Wir alle haben es schon erlebt: Man stürzt sich in seinen Lieblings-Trail, alles fühlt sich gut an. Doch zwei Minuten später beginnen die Unterarme und Hände zu brennen, bis man den eigenen Lenker kaum noch festhalten kann. Was genau ist dieser Schmerz, der eine Fahrt ruinieren kann, und wie lässt er sich vermeiden? Wir haben uns für euch über Armpump schlau gemacht.

Armpump nervt gewaltig und betrifft uns alle. Doch mit dem richtigen Fachwissen kann man ihn unter Kontrolle halten!

Was ist Armpump und wie kann er so verdammt weh tun? Fragen, die sich viele Fahrer frustriert stellen werden, nachdem sie ihren Lenker auf einer Abfahrt bereits nach den ersten drei Minuten einfach nicht länger halten können. Armpump ist wahrscheinlich das häufigste körperliche Leiden in unserem Sport, doch da die Ursachen den meisten Fahrern oft unbekannt sind, hat er schon fast einen sagenumwobenen Status erlangt. Wir haben mit Kirsty Sinclair gesprochen, um herauszufinden, was Armpump ist, wodurch er verursacht wird und wie man ihn vermeiden kann. Kirsty ist Klinikärztin und Eigentümerin der Tweed Valley Physiotherapie – und hat Licht in dieses dunkle Thema gebracht.

Was ist Armpump, was sind die Symptome und warum bekommt man ihn?


„Armpump“

Der Begriff wird genutzt um Symptome im Bereich der Unterarme zu beschreiben, die nach einer Phase intensiven Beanspruchung auftreten.


„In der Medizin ist Armpump noch immer nicht komplett erforscht …“, erklärt uns Kirsty. „Doch man nimmt an, dass er als Resultat eines Druckanstiegs im Muskelgewebe im Bereich der Unterarme auftritt und einen Einfluss auf den Blutfluss hat. Beim Downhill- und Enduro-Biken kann es vorkommen, dass man während längerer Phasen kaum Entspannung für die Unterarmmuskulatur ermöglichen kann, um den Druck wieder zu verringern. Auch die Anatomie des Unterarms macht die Situation nicht einfacher. Die Muskeln sind umhüllt von einem starken Bindegewebe, den Faszien. Diese besitzen nur sehr geringe elastische Eigenschaften, was es den Unterarmmuskeln erschwert, ihr Volumen bei schnellen intensiven Aktivitäten auszudehnen.“

Ruppige, schnelle Strecken sind fast schon ein todsicherer Auslöser für einen Anstieg des Drucks in euren Unterarmen…
… ebenso wie lange, felsige Abfahrten

In Kurzform: Die intensive Beanspruchung und die Schläge, die man beim Bergabfahren spürt, führen zu einem Anschwellen der Unterarmmuskeln, was wiederum die Durchblutung unterbricht. Das verursacht eine Vielzahl an Symptomen:

„Typische Symptome sind Schmerzen, ein Gefühl der Anspannung bzw. Verhärtung in den Unterarmen, Verkrampfen, Anschwellen, Gefühlsverlust, Kraftlosigkeit sowie der Verlust von Kontrolle in den Händen. Die Symptome werden durch Aktivitäten verursacht, schwächen sich in Ruhepausen jedoch wieder ab. Derartige Symptome von Armpump können sich, wenn sie dauerhaft auftreten, zu einem sogenannten chronischen Belastungs-Kompartment-Syndrom entwickeln.“

Was kann man machen, um Armpump zu vermeiden?

Jetzt, da wir wissen, was Armpump ist und wodurch er verursacht wird, können wir uns ansehen wie man ihn vermeiden kann. „Auch wenn evidenzbasierte Informationen rar gesät sind, gibt es eine Reihe an sinnvollen Grundsätzen, die sich anwenden lassen, wenn ein Fahrer unter den Symptomen leidet“, erklärt uns Kirsty.

Fahrt ihr zu viel und zu früh?

Wenn ihr ohne vorheriges Training einen ganzen Tag lang im Bikepark unterwegs seid, dann wird es eurem Körper schwerfallen, durchzuhalten!

Wenn ihr Ausfahrten in Angriff nehmt, an deren Dauer oder Intensität ihr körperlich nicht gewöhnt seid, dann werdet ihr voraussichtlich unter Armpump leiden. Denn euer Körper braucht Zeit, um sich an jegliche Veränderungen eurer Fahrgewohnheiten anzupassen. Als Beispiel: Wenn euer Körper nur daran gewöhnt ist, die kurzen, flowigen Trails eures lokalen Hügels zu fahren, dann wird er aller Voraussicht nach sehr schlecht darauf reagieren, wenn ihr ihn plötzlich einem einwöchigen Urlaub voller Bikepark-Runden aussetzt. Kirsty betont, wie wichtig es ist, eurem Körper Zeit zu geben, sich anzupassen und zu erholen sowie schrittweise die Intensität zu erhöhen, statt ihn direkt ins kalte Wasser zu werfen.

Ist euer Oberkörper stark genug?

Auch wenn ihr nicht genauso aussehen müsst: Ein gutes Level an Kraft im Oberkörper wird euch dabei helfen, Armpump in Zaum zu halten. Hier im Bild zu sehen ist der CEO von YT, Markus Flossmann. Trotz seines stressigen Jobs verpasst er keine Trainingssession!

Wenn ihr euren Oberkörper und eure Griffkraft stärkt, dann kann euch das dabei helfen, den Belastungen bei hohen Geschwindigkeiten auf ruppigen Trails besser standzuhalten. Kirsty empfiehlt Cross-Training für die besten Resultate. Auch Bouldern ist eine perfekte Methode, um die Kraft eures Oberkörpers zu stärken. Denn dabei trainiert ihr gleichzeitig euren Rücken, eure Arme und eure Schultern. Zugleich stärkt ihr eure Finger massiv und verbessert noch dazu eure Griffkraft. Auch Zeit im Fitnessstudio und selbst einfache Workout-Programme für daheim können sich als nützlich erweisen.

Die grundlegenden Einstellungen eures Bikes könnten ein Problem sein

Es gibt zahllose Faktoren am Setup eures Bikes, die einen Einfluss darauf haben, wie ihr mit Armpump klar kommt bzw. wie ihr ihn vermeiden könnt. Auch wenn es hierbei keine festen Regeln gibt, werdet ihr eine bessere Chance haben, Armpump zu vermeiden, wenn ihr die folgenden Punkte an eure persönlichen Vorlieben anpasst.

  • Winkel der Bremsgriffe: Der Winkel eurer Bremsgriffe kann einen gewaltigen Einfluss darauf haben, wie stark eure Hände und Unterarme beim Biken belastet werden. Auch wenn es letztendlich auf die persönlichen Vorlieben ankommt: Viele Fahrer bevorzugen es, ihre Bremshebel relativ flach auszurichten (also horizontal), wenn sie auf steilen Trails unterwegs sind.
  • Setup eurer Bremsen: Je mehr Kraft ihr benötigt, um eure Bremsen zu bedienen, desto mehr Druck baut sich in euren Unterarmen auf. Wenn ihr eure Bremshebel so einstellt, dass sie sich nahe am Lenker befinden, dann bewahrt euch das davor, eure Finger überstrecken zu müssen, um die Hebel zu erreichen. Außerdem könnt ihr so mit weniger Aufwand stärker bremsen. Natürlich müsst ihr auch darauf achten, dass die Bremsen ordentlich zupacken und korrekt entlüftet sind. Eine gute Methode, um die Power eurer Bremsen zu erhöhen, ist die Verwendung größerer Bremsscheiben. Wenn euer Bike allerdings wirklich drastisch unter zu schwachen Bremsen leidet, dann helfen wohl nur neue Stopper. Hier findet ihr noch mehr Tipps, um das meiste aus euren Bremsen herauszuholen.
  • Griffgröße: Auch hier kommt es ganz auf die persönlichen Vorlieben an. Doch wenn ihr kleine Hände und mit Armpump zu kämpfen habt, dann könnten dünnere und weichere Griffe für euch besser geeignet sein. Ebenso könnten die mit eurem Bike gelieferten Griffe auch zu dünn sein, wenn ihr große Hände habt. Wir würden empfehlen, ein paar verschiedene Optionen auszuprobieren und dabei besonders auf das Griffgefühl, die Härte der Griffe und die Dicke des Gummis am jeweiligen Modell zu achten.
Euer Cockpit-Setup, wie etwa der Winkel der Bremshebel, kann einen großen Einfluss auf euren Widerstand gegenüber Armpump haben. Spielt ein wenig herum und experimentiert mit unterschiedlichen Setups!

Vibrationen minimieren – Stimmt euer Bike ordentlich ab

Die Vibrationen, die bei ruppigen Abfahrten auftreten, spielen eine große Rolle hinsichtlich der Überbelastung eurer Unterarme. Daher lautet ein weiterer heißer Tipp zur Vermeidung von Armpump: Sorgt dafür, dass euer Bike vernünftig abgestimmt und damit bereit ist, Vibrationen und Schläge so gut wie möglich zu absorbieren. Wir können euch nur ans Herz legen, ausreichend Zeit zu investieren, um das Setup eures Fahrwerks und den Reifendruck zu perfektionieren. Denn so werden Vibrationen absorbiert, schon bevor sie eure Hände überhaupt erreichen.

Eure Fahrwerkseinstellungen sowie den Reifendruck sauber abzustimmen, wird dabei helfen, den Untergrund zu ebnen und Vibrationen zu absorbieren, schon bevor sie eure Hände erreichen

Wenn ihr aufs Ganze gehen wollt, dann gibt es eine Vielzahl an Produkten auf dem Markt, welche die Vibrationsdämpfung aufs nächste Level heben sollen. Hier sind unsere Favoriten:

  • RevGrips – Motocross-Technologie für die MTB-Welt: RevGrips Pro Series-Griffe absorbieren Vibrationen des Lenkers hervorragend, sodass sich eure Hände länger entspannt anfühlen und die Belastung auf eure Unterarme verringert wird. Hier geht’s zu unserem Test.
  • Spank Spike 35 Vibrocore-Lenker – Der mit einem speziellen Schaum gefüllte Vibrocore-Lenker von SPANK macht einen genialen Job, indem er eurem Fahrgefühl eine extra Dosis Flex und Dämpfung verleiht. Seht euch hier unseren Test an.
  • CushCore Reifen-Insert – Reifen-Inserts von CushCore sind eine spitzenmäßige Option, die nicht nur Schläge absorbiert, sondern euch auch niedrigere Reifendrücke fahren lässt und so für noch mehr Komfort sorgt.

Eure Technik könnte das Problem sein

Eine stabile Fahrposition beugt Ermüdung vor und sorgt für eure ausgewogene Gewichtsverteilung

So ungern wir es auch zugeben mögen: Viele von uns könnten verschiedene Aspekte der eigenen Fahrtechnik verbessern. Hier sind für den Anfang ein paar Hinweise:

  • Fersen runter, Kopf hoch: Leichte Hände, schwere Füße … Die Fersen abzusenken und euer Gewicht auf die Pedale zu verlagern, wird euch dabei helfen, unnötigen Druck von euren Händen zu nehmen. Ein heißer Tipp!
  • Bremst sparsam: Eure Bremsen schleifen zu lassen bedeutet nur mehr Anstrengung für eure Unterarmmuskeln. Versucht euch zu entspannen und bremst kräftiger, wenn es nötig ist.
  • Entspannt eure Hände: Nutzt weniger ruppige Abschnitte des Trails als eine Gelegenheit, um euren Griff ein wenig zu lockern. Das hilft dabei, die Beanspruchung eurer Hände und Unterarme zu lindern.
  • Körperposition: Sorgt dafür, dass eure Position auf dem Bike perfekt ist. Wer sich zentral und ausgewogen auf dem Rad befindet, spart richtig Kraft.

Armpump nervt gewaltig und jeder von uns wird ihn während seiner Zeit auf dem Mountainbike früher oder später erleben. Doch deswegen muss nicht gleich die Fahrt vorbei sein. Nehmt euch die Zeit, euren Körper zu trainieren, stellt euer Bike korrekt ein und perfektioniert eure Fahrtechnik. So lässt sich bereits richtig viel bewirken. Falls das aber alles nichts bringt, dann sucht ggf. den Rat einer Sportphysiotherapeutin wie Kirsty auf oder konsultiert einen Arzt.


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Text: Fotos: ENDURO Team