Antrieb auf ein 30er Kettenblatt, erhält man mit 30/42 = 0,714 bzw. 30/10 = 3,000 wieder eine ähnliche Übersetzung wie bei der Shimano XT mit 32er Blatt.

In der nachfolgenden Tabellen vergleichen wir die Übersetzungen dreier gängiger Antriebe, die über folgende Gangsprünge verfügen:

SRAM Eagle 10-12-14-16-18-21-24-28-32-36-42-50
SRAM 1×11 10-12-14-16-18-21-24-28-32-36-42
Shimano 1×11 11-13-15-17-19-21-24-28-32-37-46

Kassette Kettenblatt kleinster Gang größter Gang
SRAM Eagle 1×12 (10-50) 30 0,600 3,000
32 0,640 3,200
34 0,680 3,400
36 0,720 3,600
38 0,760 3,800
SRAM 1×11 (10–42) 28 0,667 2,800
30 0,714 3,000
32 0,762 3,200
34 0,810 3,400
36 0,857 3,600
38 0,905 3,800
Shimano XT 1×11 (11–46) 30 0,652 2,727
32 0,696 2,909
34 0,739 3,091
36 0,783 3,273
38 0,826 3,455

Habt ihr das Grundprinzip verstanden, lassen sich unterschiedliche Antriebe leicht miteinander vergleichen. Wechselt ihr z. B. von einem 1×11 SRAM-Antrieb mit 32er Kettenblatt auf eine Eagle-Gruppe, könnt ihr auf ein 38er Kettenblatt umsteigen und erhaltet damit einen ähnlich leichten Klettergang wie bisher. Gleiches gilt beim Wechsel auf die neue 12-fach XTR-Gruppe von Shimano, die sich mit ihrer 10–51 Kassette sehr ähnlich wie die SRAM Eagle verhält. Wechselt ihr hingegen auf einen 1×11 Shimano-Antrieb, ist der kleinste Gang mit einem 34er Kettenblatt etwas leichter als bisher, bzw. mit einem 36er Kettenblatt etwas schwerer. Die gleiche Rechnung funktioniert natürlich auch am anderen Ende des Gang-Spektrums.

Einfluss der Laufradgröße

Ein 29” MTB-Laufrad hat einen Außendurchmesser von 622 mm, mit einem typischen 2,35” Reifen beträgt der Gesamtdurchmesser ca. 735 mm. Ein 27,5”-Laufrad mit einem Außendurchmesser von 584 mm kommt mit dem gleichen Reifen also auf einen Gesamtdurchmesser von ca. 697 mm. Als Faustregel lässt sich feststellen, dass die Übersetzung beim Wechsel von 27,5” auf 29” nahezu gleich bleibt, wenn man ein Kettenblatt mit zwei Zähnen weniger montiert. So entspricht die zurückgelegte Strecke im kleinsten Gang mit einem SRAM Eagle-Antrieb mit 34er Kettenblatt und 29” ca. 1,57 m pro Kurbelumdrehung, mit einem 36er Kettenblatt und 27,5” ca. 1,58 m.

Worauf ihr sonst noch achten solltet

Je größer die Bandbreite einer Kassette bei gleicher Ganganzahl, desto größer sind im Schnitt auch die Gangsprünge. Kritisch wird es oft bei Nachrüstlösungen, bei denen bestehende 10-fach- oder 11-fach-Kassetten mit größeren Ritzeln erweitert werden. Für einige Fahrer kann diese Lösung aber durchaus ein guter Kompromiss sein. Wenn man die Größe des Kettenblatts wechselt, sollte man vorher genau prüfen, welche Kettenblattgrößen für den Rahmen zugelassen sind – vor allem bei großen Kettenblättern kann es Platzprobleme geben. Je größer das Kettenblatt, desto geringer wird auch die Bodenfreiheit. Besonders bei Bikes mit niedrigem Tretlager kann es dann öfter zu Aufsetzern kommen.

Was bringt das in der Praxis?

Welche Übersetzung sollte man denn jetzt fahren? Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten, dazu spielen die Faktoren Mensch und das bevorzugte Gelände eine zu große Rolle. Doch wer die Berechnung der Übersetzung verstanden hat, kann auf Basis der aktuell verbauten Schaltung leicht entscheiden, welches Kettenblatt geeignet ist.

Bei einer kleinen internen Umfrage in der ENDURO Redaktion hat sich ein klarer Favorit herausgestellt: Die meisten von uns würden auf eine SRAM Eagle oder die 12-Fach XTR mit einem 32er Kettenblatt bei 29” bzw. einem 34er Kettenblatt bei 27,5” setzen. Gleiches gilt für einen Shimano-Antrieb mit 11–46-Kassette, bei SRAMs 1×11 Schaltungen würden die meisten ein 30er Kettenblatt bei 29” und ein 32er bei 27.5” auswählen.


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Text: Fotos: Christoph Bayer, Trev Worsey, Moritz Dittmar