„The Sentinel“ – Neuartige High-End-Gabeldichtungen bei Kickstarter
Die Kickstarter-Kampagne für die Sentinel Fork Seals der Dämpferklinik in Tübingen hatten wir bereits vorgestellt – die neuen Dichtringe wurden viel diskutiert. Jetzt waren wir vor Ort und haben uns genauer über das Produkt und die Macher informiert. Mit einem Gehäuse und bis zu vier darin einlegbaren Inserts, die die eigentliche Abdichtung garantieren, unterscheiden sich die Sentinel Wipers grundlegend von allen bisherigen Gabeldichtungen und versprechen ein deutlich besseres Ansprechverhalten. Noch 29 Tage habt ihr die Gelegenheit, das Projekt auf Kickstarter zu unterstützen.
Die Macher
Die Dämpferklinik in Tübingen ist eine kleine, aber feine Werkstatt, die seit inzwischen acht Jahren den Service für und die Anpassung von Federungskomponenten vor Ort vornimmt. Mit wachsender Bekanntheit wurde auch der Maschinenstall der Firma immer größer, sodass immer mehr Werkzeuge und Kleinteile selbst gefertigt oder von hochwertigen Zulieferern zugekauft werden konnten, um die bestmögliche Funktion von Gabeln und Dämpfern zu erreichen.
Die Funktionsweise der traditionell eingesetzten Staubabstreifer an Federgabeln waren den Inhabern Steffen Dittmar und Melanie Keding schon länger ein Dorn im Auge. Nach einigen Nachfragen von verschiedenen Kunden entschlossen sich die beiden, nach einer besseren Lösung zu suchen – Steffens Bachelor-Abschluss in Chemie war hier eine große Hilfe, da er dadurch bereits über Kenntnisse in Materialkunde verfügte. Am Ende dieser Bemühungen steht nun der Sentinel, der über Kickstarter von jedermann mitfinanziert werden kann.
Der Sentinel – Aufbau
Der größte Nachteil der bisher verbauten Gabelabstreifer ist, dass sie durch ihre Gummidichtlippen eine sehr hohe Reibung verursachen, die eine oft unterschätzte, negative Wirkung auf das Ansprechverhalten der Federgabel hat. Von Anfang an war für die Entwickler der Sentinel Wipers daher klar, dass eine deutlich verbesserte Performance nur dann erreichbar ist, wenn das konventionelle Material Gummi durch einen hochwertigen reibungsarmen Kunststoff abgelöst werden könnte. Dies ist allerdings nur über eine Änderung der Bauart in eine mehrteilige Konstruktion möglich. Denn durch die einteilige Bauart läuft es bei den bisher verwendeten Abstreifern immer auf einen Kompromiss hinaus: Als Material wird hier Gummi verwendet, der generell eine hohe Reibung besitzt, jedoch auch flexibel genug ist, um Toleranzen der Gabel auszugleichen. Die Herangehensweise der Sentinel Wipers ist von Grund auf anders: Die Inserts müssen in der beweglichen, mehrteiligen Konstruktion nicht mehr die Fertigungstoleranzen und die Verwindung der Gabel ausgleichen, sondern sollen ausschließlich eine möglichst gute Abdichtung bei wenig Reibung bewerkstelligen. Dadurch könnten sie eine deutlich bessere Performance bieten, dessen waren sich Melanie und Steffen sicher.
Aus diesem Grundgedanken entstand die Konstruktion des Sentinel: Die Beweglichkeit der Inserts im Gehäuse kann Fertigungstoleranzen in der Gabel ausgleichen. Ein eingearbeiteter Verstärkungsring sorgt dafür, dass das Gehäuse die Form beibehält und sicher in der Gabel bleibt. Dabei kommen insgesamt bis zu vier Inserts zum Einsatz, die die eigentliche Aufgabe des Bauteils, nämlich das Abdichten der Gabel, übernehmen. Alle vier werden in Nuten in das Gehäuse eingelegt, wo sie von kleinen Nasen (lateral seals) abgedichtet werden. Die oberste, nach außen abschließende Dichtung hat eine L-Form und schließt an der Oberseite mit dem Gehäuse ab, um ein Festsetzen von Schmutz oder Wasser zu verhindern.
Sowohl das Gehäuse als auch die Inserts werden aus PU (Polyurethan), einem genau auf den vorgesehenen Einsatzbereich anpassbaren Polymer, gefertigt. Aufgrund ihrer verschiedenen Aufgaben werden die unterschiedlichen Bauteile aus jeweils spezifisch optimierten PU-Varianten gefertigt.
Funktion des Gehäuses
Das Gehäuse ist elastisch genug, um leicht in die Gabel eingebaut werden zu können. Der umspritzte glasfaserverstärkte Ring fixiert das Gehäuse fest in der Gabel. Die Aufnahme für das oberste Insert ist nach oben hin offen, sodass der Ring plan mit der Oberseite des Gehäuses abschließt und an der Seite ein 0,3 mm großer Spalt entsteht, durch den das Insert mit dem Gehäuse abdichtet.
Funktion der Inserts
Natürlich stellt sich die Frage, warum genau vier Inserts zum Einsatz kommen. Jeweils zwei davon übernehmen eine gemeinsame Aufgabe: Die oberen beiden halten Schmutz und Flüssigkeiten außerhalb der Gabel, die unteren zwei sorgen dafür, dass das Schmieröl innerhalb der Gabel bleibt.
Ein Insert pro Einsatzzweck wäre hierfür im Grunde ausreichend. Um auf Nummer sicher zu gehen, wird jedoch eines verbaut, um die eigentliche Aufgabe zu erfüllen, während das zweite als Fail-Safe die Aufgabe des ersten verstärkt, sollten dennoch winzigste Schmutzpartikel eindringen, wie das bei jeder Dichtung der Fall ist. Will man die Gabel auf möglichst sensibles Ansprechverhalten, beispielsweise für den Race-Einsatz, optimieren, kann sie auch einfach mit nur zwei Inserts, wovon eines nach außen und eines nach innen abdichtet, gefahren werden.
Alle Inserts sitzen in Nuten und werden durch kleine Nasen darin abgedichtet. Durch die Bewegungsfreiheit der Inserts in den Nuten können sie sich in geringem Maße verschieben, um so Toleranzen zu kompensieren. Außerdem verhindern die Nasen, dass sich Schmutz und Öl hinter den Inserts vorbeischieben können und so an eine Stelle gelangen, wo sie nicht hinsollen.
Die Inserts liegen in einem definierten Winkel an den Standrohren an, damit sie möglichst effektiv in die jeweilige Richtung abdichten und gleichzeitig nur minimal Reibung erzeugen.
Fertigung
Die Fertigung der Sentinel Wipers wird komplett in Deutschland, genauer gesagt in der Dämpferklinik stattfinden. Hierfür kommt eine Boy 22 E-Spritzgussmaschine zum Einsatz, mit der alle Teile direkt hergestellt werden können. Hierdurch ist auch eine kurzfristige Anpassung der Produkte jederzeit möglich, da alle Geräte vor Ort sind, um die Spritzgussformen anzupassen – damit ist die Dämpferklinik unabhängig und flexibel.
Die Kickstarter-Kampagne
Nachdem das Konzept stand, stellte sich die Frage, wie die beiden Erfinder das Projekt finanzieren könnten. Das Problem war, dass zwar die Fertigung in der Spritzgussmaschine an sich keine hohen Kosten aufwerfen würde, hierfür jedoch zuerst Formen notwendig wären, die die Fertigung ermöglichen. Die Herstellung dieser Formen stellt den größten Kostenfaktor dar, der durch die Kickstarter-Kampagne gedeckt werden soll.
Die Sentinel Wipers sollen außerdem für alle gängigen Gabelmodelle angeboten werden, sodass fünf Formen für jeden Standrohrdurchmesser notwendig sind. Da die Kosten für deren Fertigung als Anschubfinanzierung alleine nicht zu stemmen waren, entschlossen sich Steffen und Melanie, das nötige Geld per Kickstarter zu sammeln.
Der Vorteil der Kickstarter-Kampagne ist, dass den Unterstützern die Kosten nur dann entstehen, wenn das angegebene Ziel von den Entwicklern auch erreicht wird. Außerdem ist, etwas versteckt, Lastschriftzahlung möglich, sollte man über keine Kreditkarte verfügen.
Mehr Informationen über das Projekt gibt es auf Kickstarter und auf der Homepage der Dämpferklinik.
Text: Martin Stöckl Bilder: Klaus Kneist
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