Matschbirne oder Honig im Kopf? Wer schon einmal in den zweifelhaften Genuss einer Gehirnerschütterung gekommen ist, denkt bei diesen Begriffen vermutlich an das eher unangenehme Erlebnis zurück und ist froh, es hinter sich zu haben. Auch wir sind davor nicht gefeit und stehen euch mit Tipps zur Seite.

Unser Gehirn – Steuerzentrale, Kommandozentrum, nennt es, wie ihr wollt: Ohne das Gehirn läuft bei uns nichts. Es verarbeitet permanent allerlei Reize, äußere und innere Einflüsse und erschafft so unsere Realität, in der wir uns wahrnehmen und bewegen. Davon kriegen wir normalerweise gar nichts mit; Kopfschmerzen sitzt man aus oder schafft mal eben mit einer Tablette Abhilfe. Verletzungen bleiben so gerne mal unentdeckt, denn oft schränken sie einen nicht so direkt ein wie ein gebrochener Arm oder eine fiese Prellung.
Dass der Denkapparat unser wichtigstes Körperteil ist und wir ihn deshalb hegen und pflegen sollten, geht im Alltag oft unter. Ernsthafte Hirnverletzungen sollten wir aber nicht auf die leichte Schulter nehmen: Die beiden Rad-Profis Kate Courtney und Tahnée Seagrave und auch Alicia Leggett von unseren Kollegen bei Pinkbike warfen mit ihren Gehirnerschütterungen jüngst leider das vielleicht nötige Licht auf die heikle Thematik. Dank langen Pausen und gründlicher Therapie sitzen die beiden Ladies zum Glück wieder fest im Sattel, haben uns aber definitiv gezeigt, dass die vermeintlich harmlose Gehirnerschütterung genauso gut – oder sogar noch aufmerksamer – auskuriert werden muss wie ein Knochenbruch oder Bänderriss.

Aber woher wissen wir jetzt, wann eine Kopfverletzung ernst ist und die Ursache nicht am schlechten Wetter, dem letzten Bier oder Ähnlichem liegt? Damit ihr im Fall der Fälle nicht auch noch sprichwörtlich auf den Kopf gefallen seid, beleuchten wir das Thema aus bikertauglichem Blickwinkel und schärfen eure Sinne für dieses Thema.

Crash auf den Kopf – Und jetzt?

Es ist passiert: Kurz die Kontrolle über das Bike verloren, den Schädel nicht mehr aus der Schusslinie bekommen und auf den Kopf gecrasht. Der Helm ist kaputt, die Rübe dröhnt. Cool bleiben ist jetzt angesagt und wenn möglich, erstmal runter vom Trail. Wer alleine unterwegs ist, sollte so schnell wie möglich Hilfe aufsuchen. Buddies kontaktieren, im Bikepark die Bike-Patrol rufen oder andere Biker anhalten und um Unterstützung bitten, denn die Lage kann auch erst einige Zeit nach dem Sturz dramatisch werden.

Nie alleine
Der Crashsensor ANGi von Specialized wird am Helm befestigt und kann selbsttätig Hilfe rufen, da er Stürze auf den Kopf erkennt und nach Ablauf eines Countdowns Kontakte deiner Wahl benachrichtigt.

Wenn ihr Zeuge von so einem Crash auf den Kopf seid, solltet ihr auch hier erstmal cool bleiben. Wenn der Rider nicht mehr aufstehen kann, sichert den Trail so gut wie möglich und warnt nachfolgende Biker. Falls der Gestürzte ausgeknockt ist, ruft auf jeden Fall einen Notarzt und steht ihm zur Seite, bis die Sanis vor Ort sind.

Damit nicht noch jemand crasht: Trail sichern und auf die Gefahr hinweisen.

Ist die gecrashte Person ansprechbar, dann checkt zunächst ihre Orientierung: Dabei helfen euch die drei Ws:

  • wer bin ich,
  • wo bin ich
  • was ist passiert?

Wer das nicht mehr beantworten kann, sollte auf jeden Fall von medizinischem Fachpersonal durchgecheckt werden! Auch ein Blick in die Augen – oder genauer gesagt die Pupillen – gibt euch einen Hinweis darauf, ob womöglich eine Verletzung vorliegt. Hat euer Kumpel Probleme damit, Objekten – wie eurem Finger – zu folgen oder sollten die Pupillen sogar eine unterschiedliche Größe oder Form besitzen, solltet ihr schleunigst ärztliche Hilfe rufen.
Fragt zudem nach, ob es der Person übel oder schwindelig ist. Bei starker Übelkeit oder sogar Erbrechen solltet ihr euch auf den direkten Weg zum nächsten Arzt, Krankenhaus oder den Bikepark-Medis machen. Macht das am besten zu Fuß und stützt die gecrashte Person dabei. Besser noch: Ihr lasst die Hilfe direkt zu euch kommen – sicher ist sicher!

Sollten die ersten Anzeichen unbedenklich ausfallen, setzt euch dennoch für 15 bis 20 min in eine schattige Ecke und verfolgt das Geschehen auf dem Trail. Ist dann immer noch alles in Ordnung, könnt ihr euch vorsichtig in Richtung Heimat aufmachen. Wenn der Schädel brummt und die Schmerzen nicht nachlassen, ist es keine Schande, den Tag zu callen und sich etwas Ruhe zu gönnen. Rest to ride another day.

Böses Erwachen? Der Tag nach dem Crash

Man wacht zermatscht auf, der Schlag auf’s Oberstübchen hat gesessen. Fühlt nach so einem Crash auf den Kopf erstmal in euch rein:

  • Hält die morgendliche Müdigkeit länger an als sonst?
  • Fühlt ihr euch vielleicht weniger belastbar und eher gestresst oder vergesslich?
  • Stören euch laute Geräusche und helles Licht?

Dann will euch euer Gehirn damit zeigen, dass es was abbekommen hat und sich erholen möchte und muss. Das geht am besten mit Ruhe. Macht es euch zuhause oder an einem ruhigen, angenehmen Plätzchen gemütlich, döst etwas vor euch hin oder lasst die Gedanken streifen. Glotze, Laptop oder Smartphone könnt ihr getrost links liegen lassen und stattdessen eurem Hirn mal so eine richtige Reizdiät gönnen. Das tut ihm gut und hilft der Regeneration – übrigens nicht nur nach einem Crash.

Ganz nach Balu dem Bären könnt ihr es mit Ruhe und Gemütlichkeit gelassen angehen. Übernehmt euch nicht gleich wieder im Job oder auf dem Bike, sondern gebt euch die Zeit, eine Aufgabe nach der anderen zu erledigen. Jetzt ist zudem die Zeit, endlich mal eure Screentime zu reduzieren. Wolltet ihr doch eh schon lange mal angehen, oder? Am wichtigsten ist aber: Bleibt cool, stresst euch nicht und hört einfach in euch hinein. Ihr spürt, wenn euer Gehirn wieder bereit ist, Vollgas zu geben. Bis es so weit ist, ist die Zeit euer Freund. Nehmt sie euch!

Seid bereit!

Das Unvermeidliche vermeiden – geht das? Da bei unserem Hobby eher die Frage ist, wann und nicht ob man crasht, wirkt die wichtige Vorbereitung wie so oft Wunder. Wie der Sicherheitsgurt im Auto ist der Helm auf dem Bike Pflicht. Zumindest für uns. Unsere Hirnmasse wächst schließlich nicht nach und ist viel zu schade, um sie auf dem Boden zu verteilen.

Ein vernünftiger Helm muss dabei neben dem Style noch einige andere Kriterien erfüllen. In unserem großen Helmtest könnt ihr euch genau informieren, worauf es ankommt.

Neben einem guten Helm gehört auf jeden Fall auch ein gutes Warm-up vor jedem Ride zur Kür. Dehnt eure großen Muskelgruppen einmal gründlich durch, bevor ihr startet: Beine, Arme, Rücken, Bauch und Nacken danken es euch mit geschmeidigen Reaktionen auf dem Trail. Auch für die Augen gibt es ein super Warm-up, frei nach unseren Freunden in Blau bei der Verkehrskontrolle: Bewegt mit ausgestreckten Armen eure nach oben gerichteten Daumen abwechselnd mit dem linken und rechten Arm von vorne zur Seite und folgt ihm dabei mit den Augen. Der Kopf bleibt dabei so gerade wie möglich. Das wärmt die Augenmuskulatur auf und regt die Koordination zwischen Augen und Körper an. Das Gehirn bekommt so also auch noch eine kleine Einstimmung auf den anstehenden Ride.

30 for Jordie!
Liegestütze sind ein prima Warm-up.
Traut euch was zu, aber verlasst euch nicht zu blind auf eure Skills. Das ein oder andere Techniktraining, aber auch regelmäßige Rides mit dem Fokus auf der eigenen Fahrtechnik schärfen den Sinn für sicheres und kontrolliertes Biken und geben einem das gute Gefühl, erfolgreich an der eigenen Technik zu feilen. Wer nicht am Limit fährt, kann während dem Fahren bewusster Entscheidungen treffen und deren Auswirkungen analysieren. Nebenbei hat man so auch noch Sicherheitsreserven, falls es mal haarig wird. Übrigens: Sicher macht schnell und schnell macht Spaß. Darum geht’s uns doch allen, oder?

Sicher und lässig – mit der richtigen Technik machen auch schwierige Stellen plötzlich Spaß.

Kopf hoch

Macht euch keinen zu großen Kopf: Trotz der Risiken, die Kopfverletzungen mit sich bringen, kann man sich gut davon erholen und wieder mit Spaß ins Bikelife einsteigen. Eine positive Einstellung sowie Selbstvertrauen in den eigenen Körper und die eigenen Skills sind dabei gute Weggefährten. Lasst euch also von einem Crash nicht ins Boxhorn jagen, sondern euch dadurch motivieren, noch besser zu werden. Nicht umsonst geht es bei uns schließlich um das beste Hobby der Welt. Also raus aufs Bike – Riding is therapy!


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Text: Valerio Kallmann Fotos: Diverse