Flaschenhalter und Doppelbrücke: Das Specialized Turbo Kenevo Expert vereint vermeintliche Gegensätze. Möglich macht das der kraftvolle Motor, der die Leistung des Fahrers potenziert. Wir wollten wissen, wie sich ein E-Mountainbike im Vergleich mit den besten Enduro-Bikes am Markt schlägt – und wurden überrascht!
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Enduro-Bike 2020

Mit 180 mm Federweg an Front und Heck sticht das Specialized Turbo Kenevo Expert schon auf den ersten Blick aus der Masse der Bikes im Test hervor. Denn als einziges Bike setzt das Kenevo auf eine RockShox BoXXer-Doppelbrückengabel, wie wir sie sonst nur von waschechten Downhill-Bikes kennen. Komplettiert wird das 180-mm-Fahrwerk von einem RockShox Super Deluxe Coil-Stahlfeder-Dämpfer. Außerdem besonders: Unter dem Unterrohr steckt ein 90 Nm starker Specialized 2.1-Motor auf Basis eines Brose Drive S Mag sowie ein 700 Wh großer Akku. Er unterstützt den Fahrer nur dann, wenn der auch selbst in die Pedale tritt und das auch nur bis zu 25 km/h. Über eine kleine Remote am Lenker wählt man die unterschiedlichen Unterstützungsstufen an. Statt einem Display liefert die schick ins Oberrohr integrierte Turbo Connect Unit die nötigen Informationen über den Akkustand und den gewählten Support. Bis zum Vierfachen der Kraft des Fahrers kann der Motor in den stärksten der drei Support-Modi bereitstellen. Nicht zuletzt dank der sehr robusten Ausstattung bringt es das Kenevo auf satte 24,2 kg.

Die Zeiten, in denen eine Dropper Post an einem Bike mit Doppelbrücke nichts verloren hatte, sind spätestens mit dem neuen Kenevo vorbei.

… welches Kenevo zu dir passt und nicht umgekehrt. Dank super niedriger Sitzrohre kann man die Rahmengröße nach seinen persönlichen Vorlieben in Sachen Reach und Stack auswählen.

Zugegeben, das Kenevo wirkt mit der BoXXer eher wie ein waschechtes Downhill-Bike. Aber nach einiger Zeit gewöhnt man sich an die 180-mm-Doppelbrückengabel.

Dank der Kontrolleinheit im Oberrohr kann man das Kenevo sogar ganz ohne Remote am Cockpit und dennoch mit vollem Funktionsumfang fahren. Die Remote ist jedoch so kompakt und ergonomisch, dass sie uns nicht gestört hat.
Specialized Turbo Kenevo Expert
6.899 €
Specifications
Motor Specialized 2.1 90Nm
Battery Specialized M2 700Wh
Display Specialized TCU
Fork RockShox BoXXer Select RC 180 mm
Rear Shock RockShox Super Deluxe Coil Select 180 mm
Seatpost Specialized Command Post IRcc 130 - 160 mm
Brakes SRAM CODE R 200/200 mm
Drivetrain SRAM GX 1x11
Stem Specialized Direct Mount DH 45 mm
Handlebar Specialized Alloy 800 mm
Wheelset Roval Alloy DH 27,5"
Technical Data
Size S2 S3 S4 S5
Weight 24,2 kg
Perm. total weight 161 kg
Max. payload (rider/equipment) 136 kg
Trailer approval nein
Kickstand mount nein
Specific Features
voller Funktionsumfang auch ohne Remote am Cockpit
Mission Control App
integriertes Multitool

Die SRAM CODE R-Bremse ohne SwingLink kann in Sachen Bremspower nicht mit dem hohen Gewicht des Kenevo mithalten.

Mit dem Kenevo hat man auch auf Trails außerhalb eines Bikeparks und fernab der nächsten Apres-Bike-Hütte dank SWAT-Flaschenhalter immer Wasser und Werkzeug dabei.

Der Kettenstrebenschutz in Wellenform funktioniert am Kenevo genauso wie am Enduro: einwandfrei.
Geometrie und Größe des Specialized
Specialized hat erkannt, dass man E-Mountainbikes nicht mehr anhand ihrer Sitzrohrlänge in Rahmengrößen einteilen sollte. Vielmehr ermöglichen das super kurze Sitzrohr und die Sattelstütze mit viel Hub, das Kenevo nach der gewünschten Länge des Hauptrahmens auszuwählen. Die Geometrie selbst unterscheidet sich auf dem Papier nicht von der eines klassischen Bikes.
Größe | S2 | S3 | S4 | S5 |
---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 400 mm | 420 mm | 440 mm | 465 mm |
Oberrohr | 585 mm | 612 mm | 639 mm | 666 mm |
Steuerrohr | 105 mm | 115 mm | 125 mm | 135 mm |
Lenkwinkel | 64,0° | 64,0° | 64,0° | 64,0° |
Sitzwinkel | 77,0° | 77,0° | 77,0° | 77,0° |
Kettenstrebe | 454 mm | 454 mm | 454 mm | 454 mm |
Tretlagerabsenkung | 14 mm | 14 mm | 14 mm | 14 mm |
Radstand | 1.234 mm | 1.263 mm | 1.293 mm | 1.322 mm |
Reach | 445 mm | 470 mm | 495 mm | 520 mm |
Stack | 605 mm | 614 mm | 623 mm | 632 mm |

Das Specialized Turbo Kenevo Expert im Test
Trotz seines hohen Gewichts und der Doppelbrücken-Federgabel gewinnt das Specialized Kenevo in diesem Test ganz klar die Uphill-Wertung – zumindest, so lange der Akku ausreichend Saft hat. Der Motor schiebt je nach Unterstützungsstufe kraftvoll, aber stets erstaunlich gefühlvoll an. Biken mit massivem Rückenwind! Trotz bulliger Optik erklimmt das Kenevo Expert auch sehr technische Anstiege gelassen. Dabei profitiert es vor allem von seinem super steilen Sitzwinkel, der den Fahrer zentral zwischen den Laufrädern positioniert und in Kombination mit dem langen Hauptrahmen ausreichend Druck am Vorderrad erzeugt. Dadurch steigt das Vorderrad trotz „langer“ Gabel nur sehr selten und in wirklich extremen Steigungen, bei denen man mit allen anderen Bikes im Test schon lange schiebt! Aber seien wir mal ehrlich: Wer das Kenevo kauft, will auch wissen, wie es im sogenannten Shuttle-Modus abgeht. Der Shuttle-Modus ist die super kraftvolle Fahrstufe, die man zuerst in der Specialized Mission Control-App aktivieren muss. Hier verliert der Specialized 2.1-Motor sein gewohnt natürliches Fahrgefühl und schiebt den Fahrer Forst- und Waldwege mit maximaler Power bergauf – genial! Ernüchternd allerdings, wenn man einmal ein echtes Shuttle nutzen möchte – aufgrund des hohen Gewichts ist ein Bandscheibenvorfall beim Aufladen nahezu vorprogrammiert.
Es war klar, dass das Kenevo bergauf alle Bikes alt aussehen lässt. Das es aber auch bergab so überzeugt war eine Überraschung!

Eines ist klar: Das Specialized Turbo Kenevo Expert ist definitiv ein echtes Big Bike. Selbst im härtesten Gelände bleibt es stabil und super präzise. Egal welche Linie man wählt, mit dem Kenevo erwischt man sie! Und ist dabei verdammt schnell unterwegs – denn wer glaubt, Bikes ohne Motor wären schneller bergab, der irrt. Trotz des üppigen Federwegs bleibt das Fahrwerk stets sehr definiert und gibt ausreichend Informationen über den Untergrund. Dank genug Gegenhalt lässt sich das Kenevo auch in die Luft ziehen, nur eben mit mehr Kraft. Generell gilt das Motto: Je steiler und schneller der Trail, desto mehr Spaß macht das Bike. Denn auf verwinkelten Trails zollt man der hohen Front, dem Gewicht und dem super langen Hauptrahmen Tribut. Um im flachen Gelände ums Eck zu kommen, muss der Lenker ziemlich aktiv belastet werden. Das ausgesprochen laufruhige Kenevo erfordert viel Körpereinsatz, um sich bei niedrigen Geschwindigkeiten aus der geraden Linie bringen zu lassen.

Wie fährt sich das Specialized Kenevo im direkten Vergleich zur Konkurrenz?
Bergauf spielt das Specialized Turbo Kenevo Expert wie zu erwarten in einer eigenen Liga und lässt, solange es die Akkuladung erlaubt, die Konkurrenz voll hinter sich. Der Uphill macht plötzlich Spaß und man entdeckt ganz neue Möglichkeiten, zum Trail-Einstieg zu gelangen. Bergab ist es das mit Abstand satteste Bike und vermittelt ähnlich wie das Specialized Enduro S-Works oder das RAAW Madonna massig Sicherheit. In engen Sektionen und beim Abziehen spürt man das Gewicht deutlich und so erfordert das Rad hier viel Kraft.

Tuning Tipp: 220-mm-Bremsscheiben


Fazit
Das Specialized Turbo Kenevo Expert ist eines der potentesten E-Mountainbikes auf dem Markt und beweist eindrucksvoll, wie viel Fahrspaß Bikes mit Motor mittlerweile vermitteln. Uphills sind plötzlich mehr als nur ein Mittel zum Zweck und bergab begeistern das Fahrwerk und die Geometrie mit enormer Sicherheit. Allerdings muss man natürlich Abstriche bei der Agilität in Kauf nehmen. Wer sich für ein potentes E-Mountainbike interessiert, sollte sich das Kenevo einmal genauer ansehen!

Tops
- keine Grenzen im Downhill
- vermittelt extrem viel Sicherheit im Steilen
- kraftvoller Motor
- Shuttle-Mode

Flops
- zu schwache Bremse für den Einsatzzweck
- auf einfachen Trails langweilig
Mehr Informationen zum Specialized Turbo Kenevo Expert findet ihr auf specialized.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Enduro-Bike 2020
Alle Bikes im Test: Canyon Strive CFR 9.0 LTD | CUBE Stereo 170 SL 29 | Giant Reign Advanced 29 0 | Ibis Mojo HD5 | Norco Sight C1 29 | Nukeproof Mega 275C RS | Nukeproof Mega 290C Pro | Orbea Rallon M-LTD | Pole Stamina 180 LE | RAAW Madonna V2 FOX Factory Built | Rocky Mountain Slayer Carbon 90 29 | Santa Cruz Megatower CC X01 Reserve | SCOTT Ransom 900 Tuned | Specialized S-Works Enduro 2020 | Specialized Turbo Kenevo Expert | Trek Slash 9.9 X01 AXS | Yeti SB150 T2 | YT CAPRA 29 CF Pro Race
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Text: Fotos: Christoph Bayer / Finlay Anderson / Markus Frühmann