Bikes sind in den letzten Jahren verdammt teuer geworden und auch die 15.000-€-Marke wurde schon längst überschritten. Und plötzlich kommt ein Hersteller nach dem anderen mit dicken Rabatten ums Eck. Ey, Bikeindustrie, alles klar? Wir haben für euch herausgefunden, warum die Preise purzeln und ob ihr jetzt zuschlagen solltet.

Alle von euch, die in den letzten Jahren nicht wie Patrick Star unter einem dicken Stein gelebt haben, dürften mitbekommen haben, dass ein Bike-Kauf nicht gerade einfach war. Die Preise sind durch die Decke gegangen und um die wenigen verfügbaren Bikes ist ein echter Konkurrenzkampf entbrannt. Angebot und Nachfrage waren etwa so wenig im Einklang wie ein Schülerchor ohne Taktgefühl. Was das für euch und die Industrie zu bedeuten hatte, haben wir euch hier bereits ausführlich dargestellt. Plötzlich überschlagen sich aber die Pressemitteilungen über Rabatte und die Prozentzeichen auf den Hersteller-Websites. Wie kann das sein? Alles nur ein Traum? Bikes waren doch gerade noch knapp und begehrt? Aber es stimmt, tatsächlich purzeln bei fast allen Herstellern ordentlich die Preise. Und das nicht nur ein bisschen: Teilweise gibt’s bis zu 30 % Rabatt abzustauben! Wir klären euch über die Hintergründe auf und verraten euch, ob jetzt der perfekte Zeitpunkt ist, euer Traum-Bike zu kaufen.

Eine Preiserhöhung jagt die nächste – Was hat die Preise so in die Höhe getrieben?

In unserem Artikel Kaviar und Kashima – Wann kommt das 20.000 € Mountainbike? sind wir darauf eingegangen, wie und warum sich die Preise für Bikes entwickeln. Hier wollen wir euch aber nochmal die Kurzform davon darlegen, weil die Entwicklung der letzten Jahre wichtig dafür ist, dass die Preise jetzt wieder fallen.

Bikes sind in den letzten Jahren – auch vor der verhängnisvollen Fledermaussuppe – langsam und stetig teurer geworden. Die Gründe dafür sind vielfältig und für uns Biker nicht mal unbedingt schlecht. Denn zuallererst liegt es daran, dass Bikes einfach immer besser werden! Vergleicht man Bikes von heute mit den Bikes von vor 10 Jahren, würde wohl wirklich niemand mehr tauschen wollen. Dropperposts, elektronische 12-fach-Schaltungen, mehr Integration, Leichtbau und an E-MTBs größere Akkus und leichtere Motortechnik sind alles Dinge, die an modernen Bikes nicht mehr wegzudenken sind. Diese teils sehr komplexen Innovationen müssen allerdings finanziert werden und machen Fahrräder deshalb als Ganzes einfach teurer.

Viele Hersteller, vor allem große Direktversender, haben in den letzten Jahren zudem massiv in Service und Kundenfreundlichkeit investiert. Große Concept Stores, umfangreiche Testflotten und besserer Customer Support sorgen für ein rundes Kauferlebnis. Aber sind wir mal ehrlich: Das war auch dringend nötig, denn nichts ist nerviger als stundenlang in Telefonwarteschlangen zu hängen, nur um dann ein halbes Jahr auf eine Garantiebearbeitung zu warten. Deshalb haben sich viele Hersteller voll ins Zeug gelegt, denn hat man als Kunde eine schlechte Erfahrung gemacht, kauft man beim nächsten Mal einfach bei der üppig vorhandenen Konkurrenz. Und klar – auch dieser Support hat sich in höheren Verkaufspreisen bemerkbar gemacht.

Haben die Preise also so langsam auf kleiner Flamme vor sich hin gekocht, kam plötzlich die Corona-Pandemie mit einem Kanister Benzin ums Eck und hat nochmal so richtig eingeheizt. Denn von einem Tag auf den anderen mussten viele Fabriken schließen, Hersteller hatten große Probleme, fehlende Arbeiter zu kompensieren und die Frachtkosten sind teilweise auf das 20-Fache angestiegen. Was das bedeutete? Einen riesigen Konkurrenzkampf unter den Herstellern um die wenigen verfügbaren Teile und damit eine massive Verknappung des Angebots. Zeitgleich ist die Nachfrage nach Bikes in die Höhe geschossen. Sinkendes Angebot bei steigender Nachfrage – auch ohne VWL-Studium weiß man, dass das steigende Preise bedeutet. Sein Traum-Bike zu bekommen, war also plötzlich wie ein Sechser im Lotto, und selbst wenn man zu den Glücklichen gehört hat, die an ein Bike gekommen sind, musste man dafür einen ordentlichen Batzen mehr Geld hinlegen als noch wenige Monate zuvor. Während sich so einige Hersteller in dieser Situation ordentlich die Taschen vollgemacht haben, sind viele andere nicht so gut durch die große Knappheit gekommen. Dadurch, dass an vielen Bikes einzelne Teile gefehlt haben, konnten die Räder nicht ausgeliefert werden und standen lange Zeit nur im Lager rum. Herumstehende Bikes machen nun mal leider keinen Umsatz, sondern kosten Geld, was bei einigen Bike-Marken ordentlich auf die Bilanzen gedrückt hat und zum Teil immer stärker drückt.

Houston, we have a problem! – Warum fallen die Bike-Preise plötzlich?

Und woran liegt es jetzt, dass viele Bike-Marken nach der großen Achterbahn der Preiserhöhung plötzlich mit Rabatten um sich schmeißen? An einer Verkettung von Umständen, die für manche gut und für andere gar nicht gut ist. Angefangen hat es damit, dass sich die Situation für die Produzenten von Teilen und Rahmen wieder normalisiert hat. Die können wieder ähnliche oder höhere Stückzahlen produzieren wie vor der Pandemie und auch Fracht-Slots in Richtung Europa oder USA sind wieder zu halbwegs normalen Preisen verfügbar. Plötzlich ist also wieder fast alles verfügbar und viele Bike-Marken können endlich die Bikes aufbauen, die lange im Lager liegen geblieben sind, weil einzelne Teile gefehlt haben. Das heißt, die Lager sind aktuell wieder voll mit Bikes, die verkauft werden können – so weit, so schlecht, doch dazu gleich mehr. Bei vielen Händlern sieht die Lage ähnlich aus: Sie haben riesige Orders bei den Herstellern und Bike-Marken platziert, weil sie davon ausgegangen sind, dass sie erstens nicht mal die Hälfte davon bekommen und zweitens die Nachfrage nach Bikes weiterhin ein Ritt auf der Exponentialfunktion ist. Wie sich herausstellt, sind beide Annahmen falsch gewesen. Dadurch ist eine riesige Scheinnachfrage geschaffen worden, die so allerdings mit der Realität recht wenig zu tun hat. Jetzt bekommen die Händler jede Menge Bikes geliefert, mit denen sie eigentlich gar nicht gerechnet haben. Bei den Bike-Marken und Händlern stapeln sich die Bikes also bis unters Dach. Was nach der Traumvorstellung für jeden Hobby-Biker klingt, wird zum Business-Albtraum der Bikeindustrie.

Denn der fette Overstock trifft eine sich normalisierende Nachfrage. Das hat einerseits klassische VWL-Gründe – Stichwort „Konsumklima“ – und andererseits hat es einfach damit zu tun, dass der Fahrrad-Hype aktuell wieder etwas nachlässt. Viele, die während der Pandemie angefangen haben zu biken, sind erst mal mit einem Bike versorgt und haben nicht unbedingt das Bedürfnis nach einem neuen oder weiteren Bike. Dazu gehen jetzt viele auch lieber wieder in den Urlaub oder auf Reisen. Und auch sonst sind wieder andere Hobbys und Freizeitbeschäftigungen möglich, für die man nicht gleich ein teures Bike braucht. Es fangen wieder weniger Leute mit Biken an als noch zuvor. Wir haben es also gerade mit einem sehr großen Angebot an Bikes und einer geringen Nachfrage nach Bikes zu tun. Die Preise müssen also – na, wer errät es? – sinken! Die Bikes müssen aus dem Lager raus, denn was weiterhin folgt, ist die stetige Entwicklung der Bikeindustrie und damit ständig neue Modelle, die auf den Markt kommen. Für den Hersteller, der sein neues Modell launchen will, sind mit Vorgängermodellen vollgestopfte Lager allerdings ein Horror. Denn dann wirds richtig günstig – für den Käufer.

Gib mir mehr! – Wie viel fallen die Preise wirklich?

Stand März 2023 haben fast alle Hersteller dicke Rabatte und Sales im Programm. Beim Direktversender YT Industries aus Forchheim gibt’s zum Beispiel 25 % Rabatt auf fast alle lagernden Bikes. Auch Propain möchte sein Lager leer bekommen. Nachdem es im Headquarter am Bodensee bereits mehrere Fabrikverkäufe gab, bei denen man stark reduzierte, bereits aufgebaute Bikes ergattern konnte, gibt es jetzt auch im Konfigurator 500 € Rabatt auf alle Tyee Enduros ab 4.000 €. Und wie sieht es beim dritten großen Direktversender aus Deutschland aus? Der große Canyon-Sale mit bis zu 30 % Rabatt auf lagernde Bikes ist zum ersten März schon wieder ausgelaufen.

Aber nicht nur bei den Direktversendern fallen gerade die Preise. Auch klassische Händlermarken wie Specialized drehen die Preisschraube ordentlich zurück. Die haben nämlich gerade erst bekannt gegeben, die Preise von fast allen 2023er-Modellen um 20 % zu senken und entsprechend auch die UVPs anzupassen. Dadurch gibt’s zum Beispiel das von uns im Trail-Bike-Vergleichstest 2022 für seine Abfahrts-Performance gelobte Stumpjumper EVO Elite Alloy für 5.000 statt 6.400 € – klingt fair.

Allgemein lohnt es sich, einfach ein bisschen herumzustöbern. Alle klassischen Online-Shops haben aktuell verschiedenste Bikes stark reduziert. Teilweise sogar um mehr als 30 %! Auch die Händler bei euch ums Eck werden die Preise senken müssen, um mit dem neuen Preisniveau mitzuhalten.

Aber landen die Preise mit den großen Rabatten wieder auf dem Niveau, das vor der Pandemie herrschte? Das ist pauschal schwierig zu beantworten, schaut man sich allerdings einzelne Beispiele an, lässt sich erkennen, dass sich die Preise zumindest wieder in diese Richtung bewegen. Das super spaßige Specialized Status 160, das 2020 noch für 2.999 € über die Theke ging und zwischenzeitlich sogar 3.700 € gekostet hat, gibt es jetzt für 3.300 €. Die Preissenkung entspricht hier zwar noch nicht ganz dem Preisanstieg, aber wer weiß was da noch so kommt … Ein anderes Beispiel ist das Privateer 161. Die kleine englische Marke gibt aktuell 800 € Rabatt auf alle ihre Bikes. Damit landet das Enduro 161 bei einem Preis von 3.700 Euro, was ebenfalls nur noch 300 Euro über dem Preis von Anfang 2020 liegt.

Deal! – Unsere Tipps zum Bike-Kauf

Falls ihr jetzt davon überzeugt seid, dass es für euch nun Zeit ist, die Rabatte zu schnappen und ein neues Bike zu kaufen, gilt es, zuallererst einmal Ruhe zu bewahren. Nur weil Bikes aktuell reduziert sind, muss man nicht gleich kopflos rumrennen und dem nächstbesten Fahrrad-Dealer in einer dunklen Ecke im Park ein Bündel Scheine zustecken. Denn erstens dürfte der Angebotsüberschuss auch noch ein Weilchen anhalten und zweitens solltet ihr euch klar machen, was ihr eigentlich wollt, und vor allem, was zu euch passt. Ein fettes Baller-Bike für den Bikepark? Ein leichtes, spritziges Trail-Bike? Oder was dazwischen? Falls ihr euch hier nicht so ganz sicher seid, welches Bike zu euch passen könnte, haben wir mit unserer interaktiven Kaufberatung das richtige Tool für euch am Start und nehmen euch etwas an die Hand. Achtet aber auch darauf, ein Bike mit einem zu euch passenden Gesamtpaket auszuwählen. Nur weil das teuerste Bike mit der edelsten Ausstattung fett reduziert ist, heißt das nicht unbedingt, dass das auch das Richtige für euch ist. Günstigere Ausstattungsvarianten ermöglichen besonders Anfängern häufig ein unkompliziertes Setup, ohne an hundert Knöpfen drehen zu müssen. Und dass günstige Bikes richtig gut sein können, hat unter anderem unser Budget-Vergleichstest gezeigt. Fortgeschrittene sollten dagegen darauf achten, dass die Ausstattung ihren Ansprüchen in Sachen Performance und Einstellbarkeit gerecht wird. Fahrer mit spezielleren Ausstattungswünschen sind bei Marken wie Propain oder Orbea gut aufgehoben, da sie einen Konfigurator anbieten.

Wer sich nach unserer Kaufberatung immer noch nicht sicher ist, was es werden soll, oder einfach kein gutes Gefühl bei der Online-Bestellung hat, sollte mal beim lokalen Bike-Händler vorbeischauen. Der kann euch genauer beraten und auch nach dem Kauf noch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Allerdings solltet ihr euch auch hier nicht ganz kopflos belabern lassen, denn der Händler bietet euch natürlich nur die Räder an, die er auch verkaufen kann bzw. loswerden möchte. Falls beim Händler keine Rabatte ausgeschrieben sind oder ihr keine angeboten bekommt, fragt unbedingt nach oder handelt etwas. Ihr werdet sehen, dass die meisten Händler dafür zurzeit sehr offen sind. Und sind wir mal ehrlich: Eine bessere Verhandlungsposition als aktuell könnt ihr gar nicht haben.

Falls ihr wisst, was ihr wollt und braucht, dann „Go for it“! Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist euer Traum-Bike aktuell wieder verfügbar und vielleicht sogar dick reduziert. Worauf wartet ihr also noch?

Aktuell ist ein super Zeitpunkt, ein Bike zu kaufen. Ob es in der Zukunft vielleicht sogar noch besser wird, steht in den Sternen. Auf jeden Fall fallen gerade ordentlich die Preise und das Angebot an Bikes liegt deutlich über der Nachfrage. Wenn ihr darauf achtet, das für euch passende Bike zu kaufen, könnt ihr aktuell euer Traum-Bike zum schmalen Taler ergattern.


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Text: Felix Rauch Fotos: Julian Lemme