Die meisten von euch werden wissen, wie viel ihr Bike wiegt. Wie steif es ist, kann jedoch kaum jemand sagen. Kein Wunder, denn das ist ein deutlich subjektiverer Wert. Er hängt stark von der Kombination der Komponenten ab und hat je nach Fahrsituation einen unterschiedlichen Einfluss. Doch bedeutet steifer automatisch immer besser?

Moderne Enduro-Bikes werden immer länger, flacher und … steifer? Die ersten beiden Attribute werden niemanden überraschen, aber auch das dritte ist durchaus richtig. Denn mit Carbon-Rahmen, Carbon-Parts, einteiligen Cockpits und Gabeln mit dickeren Standrohren ändert sich nicht nur die Geometrie, sondern auch die Nachgiebigkeit der Bikes.

Die neue Welle an Enduro-Gabeln mit dickeren 38-mm-Standrohren trägt ihren Teil dazu bei, dass Bikes immer steifer werden. Aber vor allem Carbon, das von modernen Enduro-Bikes nicht mehr wegzudenken ist, ist dafür verantwortlich. Die allermeisten neuen Rahmen werden daraus gefertigt und auch viele Komponenten wie Felgen oder Lenker werden aus der Kohlefaser hergestellt. Dabei ist vor allem die Gewichtsersparnis im Vergleich zu Alu das große Argument bei der Kaufentscheidung und viele der Highend-Ausstattungen sind mit den teureren Carbon-Parts versehen. In den Hintergrund rückt dabei meist die Nachgiebigkeit der Komponenten, die – im Gegensatz zum Gewicht – einen viel größeren Einfluss auf das Fahrverhalten hat.

Wie das in der Theorie funktioniert und welche Vor- und Nachteile Carbon oder Alu-Komponenten in der Herstellung oder dem Recycling haben, haben wir bereits in einem separaten Artikel für euch zusammengefasst. Für diesen Artikel hingegen geht es um die Performance auf dem Trail. Wie wirken sich steifere oder eben weichere Komponenten bei der Kurvenfahrt, dem Springen oder in einem fiesen Wurzelfeld aus? Sind Carbon-Parts immer präziser und ist das auch in jeder Fahrsituation ein Vorteil? Oder fallen euch irgendwann die Hände ab, während eure Kumpels mit Alu-Komponenten an euch vorbeifliegen?

Same, same, but different: So haben wir getestet

Für unseren Test haben wir zwei Specialized S-Works Stumpjumper EVO aufgebaut, um an ihnen verschiedene Laufradsätze, Lenker und Gabeln zu testen. Folgende Komponenten haben wir getestet.

Drei unterschiedliche Laufräder:

  • DT Swiss XMC 1200 SPLINE Carbon-Laufräder
  • DT Swiss EX 1700 SPLINE Alu-Laufräder
  • Zipp 3ZERO MOTO Carbon-Laufräder

Zwei unterschiedliche Gabeln:

  • RockShox ZEB Ultimate Charger 3.0 mit 160 mm Federweg (38-mm-Standrohre)
  • RockShox Lyrik Ultimate Charger 3.0 mit 160 mm Federweg (35-mm-Standrohre)

Zwei unterschiedliche Lenker:

  • TRUVATIV DESCENDANT Carbon-Lenker mit 800 mm Breite (35 mm Durchmesser)
  • TRUVATIV DESCENDANT Alu-Lenker mit 800 mm Breite (35 mm Durchmesser)

Zudem haben wir alle weiteren Komponenten der Bikes wie Reifen, Griffe, Vorbauten, Dämpfer und Antrieb angepasst, um exakt identische Voraussetzungen zu schaffen. Mit gleichbleibendem Fahrwerks-Setup und Reifendrücken haben wir dann auf einer definierten Teststrecke unsere Runden gedreht und Stück für Stück Gabeln, Lenker und Laufräder durchgewechselt.

Die richtige Kombination ist entscheidend

Steifigkeit hat in den verschiedenen Komponenten unterschiedliche Auswirkungen auf die Fahreigenschaften. Somit ist die Kombination der Parts, die man an seinem Bike fährt, entscheidend. Je nachdem, wie man steife und nachgiebige Parts kombiniert, bekommt man in unterschiedlichen Fahrsituationen höhere oder niedrigere Präzision. Auch die Kraftübertragung in Anliegern oder Kompressionen und das Feedback, das vom Boden an den Fahrer weitergeleitet wird, ändert sich. Und nicht zuletzt gibt es große Unterschiede in der Ermüdung, die sich beim Fahren einstellt, je nachdem wie steif die Parts sind. Es gibt also nicht das eine steife oder das ultimativ nachgiebige Bike. Jede Komponente trägt einen Teil dazu bei und hat eine eigene Auswirkung auf das Fahrgefühl. Aus diesem Grund listen wir hier jedes Teil einzeln auf, mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen sowie einer Analyse, welche Fahrer davon profitieren.

Laufräder: Alu, Carbon oder was dazwischen?

DT Swiss XMC 1200 SPLINE

Die DT Swiss XMC 1200-Carbonfelgen bieten die höchste Präzision der drei Kontrahenten und ein sehr direktes Feedback. Um schnelle Anlieger fliegt man förmlich herum und auch beim Pushen über Wellen kann man mit diesen Laufrädern massig Speed generieren. Das macht sie vor allem auf Flowtrails super spaßig. Auf technischeren Strecken muss man mit dem ungefilterten Feedback jedoch zurechtkommen, denn seitliche Impulse werden direkt an den Fahrer weitergeleitet und fordern, dass man sofort und gekonnt reagiert. Wenn man bereits etwas müde ist, muss man seine Geschwindigkeit also deutlich drosseln, um nicht abgeschmissen zu werden. In schnellen, ruppigen Passagen oder auf Bremswellen sind die XMC 1200 zudem recht hart für die Hände.

DT Swiss EX 1700 SPLINE

Die Alu-Laufräder im Test sind die DT Swiss EX1700. Sie sind in Kurven etwas schwammiger als ihre Kontrahenten und man spürt im Vergleich zu den Carbonfelgen deutlich den Flex, den sie in harten Kompressionen haben. Hier fehlt es etwas an Präzision und bei Anliegern oder Sprüngen geht im Vergleich zu Carbon Kraft verloren. In roughen Passagen ist es dafür mit ihnen einfacher, die Kontrolle zu halten, da nicht jeder Schlag direkt an den Fahrer weitergegeben wird und sich die Laufräder dem Boden anpassen. Dadurch sind sie weniger ermüdend zu fahren und auch nach einem langen Tag kann man noch entspannt durch das Steinfeld bügeln, ohne Sorgen vor unerwarteten Bewegungen des Bikes haben zu müssen. Durch die geringere Präzision ist es zwar schwieriger, die richtige Spur zu treffen – man kann sie dafür aber leichter halten, da die EX 1700 kleine Fahrfehler verzeihen.

Zipp 3ZERO MOTO

Die Zipp 3ZERO MOTO-Laufräder bestehen zwar aus Carbon, sie sind jedoch speziell auf Compliance – sprich Nachgiebigkeit – ausgelegt. Auf dem Trail kommen sie dem Fahreindruck eines Alu-Laufrads näher. Sie filtern Schläge ähnlich gut wie die DT Swiss EX 1700 Alu-Laufräder und sind damit auch auf rauen Strecken oder Bremswellen komfortabel. Das hilft an langen Tagen auf dem Bike, weil die Arme weniger stark ermüden. Trotzdem sind sie beinahe so präzise wie die DT Swiss XMC 1200. Statt das Beste aus beiden Welten zu vereinen, sind die Zipp-Laufräder ein gelungenes Mittelding. So bekommt ihr eine gute Präzision, aber auch angenehme Dämpfung und Laufruhe.

Lenker: TRUVATIV DESCENDANT Alu und Carbon

Auch bei den beiden Lenkern lassen sich ähnliche Unterschiede zwischen Alu und Carbon feststellen wie bei den Laufrädern. Der TRUVATIV DESCENDANT Carbon hat eine spezielle Carbon-Laminierung, die Vibrationen eliminieren soll. Dennoch bietet er wenig Flex und ist spürbar unkomfortabler als das Pendant aus Alu. Die Unterschiede bei der Präzision sind hier aber deutlich geringer als bei den Laufrädern. Somit ist der Carbon-Lenker hauptsächlich für ambitionierte Racer sinnvoll. Die Variante aus Alu bietet deutlich mehr Dämpfung und schont eure Hände auf ausgebombten Tracks. Hobby-Fahrer und alle, die keine Arme wie Arnold Schwarzenegger bei der Mr.-Universum-Wahl 1969 haben, profitieren hier von der weniger kräftezehrenden Fahrweise, ohne große Einbußen in Sachen Präzision zu haben.

Gabel: Gleiche Dämpfung, verschiedene Dicken

RockShox ZEB Ultimate Charger 3.0 160 mm

Die RockShox ZEB Ultimate hat 38 mm dicke Standrohre und somit andere Fahreigenschaften als die dünnere Lyrik. Die Luftkammer ist durch den größeren Durchmesser größer und benötigt somit weniger Druck. Auch die Steifigkeit ist höher, wobei hauptsächlich die Torsionssteifigkeit und Seitensteifigkeit erhöht ist – in Fahrtrichtung ist der Unterschied sehr gering. In gemäßigtem Terrain fühlt man kaum einen Unterschied zwischen den Gabeln. Erst wenn es an harte Lines mit vielen Schlägen und starken Kompressionen geht, spürt man, dass die ZEB mehr Präzision und Kontrolle liefert. Straightline-Fahrer, die gerne die härtesten Linien fahren, profitieren von diesen Eigenschaften. Allerdings verspringt die ZEB bei seitlichen Schlägen eher statt nachzugeben, was mehr und präziseren Input des Fahrers erfordert. Besonders für leichte Fahrer ist sie daher anspruchsvoller zu fahren. Auch wenn es nass und rutschig ist, benötigt die ZEB mehr Input vom Fahrer, um auf der richtigen Linie zu bleiben.

RockShox Lyrik Ultimate Charger 3.0 160 mm

Die dünnere RockShox Lyrik Ultimate hat einen Standrohrdurchmesser von 35 mm. Beide Gabeln haben die neue Charger 3.0-Dämpfungskartusche eingebaut, wodurch die Hauptunterschiede von der erhöhten Steifigkeit kommen. Durch die schlankere Bauweise ist die Lyrik etwas nachgiebiger, was sie einfacher zu fahren macht, besonders für leichte Fahrer. Bei Wurzel- oder Steinfeldern gibt sie seitlichen Schlägen nach und lässt sich dadurch nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Man muss also nicht ganz so aufmerksam fahren, da Unebenheiten auf dem Untergrund nicht so direkt an den Fahrer weitergegeben werden. Aus diesem Grund ist die Lyrik auch nach einem langen Tag auf dem Bike einfach und sicher fahrbar. In starken Kompressionen oder bei schnell aufeinanderfolgenden Schlägen werden jedoch vor allem schwerere Fahrer die Verwindung in der Gabel spüren. In rauen Highspeed-Wurzelpassagen büßt man dadurch etwas an Präzision ein.

Erkenntnisse und Spec-Empfehlungen

Viele Eigenschaften, die man für gewöhnlich mit einem leichten Bike verbindet – das eben oft viele Carbon-Komponenten besitzt –, rühren nicht vom Gesamtgewicht des Bikes. Sie hängen stattdessen mit seiner Steifigkeit zusammen. So sind Agilität, Leichtfüßigkeit, Präzision, aber auch Nervosität und Unruhe bei hohen Geschwindigkeiten nur zu geringem Maße dem Gewicht zuzuschreiben. Die Gründe liegen vielmehr in den einzelnen Komponenten und dem dazugehörigen Rahmen. Hier zählt also die richtige Kombination, denn eine zu steife Zusammenstellung macht eben so wenig Sinn wie eine zu weiche. Zudem haben der Einsatzbereich, der Fahrstil und vor allem das Fahrergewicht einen großen Einfluss auf euer Empfinden. Im Folgenden haben wir sinnvolle Kombinationen für unterschiedliche Fahrer zusammengefasst.

Für Komfort und Trailspaß

Für Hobbyfahrer, für die der Spaß auf dem Trail an oberster Stelle steht und denen es nicht um Bestzeiten geht, ist die Kombination aus Alu-Laufrädern, Alu-Lenker und Lyrik-Gabel sinnvoll. Damit hat man auch nach einem langen Tag auf dem Bike am wenigsten Probleme mit Armpump oder schmerzenden Händen, und kleine Fahrfehler werden von den nachgiebigen Komponenten geschluckt. Dafür muss man die geringere Präzision in Kauf nehmen und beim aktiven Pushen durch Anlieger und Wellen wird nicht so viel Speed generiert wie mit einer steiferen Kombination.

Für die schnellsten Rennzeiten und Flowtrail-Enthusiasten

Wer gerne auf flowigen Trails unterwegs ist oder auf der Jagd nach der letzten Millisekunde ist und jede Bewegung präzise auf den Trail bringen möchte, der profitiert von Carbon-Laufrädern, Carbon-Lenker und ZEB-Gabel. Man benötigt in roughen Passagen zwar die Fitness und die Fahrskills, um mit dem super direkten Feedback der steifen Komponenten umzugehen. Dann profitiert man allerdings von der hohen Präzision und verliert keinen Schwung in die Verwindung von Parts in Anliegern oder harten Kompressionen.

Für (Bikepark-)Shredder und schwere Fahrer

Seid ihr viel im Bikepark unterwegs und verlangt euren Laufrädern den ein oder anderen Einschlag ab? Oder bringt ihr durch euer Gewicht etwas mehr Belastung für das Material mit? Dann braucht ihr ein sorgenfreies Setup. In dem Fall bietet sich ebenfalls ein Lenker und Laufradsatz aus Alu an. Diese Kombination verzeiht den ein oder anderen Fahrfehler und im Falle des Falles kann man auch mit einer leicht verbogenen oder eingedellten Felge fahren, ohne dass es ein Totalausfall wird. Kombiniert mit der steiferen ZEB-Federgabel bietet dieses Setup dennoch ausreichend Steifigkeit und Präzision.

Allround-Setup für ambitionierte Fahrer

Wer ein Setup sucht, das alles mitmacht, hohe Präzision bietet und trotzdem eine solide Dämpfung hat, ist mit den Zipp-Laufrädern gut beraten. Die sind steif genug, um in Anliegern oder Kompressionen weniger nachzugeben, aber trotzdem komfortabel genug, um den ganzen Tag armpumpfrei gefahren zu werden. Fahrer unter 85 kg sind dabei mit der Lyrik gut beraten, schwerere Fahrer tun gut daran, zur ZEB zu greifen. Zusammen mit einem dämpfenden Alu-Lenker hat man eine solide Kombination, die für ambitionierte Hobby-Racer oder Trail-Shredder super geeignet ist.

Steifer bedeutet nicht automatisch besser! Aber steif ist auch nicht gleich steif. Die Kombination unterschiedlich steifer Komponenten erzeugt komplett verschiedene Fahreigenschaften – so kann man sein Bike auf seine Vorlieben oder seinen Fahrstil zuschneiden. Soll es lieber ein steifes, präzises, aber anspruchsvoll zu fahrendes Bike sein? Oder ist für euch wichtig, dass es leicht zu fahren, komfortabel und nachgiebig ist? Irgendwas dazwischen ist natürlich auch denkbar. Ihr habt es in der Hand!


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Text: Simon Kohler Fotos: Peter Walker

Über den Autor

Simon Kohler

Simon liebt Geschwindigkeit. Als Downhill Skater ist er lange Zeit Rennen gefahren und mit seinem Longboard Alpenpässe runtergeknallt. Inzwischen hat er vier gegen zwei Reifen eingetauscht und heizt jetzt mit seinem Mountainbike auf Trails und Bikepark Lines. Bei verschiedensten Roadtrips durch die Alpen hat er seither einige der feinsten Trails Europas ausgekostet. Da er einige Zeit in Österreich gelebt hat, kennt er zudem die lokalen Bikeparks wie seine Westentasche. Durch sein Ingenieurstudium und seine Liebe zum Detail ist er ein echter Technik-Nerd und testet jetzt als Redakteur die aktuellsten Bikes und Parts auf Herz und Nieren. Als Frühaufsteher und selbsterklärter Müsli-Connaisseur lebt er sein Leben frei nach dem Motto „Powered by Oats. And also Legs.“