Was ist los in der Enduro-Szene? Eine frustrierende EDR-Rennsaison, Factory-Teams, die ihre Auflösung verkünden und Profis, die auf der Straße stehen. Zudem geht das hartnäckige Gerücht durch die Szene, dass der EDR bald ein Ende findet. Wir haben mit Team-Managern, Racern und Organisatoren gesprochen, um den aktuellen Umbruch zu verstehen und herauszufinden, ob Enduro-Rennen ausgedient haben.

Let’s face it: Enduro-Racing steht am größten Wendepunkt seit seiner Entstehung. Unzählige Profi-Teams haben ihr Ende verkündet, und glaubt man dem hartnäckigen Gerücht in der Szene, gibt es schon in wenigen Jahren keinen EDR mehr und es wird nur noch auf E-Bike-Racing gesetzt. Aber was sind die Gründe für den Wandel und warum hat sich der beste Sport der Welt für manche zum Albtraum entwickelt?

Professionelles Enduro-Racing hat sich stark gewandelt! Die einst langen Tage an faszinierenden und unbekannten Orten sind zu einem Multi-Stage-Downhill-Rennen im Bikepark geworden, und der einsame Team-Mechaniker und sein kleiner Pavillon sind teils großen Team-Trucks und einer ganzen Armada an Personen gewichen. Der Enduro-Rennsport hat sich weiterentwickelt und ist professioneller geworden. Was auf den ersten Blick keine schlechte Sache ist, hat für viele jedoch den einst so hippen Spirit der Enduro-Rennen in Frust verwandelt.

Doch nach der zunehmenden Professionalisierung und Kommerzialisierung kommt der unerwartete Schock: Plötzlich stehen unzählige Top-Fahrer auf der Straße, ihre Teams haben sich aufgelöst und die Aussichten auf einen neuen Sponsorenvertrag sind schlecht, denn die Bike-Industrie ist knapp bei Kasse. Mal ganz abgesehen von dem hartnäckigen Gerücht, dass der Enduro Worldcup kurz vor dem Aus steht.

Die letzten Jahre haben wir uns als ENDURO-Magazin immer weiter aus der Rennszene zurückgezogen, und doch mussten wir mit Ernüchterung feststellen, dass niemand die momentane Lage des professionellen Enduro-Sports thematisiert oder über die hartnäckigen Gerüchte und die fragliche Zukunft berichtet. Darum haben wir unsere lange Funkstille zum Thema Enduro-Racing-Berichterstattung gebrochen und melden uns wieder zu Wort. Aber nicht, um auf anderen herumzuhacken, die während unserer medialen Abwesenheit hart am Erfolg des Enduro-Racing-Sports gearbeitet haben, sondern um die Aufmerksamkeit unserer Leser zu wecken und der Industrie positive Denkanstöße zu vermitteln. Denn es muss sich etwas ändern, bevor unser geliebter Sport ein mögliches Ende findet.

Unzählige Stunden lang haben wir Telefonate geführt, uns mit Insidern getroffen, E-Mails geschrieben, ENDURO-Leser aus aller Welt befragt, um uns ein Bild der momentanen Lage zu machen – und einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Vom Enduro-Super-Star Jack Moir – der 2021 die EWS-Saison für sich entscheiden konnte – bis zum Local Hero Max Pfeil, der zwischen seiner Arbeit durch die Welt jettet und beeindruckende EDR-Ergebnisse eingefahren hat. Auch mit Industrie-Insider und Fotograf Sven Martin haben wir gequatscht, denn er hat seit der Gründung der EWS 2013 jedes Rennen der Serie begleitet und tiefe Einblicke in die Szene. Gleiches gilt für Jerome Clementz, der als Sieger der ersten EWS-Saison reichlich Erfahrung mitbringt und inzwischen seine eigene Rennserie in Frankreich gegründet hat. Aber auch mit Racer und Team-Manager des Ibis Factory-Teams Robin Wallner haben wir beinahe zwei Stunden lang gesprochen, denn nach dem Aus seines Teams stehen viele seiner Fahrer auf der Straße. Auch die deutsche Racerin Ines Thoma war von Anfang an bei der EWS dabei und hat in der vergangenen Saison sehr erfolgreich einige Rennen des E-EDR bestritten. Zudem haben wir mit dem CEO von Bosch E-Bike Systems Claus Fleischer über die Entwicklung des E-Rennsports, mögliche Formate und den Einfluss des Sports auf die Jugend gequatscht, während wir im Bosch-HQ zu Besuch waren.

Selbstverständlich haben wir auch den Gründer der EWS und nun Vizepräsident für Radveranstaltungen bei WBD Chris Ball und die Head of Communications der UCI Mountain Bike World Series Kate Ball kontaktiert und unzählige E-Mails ausgetauscht, auch wenn sie uns am Ende keine spezifischen Fragen zu dem Thema beantworten wollten (oder konnten) und weder bestätigt noch verneint haben, dass der EDR nach der Saison 2025 fortgesetzt wird. Zusätzlich haben über 900 interessierte Leser in unserer digitalen Umfrage ihre Meinung zur momentanen Lage des EDR abgegeben und uns ihr Interesse für die nächsten Jahre geschildert.

Die Entstehung der Enduro World Series und der Wandel zum Enduro Worldcup

Um die Thematik zu verstehen, muss man ganz vorne anfangen. Bei den guten alten Zeiten eben, auf die gerade viele zurückblicken. Chris Ball war der Mann der Stunde, der kurzerhand die UCI und seinen Job als Kommissar aufgab, um Ende 2012 die Enduro World Series zu gründen. Zudem bekam die EWS Unterstützung von der Enduro Mountain Bike Association – kurz EMBA –, die mit Hilfe der Industrie die Belange der Fahrerinnen und Fahrer reflektiert und vertreten hat. Neben Chris Ball selbst gehören hier auch Enrico Guala und Fred Glo dazu, die als Gründer der italienischen SuperEnduro-PRO-Serie bzw. der französischen Enduro-Serie einiges an Erfahrung haben. Auch der Crankworx Event-Manager Darren Kinnaird war Teil des Teams. Zudem waren Firmen wie Santa Cruz, SRAM und FOX sowie Racer rund um Tracey Moseley und Jerome Clementz Teil von EMBA und hatten Einfluss auf die Entwicklung des Sports. Die EMBA hat sich im Laufe der Jahre dann zur ESO – Enduro Sports Organisation – umgewandelt, die den meisten aktiven Racern ein Begriff sein sollte.

Im italienischen Punta Ala fiel 2013 dann der Startschuss der EWS. Die Saison bestand aus einem Zusammenschluss vieler einzelner Rennen, die sich über zwei Kontinente erstreckt haben. So ging es bereits im ersten Jahr in die USA und zum Crankworx-Festival nach Whistler. 2014 gab es dann neben den Klassikern wie Finale Ligure und Whistler auch einen Stop in Chile. Der Abenteuer-Charakter der Rennen und die faszinierenden Locations haben der EWS ihren legendären Flair verpasst und für schnelles globales Wachstum gesorgt. Denn jedes Jahr standen neue und verrückte Stops auf der Liste – an Orten, an denen nur die wenigsten bis dato zum Biken waren.

Auch wir als ENDURO-Magazin haben uns im Deathgrip in den Sport gestürzt, und die EWS hat maßgeblich zu unserer Gründung und Namensgebung beigetragen. Damals gab es Vergleichstests zum besten EWS-Race-Bike 2014, die wir zusammen mit Ruben – dem Gründer von RAAW Mountainbikes – und der Unterstützung von Enrico Guala in Finale Ligure durchgezogen haben. Oder das waghalsige Experiment, als unser Redakteur Trev kurzerhand für Jerome Clementz im Cannondale Factory-Team eingesprungen und für ein Wochenende in einem professionellen EWS-Team gefahren ist. Natürlich gab es auch ordentlich Race-Content, inklusive Ergebnislisten und Foto-Highlights, und auch wenn ihr solchen Content nun vergeblich bei uns sucht, haben wir den Sport nie aus den Augen verloren.

Während Enduro-Racing zu dieser Zeit vor allem von den jungen Profis noch etwas belächelt wurde und als der letzte Schritt vor dem Ruhestand galt, haben sich auf der Gegenseite Profis aus ganz unterschiedlichen Disziplinen zusammengefunden, und Szene-Stars wie Steve Peat, Greg Minnaar und Nino Schurter sind gegeneinander bei der EWS angetreten. Denn die EWS hat viele MTB-Disziplinen miteinander verschmelzen lassen und die Sportler wieder näher zusammengebracht. Die Abwechslung und der Enduro-Spirit während der langen Tage auf dem Bike haben Interesse geweckt und für stetig steigende Beliebtheit gesorgt. Schnell hat sich die EWS etabliert und den flüchtigen Gedanken vom „Rentner-Rennen“ abgelegt.

Die steigende Beliebtheit hat natürlich auch in der Industrie für ordentlich Aufsehen gesorgt, der Enduro-Spirit ist übergesprungen und viele Marken hatten Bock, sich zu engagieren. Es gab mehr Unterstützung für die Fahrer und Teams, mehr Publicity und die Regeln wurden geschärft. Spezielle Bikes und Komponenten wurden entwickelt und der Enduro-Trend war in vollem Gange. Viele neue Locations standen auf dem Plan, denn jeder wollte ein EWS-Rennen ausrichten und der Welt zeigen, was für geile Trails man vor der Tür hat. Mit steigender Professionalität sind selbstverständlich auch die Kosten nach oben gegangen, was wir bereits 2015 in einem spannenden Interview mit Veranstaltern rund um den Globus beleuchtet haben. Zudem gab es über die letzten Jahre immer mehr Anpassungen am Rennformat, um es für Zuschauer und vor allem die TV-Übertragung zu optimieren.

Ab 2018 gab es dann auch unzählige Quali-Events auf der ganzen Welt, um Fahrern zu ermöglichen, sich für eine EWS zu qualifizieren. Hinzu kamen ab 2019 dann auch die EWS 100 und EWS 80, die Fahrern ermöglichten, am selben Wochenende wie die Profis die gleichen oder leicht verkürzte Strecken eines EWS-Stops zu fahren, den Vibe der EWS zu erleben und eine weitere Möglichkeit zu haben, sich für einen Startplatz bei den Profis zu qualifizieren. Diese Events waren teils binnen weniger Minuten vollständig ausgebucht, und einen Startplatz zu ergattern, glich einem Sechser im Lotto. Aber natürlich bedeuteten die vielen parallel stattfindenden Rennen aus verschiedenen Klassen auch einen extremen Mehraufwand für die Organisatoren und Veranstalter, ein solches Event zu hosten.

Stück für Stück wurden die Events kürzer. Aus vielen zweitägigen Rennen wurden Eintagesrennen plus einer Pro-Stage, die am Vortag ausgetragen wurde. Locations haben sich oft wiederholt und selbst die Stages waren vielen bereits bekannt, da auf ihnen schon im Vorjahr Rennen gefahren wurden.

Zum Ende der Saison 2022 kam dann eine große Veränderung, die von den meisten Racern sehr positiv und optimistisch aufgenommen wurde: Die Enduro World Series, wie sie bis dato bestand, wurde nicht mehr nur überwacht – wie es die Jahre zuvor war –, sondern nun offiziell von der UCI übernommen und in UCI Mountain Bike Enduro World Cup – oder kurz EDR – umbenannt.

Sprich, das Reglement entsprach von nun an den Richtlinien der Union Cycliste Internationale, und es ging zum ersten Mal in der Geschichte des Enduro-Rennsports um einen offiziellen Weltmeistertitel und das begehrte Regenbogentrikot. Zusätzlich wurde auch der E-EDR (zuvor EWS-E) im Kalender aufgenommen. Zudem hat im selben Zuge Red Bull seine langjährigen Übertragungsrechte an WARNER BROS. DISCOVERY SPORTS – kurz WBD – abgegeben, die unter anderem auch die Übertragungsrechte für die FIM – also den Motorrad-Weltverband – haben und mit Eurosport, GCN+ und Discovery+ einiges an Reichweite versprachen. Mit diesen geänderten Strukturen hoffte man also auf reichlich zusätzliche Sichtbarkeit und Publicity, auch wenn wir als Zuschauer nun zum ersten Mal Geld bezahlen mussten, um den Pros live beim Rennenfahren zuschauen zu können. Die beiden Kernelemente – sprich Organisation und Übertragung – lagen ab der Saison 2023 nun also bei UCI und WBD. Damit rollte Enduro nun in einer Liga mit dem Downhill- und Cross-Country-Worldcup. So zumindest die Hoffnungen.

Der erste UCI Enduro World Cup 2023 – Aufbruch oder Abbruch?

Für das erste Jahr des UCI Mountain Bike Enduro World Cups standen dann zwei Stops in Australien und fünf Rennen in Europa auf dem Plan. Allesamt Eintagesrennen, was zur besseren Übertragbarkeit beitragen soll. Viele Fahrer – unter anderem Jack – haben das positiv aufgenommen, denn die Fans sollten davon profitieren und die Beliebtheit des Sports damit wachsen. Allerdings sind zum Jahreswechsel auch die Anmeldegebühren für ein UCI-Rennteam verdreifacht worden. Dafür gab es einige Events, die gemeinsam mit dem Downhill- und Cross-Country-Worldcup ausgeführt werden sollten und so Ressourcen sowohl der Teams als auch der Veranstalter – zumindest in der Theorie – gebündelt werden können.

Während die ersten beiden Rennen in Maydena und Derbie ein Grund auf solider Start, mit guter Orga, informativen und schnellen Video-Recaps und einer Menge Zuschauern waren, kam dann in Leogang die Ernüchterung für viele. Das erste gemeinsame Event mit Downhill- und Cross-Country hat deutlich gezeigt, dass Enduro zur Randveranstaltung verkommt: Team-Pits weit ab vom Geschehen, schlechte Kommunikation der Organisatoren, ein Rennen, von dem fast niemand etwas mitbekam, und Stages, die primär im Bikepark ausgeführt wurden.

Auch die beiden letzten Rennen in Loudenvielle und Chatel haben für Frust in den Enduro-Pits gesorgt. Eine schlechte Kommunikation der Veranstaltung, unzählige Planänderungen und Kontroversen um fehlende Strecken-Marshalls und -Taping, die Racern wie Jack Moir wertvolle Punkte – oder eventuell sogar den Tagessieg – gekostet haben. Während auf der anderen Seite Sprünge auf den Stages abgetapt wurden, um sie für jedermann fahrbar zu machen, was beim Warp-Speed der Profis aber schnell richtig gefährlich sein kann und man sich fragt, warum bei einer Profi-Serie auf sowas Rücksicht genommen wird, zumal wir hier nicht von massiven Sprüngen im FEST-Series-Style reden, sondern von kleinen Hüpfern.

Zum Ende der Saison dann die Hiobsbotschaften: Hersteller wie Ibis, Devinci, GT und Polygon stellen ihre Enduro Factory-Teams ein, und glaubt man den Gerüchten, wird es auch noch viele weitere Teams und Fahrer treffen. Zudem sieht man Fahrer wie Richie Rude oder Adrian Daily bei DH-Worldcups antreten und neue – oder eben altbekannte – Disziplinen ausprobieren. Man sollte aber auch bedenken, dass solche Entscheidungen oftmals mit viel Vorlaufzeit getroffen werden und teils schon zum Saisonstart Gespräche dazu laufen. Dennoch hat uns auch Robin Wallner als Team-Manager des ehemaligen Ibis Factory-Teams bestätigt, dass der Verlauf der Saison und die kursierenden Gerüchte die Entscheidung im Nachhinein plausibler darstellen, auch wenn für viele hier eine Ära zu Ende geht.

Grass Roots Enduro-Racing boomt, aber hat der Profisport ein Problem?

Innerhalb weniger Minuten sind die meisten Enduro-Rennen rund um den Globus ausverkauft und das zeigt deutlich, welch extreme Beliebtheit der Enduro-Sport hat. Wer an einem Rennen teilnimmt, bekommt nicht nur viel Fahrzeit mit langen Stages, sondern vor allem ein unvergessliches Erlebnis und eine geile Zeit mit seinen Bike-Buddies. Zudem besitzen die meisten von uns ein Bike, mit dem sich ein Enduro-Rennen bestreiten lässt, ohne dass man spezielle Anpassungen vornehmen oder gar ein extra Bike kaufen muss.

Gute Trails und eine geile Zeit animieren die Leute dazu, ein Enduro-Rennen zu fahren, und der Amateur-Sport boomt wie nie zuvor. – Jerome Clementz

Jeder kennt, fährt und liebt Enduro und nahezu jede Bike-Firma hat ein Enduro-Bike im Portfolio. Zudem hat die Disziplin viele Leute erst in den Sport gebracht und ihr Interesse geweckt. Dennoch gehen die Verkaufszahlen unaufhaltsam in Richtung E-MTB, und schaut man sich z. B. die Verkaufszahlen von 2022 in Deutschland an, dann verkauft die Bike-Industrie fast das 9-Fache an MTBs mit Motor im Vergleich zu analogen MTBs. Die Tendenz ist also überdeutlich. Auch klar, dass das Interesse der Industrie an E-MTB-Racing zunimmt und bei Budgetkürzungen – wie wir sie gerade erleben – der analoge Enduro-Rennsport weit oben auf der Liste steht. Denn die Industrie hat mit Insolvenzwellen aufgrund branchenweiter Liquiditätsprobleme zu kämpfen, die auf die überfüllten Lager zurückzuführen sind – Nachwehen der zu optimistischen Bestellungen während des Corona-Bike-Booms. Aus Sicht der Bike-Firmen muss man sich also fragen, wie viel Geld man noch in den Enduro- und vor allem Profi-Enduro-Sport investieren kann und will. Denn der Sport hat sich etabliert und wenn das Geld knapp wird, kommt schnell die Frage auf, welchen Impact eine Rennserie wie der EDR noch hat und ob sich ein Investment über lange Zeit rentiert.

Eine professionelle Rennserie wie der UCI Mountain Bike Enduro World Cup kostet ordentlich Kohle, das ist klar. Aber woher kommt der Schotter dafür und lohnt es sich sowohl für die Veranstalter als auch für die Sponsoren überhaupt? Einerseits schmeißt natürlich keiner gerne Geld zum Fenster raus, aber andererseits lassen sich Aspekte wie die Markenidentität schlecht schwarz auf weiß messen.

Auf Team-Sponsoren wie Bike-Hersteller kommen große Kosten zu, denn nicht nur die Anmeldegebühren sind gewachsen. Mit der steigenden Professionalität des Sports werden auch die Teams stetig größer. Wo früher meist nur ein Mechaniker für gleich mehrere Fahrer zuständig war und aus einem kleinen Pavillon neben dem Sprinter operiert hat, stehen heute massive Team-Pits, Physiotherapeuten, Köche und eigene Filmer, Fotografen und anderes Personal zur Verfügung, die die Rennfahrer an einem Wochenende bestmöglich unterstützen. Ziel neben möglichst guten Ergebnissen ist natürlich auch eine maximale Sichtbarkeit für die Sponsoren, um die Marke zu stärken und ihre Produkte zu vermarkten.

Aber auch die Organisatoren vor Ort haben mit steigenden Kosten zu kämpfen. Schon 2015 hat uns Brandon Ontiveros als Organisator der EWS-Runde in Crested Butte aufgelistet, was auf ihn zukommt und viele eventuell gar nicht in Betracht ziehen.

„Genehmigungen und Lizenzen sind teuer und umständlich zu bekommen, und auch die Shuttles sind ein enormer Posten (es geht hier immerhin um mehrere hundert Racer und über 50 Medienvertreter). Dann wären da noch die medizinische Versorgung, der Such- und Rettungsdienst, Funk- und Satellitentechnik, Versicherungskosten, staatliche Gebühren, die Ausschanklizenz, das Catering, die Miete für allerlei Equipment, Recyclingkosten, Marketing, das Zeitmessungssystem, das Non-Profit-Budget und Spenden, die Versorgung auf der Strecke, der Fuhrpark, der Registrierungs- und Ergebnisservice, das Musik- und Rahmenprogramm, Startnummern und Trikots, Transponder-Chips, Preise und Pokale, Preisgelder, Karten, Programmhefte, Merchandising und Kleidung, EWS-Gebühren und so weiter und so fort.”

Über die Jahre hinweg haben sich mit steigender Professionalität die Kosten für ein solches Event vervielfacht. Das schreckt schlichtweg viele Veranstalter ab, mal ganz davon abgesehen, dass viele Locations weder die Personalkraft noch den Platz haben, einen EDR zu hosten. So fegt es vor allem die kleinen und unbekannten Locations aus dem Rennkalender, die der EWS einst ihren Flair verpasst haben.

Wohin nachher Startgebühren und Co. fließen, ist reine Spekulation. Fakt ist aber, dass der EDR inzwischen eine riesige Organisation hinter sich hat und eine Menge verlangt, aber vergangene Saison nicht abgeliefert hat. Zumal beim Zusammenführen von Events – wie es z. B. in Leogang oder Port du Soleil der Fall war – die Kosten und der Aufwand geringer sein sollten. Alles in allem ist das mehr Kohle für eine größere Organisation bei schlechterem Output.

Die eigentliche Übertragung – und vor allem die Live-Übertragung – ist mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Großteil des Profits von WBD in diesem Bereich zuständig. Dass deshalb der Enduro-Rennsport – der bis dato keine Live-Übertragung gesehen hat – in den Hintergrund wandert, ist nachvollziehbar, denn die Übertragbarkeit ist wesentlich aufwändiger als es vergleichsweise bei Downhill oder Cross-Country der Fall ist. Weite Distanzen, abgelegene Strecken und ein großes Starterfeld, das teils gleichzeitig auf unterschiedlichen Trails unterwegs ist. Auch Foto- und Videokanäle wie YouTube oder Social-Media spielen eine große Rolle im heutigen Profisport, und die Ansprüche der Zuschauer an qualitativ hochwertigen Content sind enorm. Das kostet ordentlich Ressourcen und Geld. Zumal die Aufmerksamkeitsspanne der heutigen Zuschauer – und da können wir uns alle an die eigene Nase fassen – meist gering ist und das Event schon nach wenigen Tagen seine Relevanz verliert.

Das stellt Organisatoren, Veranstalter und Sponsoren vor große Herausforderungen und benötigt viel Engagement. Wenn dann in so unsicheren Zeiten eine Rennserie wie der EDR nicht abliefern kann und das Resultat nach einer Saison enttäuschend ausfällt – vor allem, wo es in den Jahren zuvor günstiger und besser war – werden Budgetkürzungen schnell in Betracht gezogen.

Zwei Schritte vor und einen zurück

Das erste Jahr ist nie einfach, und auch wenn die vergangene Saison viel Luft nach oben lässt, haben wir noch mindestens zwei EDR-Saisons vor uns, denn Kate Ball – Head of Communications bei der UCI Mountain Bike World Series – hat uns in ihren E-Mails mitgeteilt, dass es keine Pläne gebe, die Serie 2025 zu beenden, auch wenn sie kein Wort über die darauffolgenden Jahre verloren hat. Das folgende – eher kurze und politische – Statement, war die einzige Antwort, die wir auf unsere konkreten Fragen über die Zukunft des EDR und der Zeit nach 2025, der Herkunft des Gerüchts, der gestiegenen Kosten und den Auswirkungen der geschädigten Industrie bekommen haben:

A spokesperson for Warner Bros. Discovery Sports said: “The 2023 UCI Enduro World Cup saw the sport of enduro join the top tier of mountain biking for the first time. Enduro enjoyed extensive TV coverage for the first time in the history of the sport, with Highlights Shows broadcast on Eurosport. In addition, average video views of enduro content on the UCI Mountain Bike World Series YouTube channel were up 132% on 2022.”

“We remain committed to both enduro and e-enduro. The athletes, teams and fans are at the heart of all our decision making as we work to ensure the long-term viability of the sport we love. We listen to all feedback received and look forward to continuing this journey together with the enduro community – including some very exciting announcements to come about the future of the sport.”

Trotz des sehr positiv gehaltenen Statements sind für die Saison 2024 nur sechs rein europäische Rennen im Kalender. Mit diesem Ansatz wird vielen nicht-europäischen Racern und Privateers das Leben schwer gemacht und die Chance massiv verringert, überhaupt bei einem UCI Mountain Bike Enduro World Cup zu starten. Auch wenn das nicht wirklich zukunftsorientiert ist, könnte es eine weitere Maßnahme sein, die Kosten für die Bike-Firmen zu reduzieren und ihnen in schlechten Zeiten entgegenzuwirken.

Aber auch die Bike-Industrie ist dafür bekannt, gerne erstmal über das Ziel hinauszuschießen, um dann wieder einen Schritt zurückzugehen und sich dort einzupendeln. Glücklicherweise hat der professionelle Enduro-Rennsport sehr glorreiche Jahre hinter sich und alle wissen, wie ein gutes Rennen aussehen kann. Fraglich bleibt, ob es Zusatz-Serien wie den EDR Open in Zukunft wirklich braucht, oder ob es mehr Sinn macht, sich auf eine reine Profi-Serie zu beschränken, die dafür mehr Möglichkeiten und einfachere Organisation bietet und im Gegenzug anderen Veranstaltungen die Möglichkeit eröffnet, UCI-Punkte zu vergeben. So könnten Grass Roots Racing und nationale Rennserien zusätzliche Aufmerksamkeit bekommen und eine größere Bedeutung und damit hoffentlich auch mehr Sponsoren. Das steigert obendrein die Nachwuchsförderung.

Zudem hat die diesjährige Übertragung des Downhill-Worldcups – bei dem sowohl die Vorschlussrunden als auch die Finals live übertragen wurden – bewiesen, dass es ein bestimmtes Pensum und eine gewisse Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer gibt, die man nicht überschreiten darf. Denn die wenigsten sind bereit, einen ganzen Tag vor dem Bildschirm zu verbringen, um ein Rennen zu verfolgen. Und auch die Zuschauer vor Ort sind mit langen Wartezeiten konfrontiert worden. Kurzum: Es gibt keinen Need, ein gesamtes EDR-Rennen oder eine hohe Anzahl an Stages live zu übertragen. Die Mehrzahl der Personen, mit denen wir gesprochen haben, wünscht sich zudem mehrtägige und lange Rennen zurück und würde sich obendrein eine gekonnte Zusammenfassung und einen Spannungsaufbau für die Zuschauer im Zielbereich wünschen. Außerdem sind die Venues so unterschiedlich, dass es auch unserer Meinung nach nur wenig Sinn macht, zu einem spezifischen Format zu greifen, sondern eine Anpassung von Stage- und Tagesanzahl pro Event die coolere Lösung wäre. Das alles könnte viele kleinere Locations wieder auf den Spielplan ziehen.

Man sollte sich nicht auf ein Format versteifen, sondern es an die jeweilige Location anpassen, um das Beste rauszuholen. – Sven Martin

Enduro never dies 🤘

In einer Sache waren wir uns als Redaktion und alle Beteiligten sich sofort einig. Der Enduro-Rennsport wird niemals aussterben. Denn auch wenn die momentane Profi-Serie eine holprige Phase hat und die Zukunft des EDR – zumindest wenn man den hartnäckigen Gerüchten Glauben schenkt – noch in den Sternen steht, wird die Disziplin für sich weiterleben. Denn selbst wenn wir uns vorstellen können, dass nach einem möglichen Ende des analogen EDR einige Racer zum E-EDR, dem Downhill- oder sogar Cross-Country-Worldcup wechseln würden, wird ein Großteil weiterhin auf analogen Enduros bleiben. Ganz davon abgesehen, dass der Konkurrenzkampf etwa im Downhill mit stetig sinkenden Quali-Plätzen ins Unendliche steigen würde und auf beiden Seiten viele bewährte Racer es nicht ins Finale – und damit in die wertvolle Übertragungszeit – schaffen würden.

So würde sich früher oder später eine neue Profi-Enduro-Serie – oder gleich mehrere Serien – etablieren, da sind wir uns sicher. Denn Auswahlmöglichkeiten an Enduro-Rennen und das Engagement gibt es. Was es braucht, ist eine attraktive Rennserie, die eine hohe Sichtbarkeit, ein etabliertes Fahrerfeld und möglichst hohe Preisgelder für Weltklasse-Fahrer an den Start bringt. Was beim momentanen Stand der Industrie schwer vorstellbar ist, wird in einigen Jahren wieder anders aussehen. Eine ähnliche Entwicklung und konkurrierende Serien erleben wir übrigens auch gerade im Supercross oder beim Golf und sind auch in vielen anderen großen Sportarten keine Seltenheit.

So sitzen wir vielleicht in ein paar Jahren irgendwo am A**** der Welt und haben gerade eins der geilsten Enduro-Rennen seiner Zeit beendet. In klassischer Enduro-Manier schlürfen wir unser Bier und scherzen darüber, wie sich der professionelle Enduro-Rennsport verändert hat und die ungewissen Zeiten sich zum Guten gewandelt haben. Ganz egal, ob es ein verdienter Neustart ist oder jemand stolz mit seinem Rainbow-Jersey am Tisch sitzt.

Was ist jetzt eigentlich mit diesem E-MTB-Racing?

Mal ganz vom Szene-Gerücht, dass es nur noch den E-EDR geben soll, abgesehen, bleiben einige offene Fragen rund um E-MTB-Racing. Die Verkaufszahlen von E-MTBs im Vergleich zu analogen Mountainbikes setzen ein klares Zeichen in Richtung Strom und der Fokus der Bike-Industrie ebenfalls. Betrachtet man allerdings die Zahlen, oder vor allem die E-MTB-Käufer etwas genauer, zeigt sich deutlich, dass der klassische E-Mountainbiker älter und weniger leistungsbezogen ist. Auch die Art, wie E-Mountainbike gefahren wird, weicht weit vom Enduro-Sport ab. Denn die meisten E-MTBs werden nur im leichten Trail-Einsatz oder auf Touren mit primär befestigten Straßen bewegt, und nur die wenigsten nutzen ihr E-MTB im Bikepark oder auf harten Trails. Naheliegend wäre also, dass auch das Interesse am Racing seitens dieser Käuferschaft wesentlich geringer ist, weil E-Mountainbiken für sie einen anderen Stellenwert hat als für den klassischen EDR-Zuschauer. Klar, gibt es auch ein paar Fanatiker und Enduro-Piloten, die sich für E-MTB-Racing interessieren, aber ob sich das mehr rentiert als Enduro-Racing? Nicht dass wir E-Mountainbikes nicht feiern, aber was spricht dagegen, die Dinger einfach nur zum Spaß zu fahren?

Auf der Gegenseite kann die Produktentwicklung unter Extrem- oder eben Rennbedingungen super wertvoll sein. Sprich: Hersteller können viel Wissen und Entwicklung über z. B. die Haltbarkeit von Motoren und Akkus aus ihren Rennteams ziehen. Zudem kann es das Image der Marke stärken und es entsteht einiges an Content, der sich zusätzlich vermarkten lässt. Allerdings sind die Wettbewerbsvorteile, die man durch den direkten Support von Bike- oder Motorenherstellern bekommt, enorm und als Privateer kommt es einem vor, als würde man mit seinem Straßenmotorrad bei der MotoGP starten. Wettbewerbsgleichheit ist dahingehend extrem schwer herzustellen: Spezielle Software-Abstimmungen und Over-the-air-Updates während des Rennens sind keine Seltenheit im E-MTB-Racing. Auch der Einsatz von speziellen Batterien, bei denen die Energie aus dem Akku schneller entnommen werden kann oder höherwertige Zellen verbaut sind, ist bekannt. Hier braucht es also eine ausgereifte und flächendeckende Kontrolle, um den Sport fair zu halten. Zumal die Wahl des Antriebs – wie bei den meisten Motorsport-Rennen – bereits einen gravierenden Einfluss hat und ein kräftig-effizienter Motor je nach Strecke und Format einiges an Vorteil bringt.

Ihr seht: Hier ist noch viel Arbeit zu verrichten. Viele der aktuellen E-MTB-Rennformate sind nicht zufriedenstellend und werden von vielen Teilnehmern kritisiert. Das gilt auch für den E-EDR, bei der größtenteils die Strecken des EDR verwendet und um ein paar Uphill-Stages ergänzt werden. Letztere sind teils unfahrbar oder sehr unnatürlich und haben zudem nur einen minimalen Einfluss auf die Gesamtzeit eines Rennens. Sprich, man fährt die meiste Zeit Enduro-Stages mit einem E-MTB. Das Fahrergewicht hat je nach Strecke und Format hingegen einen massiven Impact. Denn mehr Gewicht bedeutet einen schlechteren Vortrieb sowie mehr Energieverbrauch und kleine, leichte Fahrer haben hier einen klaren Vorteil. Ein E-MTB-spezifisches Format, spezielle Strecken und eine technische Regulierung sind überfällig, um den Sport zu pushen. Zumal E-MTB-Racing von vielen noch als die letzte Disziplin vor dem Ruhestand gesehen wird. Aber das Phänomen kennen wir ja schon …

Fazit

Schlechtes Timing oder Fehlentwicklungen? Viele Aspekte haben zu der prekären Situation geführt, in der der professionelle Enduro-Sport gerade steckt, und es herrscht viel Ungewissheit. Profis bangen um ihren Job, die Industrie um ihr Geld und der Profi-Enduro-Rennsport um seinen Vibe. Enduro boomt weiterhin und niemand von uns wünscht sich das Ende des EDR, ganz im Gegenteil, aber manchmal braucht es eben einen Schritt zurück, um Anlauf nach vorne zu nehmen.


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Text: Peter Walker Fotos: Sven Martin, Kike Abelleira, Rick Schubert

Über den Autor

Peter Walker

Peter ist nicht nur ein Mann der Worte, sondern auch der Taten. Mit ernsthaften Bike- und Schrauber-Skills, seiner Motocross-Historie, diversen EWS-Teilnahmen und über 150 Bikepark-Tagen in Whistler – ja, der Neid der meisten Biker auf diesem Planeten ist ihm gewiss – ist für Peter kein Bike zu kompliziert und kein Trail zu steil. Gravel und Rennrad kann er übrigens auch! Das für unsere redaktionelle Arbeit wichtige Thema Kaufberatung hat Peter in Vancouvers ältestem Bike-Shop von der Pike auf gelernt und setzt sein Know-how auch im journalistischen Alltag um. Wenn er nicht gerade die Stuttgarter Hometrails auf neuen Test-Bikes unsicher macht, genießt er das Vanlife mit seinem selbst ausgebauten VW T5. Dass er dazu noch ausgebildeter Notfallsanitäter ist, beruhigt seine Kollegen bei riskanten Fahrmanövern. Zum Glück mussten wir Peter bislang nie bei seinem Spitznamen „Sani-Peter“ rufen. Wir klopfen auf Holz, dass es dazu auch nie kommen wird!