9 Jahre und 50 Ausgaben ENDURO – Zeit, um einen Blick zurückzuwerfen auf die Trends, Fails und Meilensteine des letzten Jahrzehnts. Und um in die Zukunft zu blicken! Wir sagen euch, was die Bike-Welt in den nächsten 10 Jahren erwartet und was sich vermutlich nie ändert. Vorhang auf für die spannendsten (Tech-)Trends und Zukunftsvisionen!

Kannst du dir vorstellen, auf einem 26”-Bike mit 67°-Lenkwinkel, 3-fach-Kurbel und 390 mm Reach – bei Größe L wohlgemerkt – über die Trails von Finale Ligure zu ballern? Wohl kaum. „Unfahrbar“ wäre heute das einstimmige Urteil der technikaffinen Bike-Szene. Doch es gab eine Zeit, da war das ganz normal. Vor kaum mehr als 10 Jahren haben wir das nämlich selbst gemacht und sind für unsere ersten Magazin-Tests in das heutige Bike-Mekka gepilgert.

1. Irgendwann ist immer das erste Mal

Erste Male haben was Besonderes. Sie zeigen uns Neues, können uns prägen und uns etwas beibringen. Als wir 2012 das ENDURO Magazin gründeten, hatten der Sport und wir schon einige erste Male hinter uns. Wir hatten Erfahrung bei den damals spannendsten Enduro-Rennen gesammelt, vor allem aber hatten wir unglaublich viel Spaß mit dem gerade neu entstehenden zweirädrigen Geländeradsport. Mit Stolz können wir heute sagen: Wir waren von Anfang an dabei, wir durften die Entwicklung dieses wundervollen Sports und Lebensstils erleben und mitgestalten. 2012, das war ein Jahr vor der Austragung der weltweit ersten Enduro World Series in Punta Ala, Italien. Und zwei Jahre, bevor der Enduro-Boom so richtig losging und zu unserem Erstaunen eine unglaubliche Anzahl an „Enduro specific products“ – von Griffen über Rucksäcke bis zu Knieprotektoren – in unserem ENDURO-Blau erstrahlte. Enduro wurde zu einer Bewegung und veränderte das Mountainbiken wie kaum etwas davor. Und tut es heute noch. Genau das ist das Schöne daran. Denn dadurch haben wir eben auch immer wieder die Chance, gemeinsam ein erstes Mal zu erleben.

2. Eine kurze Geschichte von Enduro: Wie Enduro die Bike-Welt veränderte

Stephen Hawking und Yuval Noah Harari, die sich beide sehr gut mit kurzen Geschichten auskennen, würden übereinstimmen, dass historische Tatsachen ohne Kontext bedeutungslos sind. Deshalb möchten wir im Folgenden die wichtigsten technischen Entwicklungen und Meilensteine der Enduro-Entwicklung sowie deren Auswirkungen beleuchten. Denn um die Gegenwart zu verstehen, muss man die Vergangenheit kennen.

„Was soll eigentlich dieser ganze Enduro-Kram?“ Auch wenn die Anfangszeiten von Enduro voller Enthusiasmus und Support durch die Szene geprägt waren, gab es auch einige Hater und Skeptiker in den Weiten des Internets, die das Neue nicht sahen oder dagegen wetterten. Lustigerweise kann man exakt die gleichen Kommentare und Diskussionen heute wieder lesen und hören, allerdings zum Thema Gravel. Dass dem so ist, ist auch verständlich. Denn das Besondere und Faszinierende an Enduro und Gravel war im ersten Schritt nie die Technik, sondern das neue Mindset. Und das muss man (er)leben, das kann man nicht rational aus der Entfernung verstehen und in einem Forum diskutieren. Eine Bewegung auf technischer statt auf emotionaler Ebene zu verstehen versuchen, führt zu nichts anderem als einem traurigen Trostpreis. Es ist wie mit der Liebe – man kann viel darüber diskutieren und philosophieren, aber wer noch nie geliebt hat, wird von den Diskussionen nichts und nada haben.

Enduro hat Mountainbiken grundlegend verändert. Enduro hat es geschafft, unterschiedlichste Menschen aus unterschiedlichen Kategorien zusammenzubringen. Noch 2012 war die Mountainbike-Welt in tiefe Lager gespalten. Es war schwer vorstellbar, dass XC-, DH- und Four-Cross-Piloten in ein und demselben Rennformat gemeinsam antreten würden. Dass man kollektiv Trailspaß erleben und neue Freundschaften in einem ungezwungenen, aber abwechslungsreichen und spannenden Format bilden konnte. Dass man ganz nebenbei neue Regionen, Kulturen und Spezialitäten erkunden und probieren könnte. Doch Enduro machte all das nicht nur vorstellbar, sondern zur Realität. Mit einer Menge Idealismus, kleinen Budgets und viel Pioniergeist bereisten die Enduristen der ersten Stunde die Welt und zelebrierten die Gemeinschaft. Die Gründerjahre von Enduro kann man sich wie ein mehrjähriges Woodstock des Radsports vorstellen – eine Mischung aus Good Times, Gemeinschaft, Freiheit und Aufbruch in eine neue Zeit. Racing und Lifestyle gingen Hand in Hand.

Doch von Luft und Liebe kann man selten lange leben: Die Industrie erkannte das Potenzial des Sports, die Budgets wurden größer, das Racing wurde stärker kommerzialisiert. Damit wurde es ernster. Die Hersteller und Teams rüsteten auf, das Bier am Rennvorabend wurde abgesetzt und durch isotonische Getränke ersetzt, akribische Trainingspläne, Dopingfälle, Vollvisierhelme und Vollgas inklusive Shortcuts folgten. Enduro wurde zum Höchstleistungssport. Das war auch der Moment, als wir als ENDURO Magazin unser Engagement im Racing reduzierten und uns stärker dem Trailspaß fernab des Flatterbands verschrieben – was nicht heißt, dass wir uns nicht noch immer ab und zu Rennluft durch unsere Haare wehen lassen!

Das heißt auch nicht, dass wir diese Entwicklung schlecht fanden oder finden. Limits zu pushen ist immer gut, auch durch Racing. Denn auch dadurch entwickeln sich Produkte immer weiter und so wurden die Bikes von damals – über einige Umwege – zu den Bikes, die wir heute fahren. Aber Racing bis zum Umfallen, das waren wir einfach nicht mehr. Für uns war und ist Enduro nach wie vor eine Lebenseinstellung, die keinen Leistungsdruck und kein Ringen um Zehntelsekunden braucht und die so vielfältig ist wie die Enduro-Bikes selbst. Alles kann, nichts muss. Immer mit Good Times, Trailspaß und Abenteuergeist.

Statt uns auf die Rennberichterstattung zu konzentrieren, wollten wir eine Plattform für die immer stärker wachsende globale Bike-Community aufbauen, die sich um deren reale Bedürfnisse kümmerte. Wir wollten begeistern, aufklären und die Entwicklung der Szene und der Produkte mitgestalten. Fundamentaler Teil davon ist, die wichtigsten Fragen unserer Leser zu beantworten und ihre Probleme zu lösen. Dazu gehört natürlich auch, zahlreiche technische Entwicklungen zu hinterfragen.

3. Technologischer Overkill?

„Wer braucht schon Scheibenbremsen? Welche Vorteile soll ein Fully bringen? Und warum sollte ich eine Dropperpost an meinem Bike verbauen? Ich kann den Sattel doch auch schnell via Schnellspanner absenken!“ Unglaublich, aber wahr: Vor gerade mal 10 bis 15 Jahren waren das die Themen, die in der Bike-Welt heiß diskutiert wurden. Doch damit endeten die Diskussionen nicht, sie nahmen erst richtig Fahrt auf: Die Bike-Branche war über die letzten 10 Jahre extrem experimentierfreudig, es herrschte Enthusiasmus und Begeisterung für neue Technologien, neue Anwendungsbereiche und Werkstoffe. Das führte dazu, dass bis zum Umfallen getüftelt, experimentiert und ausprobiert wurde – so kamen neue Produkte auf den Markt, lange bevor die Halbwertszeit des aktuellen Produkts abgelaufen war. Das ist nicht nur ökonomisch selten sinnvoll, sondern auch kommunikativ. Im letzten Jahrzehnt wurden Handel, Szene und Konsumenten oftmals überfordert: zu kurze Produktlebenszyklen, zu viele vermeintliche „Innovationen“ und zu viele Standards, bis keine Standards mehr da waren.

Die Gründe für die sehr bilindustrie. Durch die große Anzahl an Komponenten-Herstellern, die genauso wie die Bike-Hersteller kontinuierlich neue Produkte launchten, potenzierte sich der Innovationsdruck. Hinzu kam, dass es einige Meilensteine gab, die zahlreiche Hersteller dazu zwangen, ihre per se sehr guten Produkte zeitnah den neuen technischen Möglichkeiten anzupassen, um nicht an Relevanz zu verlieren.

So gab es über die letzten Jahre viel zu diskutieren. Plus-Reifen, 26”, 650B oder doch 29”? 1- oder 2-fach-Schaltung? Boost oder Superboost? E-Bike oder analoges Bike? Und bei Ersterem: Light, Power oder Allround? Enduro, Trail-Bike, All-Mountain, Tourer, Downcountry oder einfach Mountainbikes? Carbon oder Alu? Luft- oder Stahlfeder? Welche Bike-Kategorien braucht es – wie viel Federweg, welche Ausstattungsvarianten für welche Märkte? Mindestens genauso spannend waren die Diskussionen um Geometrie-Konzepte. Wie lang, wie flach und wie tief muss es tatsächlich sein?

4. Die Suche nach der Balance

Das Dilemma: Mit jeder technischen Evolution musste man entweder risikoreich auf das richtige Pferd setzen oder vergrößerte sein Portfolio dermaßen, dass man fast den Überblick verlor – denn jedes weitere Modell bedeutet nicht nur zusätzlichen Entwicklungsaufwand, sondern auch einen Mehraufwand bei Lagerhaltung, Ersatzteilversorgung, Service und natürlich auch bei der Kommunikation.

Die gute Nachricht: Während im Innovationswettrüsten häufig verkürzte und überspitzte Marketingclaims verwendet wurden, die auch von einigen Medien aufgenommen und gepusht wurden und zu falschen Glaubenssätzen geführt haben, entwickelt sich in der Branche aktuell ein ganzheitliches, differenziertes Verständnis. Vielen ist bewusst, dass es nicht auf einzelne Komponenten, sondern vor allem auf das Verwendungsganze ankommt.

Es ist wie bei einer Fußballmannschaft. Ein Team aus den weltbesten Spielern würde nicht automatisch zu Erfolg führen. Schließlich kommt es auf das Zusammenspiel und die Harmonie zwischen den einzelnen Playern an, und beides muss man bei großen Egos erst mal hinkriegen. Übertragen aufs Bike bedeutet das, dass einzelne tolle Komponenten an einem guten Rahmen das Komplett-Bike noch lange nicht gut machen – und vice versa. Es müssen vielmehr die richtigen Komponenten und der richtige Rahmen zusammenspielen, um ein stimmiges Gesamtkonzept zu ergeben.

„Mehr“ ist oftmals zu viel, leider: Immer leichter, immer steifer, das wird ab einem gewissen Punkt kontraproduktiv. Das haben sogar die Roadies verstanden und über die letzten Jahre intensiv nach Wegen gesucht, die Nachgiebigkeit aka Compliance zu erhöhen. Im Mountainbike-Bereich sind FOX 38 und RockShox ZEB gute Beispiele – jeder will sie, weil sie der neuste geilste Scheiß sind. Aber viele leichte Fahrer oder solche, die mit ihrer wenig aggressiven Fahrweise keine krassen Kräfte auf dem Trail provozieren, haben keine Vorteile davon. Im Gegenteil. Auch wenn sich das Ego darüber freut, das gleiche Material wie viele EWS-Profis zu fahren, haben diese Fahrer dann vor allem mit mehr Ermüdung, Armpump und weniger Traktion zu kämpfen. Alles Probleme, die mit einer weniger steifen Gabel nicht auftreten würden. Das Gleiche gilt für Laufräder, Lenker und viele weitere Komponenten.

Genau in solchen Fragen wollen wir für Orientierung sorgen. Mit unseren Vergleichstests und Kaufberatungen etablieren wir deshalb neue Standards und haben über die Jahre unsere eigene ganzheitliche Testphilosophie entwickelt, die vielen Lesern rund um den Globus genauso wie der Industrie weiterhilft und auf viel Anerkennung stößt. Denn technische Features und Parameter sind nur so gut wie ihr realer Benefit auf dem Trail! Unser Mountainbike-Vergleichstest 2021 und unser aktueller Enduro-Vergleichstest haben z. B. eindrücklich gezeigt, dass es nicht auf die Masse des Federwegs ankommt, sondern vielmehr auf das Zusammenspiel von Hinterbau und Dämpfer. So waren Bikes mit weniger Federweg in diesen Tests teilweise deutlich potenter als großkalibrige Bikes. Der technologische Overkill hat sich auch bei Rahmengeometrien und Akkukapazitäten von E-Mountainbikes gezeigt, die über die letzten Jahre ins Extreme gegangen sind und erst jetzt beginnen, sich in einem sinnvollen Maße einzupendeln. Das soll aber nicht heißen, dass extreme Ansätze für spezielle Anwendungsbereiche nicht auch ihre Daseinsberechtigung hätten.

5. From Tension to Extension

Nicht nur unsere Bikes haben sich brutal weiterentwickelt, sondern auch die Art und Weise wie, wo und mit wem wir fahren. Biken ist von einem Nischensport zum Trendsport Nummer 1 in vielen Ländern aufgestiegen und hat damit viele klassische Breitensportarten überholt. Das verändert nicht nur die Szene, sondern auch die Industrie. Dass dabei viele Spannungen entstehen, ist logisch – und vollkommen okay. Neue Player betreten den Markt, Glaubenskämpfe zwischen Traditionalisten und Innovatoren müssen ausgetragen werden, es treten neue Probleme an bislang unkritischen Stellen zutage. Und das ist auch gut. Denn durch Veränderungen, Druck und Konflikte werden wir gefordert, neue Lösungsansätze zu entwickeln. Jeder Entwicklungssprung ist mit Spannung und Spannungen verbunden. Jetzt stellt sich die Frage, wer genug Atem und Ausdauer sowie Power in den Muskeln hat, um die nächste große Stufe hinaufzusteigen. Einige spannende Einblicke hierzu gibt das Interview unseres Schwestermagazins GRAN FONDO mit dem neuen Canyon-CEO Winni Rapp, der zuvor als CEO für einen großen Telekommunikationskonzern gearbeitet hat.

Agenda 2032: Die Megatrends der Bikewelt

Die Zukunft ist selten ein Zufall, sondern vielmehr eine Entwicklung. Und jede Entwicklung zeichnet sich in der Gegenwart ab. Wir sind bekannt dafür, Potenziale und Trends früh zu erkennen und mitzugestalten. Deshalb präsentieren wir euch im Folgenden einige zentrale Themen, die viele Hersteller schon auf ihrer Agenda haben oder bald in Angriff nehmen müssen, weil sie die Bike-Welt in den nächsten 10 Jahren maßgeblich prägen werden.

Wachstum

Mountainbiken ist voll im Mainstream angekommen. Das bringt viele Chancen, aber auch einige Herausforderungen mit sich. Es ist verständlich, dass manche Biker der frühen Stunde in diesen Zeiten zu Hatern werden, weil ihr Nischensport, über den sie sich jahrelang definiert haben, nun zum Volkssport wird. Doch es ist alles andere als cool, wenn man wie mancher Surfer die Trail-Hoheit für sich beansprucht. Sich gegen Veränderungen und Tatsachen zu wenden, hat selten einen Sinn und erst recht nicht, wenn man mit seinem Egoismus ein Gegen- statt Miteinander im Wald fördert. Ja, früher waren wir vielleicht die Outlaws, die wild im Wald gebaut und ihre eigenen Regeln aufgestellt haben. Doch rücksichtsloses oder nicht kooperatives Verhalten ist nicht mehr akzeptabel – dazu zählt auch die KOM-Jagd auf Strava. Dafür ist die Anzahl an Waldnutzern mittlerweile einfach zu hoch. Und nein, auch wenn der eine oder andere von uns als Erster da war, heißt das nicht, dass wir mehr Recht auf Waldnutzung hätten als andere. Zahlreiche lokale Vereine und Initiativen entstehen, um Trails zu legalisieren. Glücklicherweise ist bei vielen das Bewusstsein vorhanden, dass man die Neueinsteiger in die wachsende Community einführen sollte. Doch mit einem Mal ist es nicht getan, es erfordert ein richtiges und kontinuierliches „Onboarding“ über das nächste Jahrzehnt hinweg. Nicht nur von Vereinen und Leuten wie euch und uns, sondern auch von den Herstellern. Damit Biken zu einer fetten Party für alle wird!

Nachhaltiger Trailspaß

Nachhaltigkeit ist einer der Megatrends des nächsten Jahrzehnts und darüber hinaus. Aber Vorsicht! Zwischen viel Greenwashing und Augenwischerei sind die wirklich nachhaltigen Lösungen oftmals kaum ersichtlich. Fakt ist: Für nachhaltigen Erfolg ist ein ganzheitlicher Ansatz wichtig – von Produktion über Konsumverhalten und Nutzung(sdauer) bis hin zum Recycling. Und davon sind die meisten Marken noch meilenweit entfernt. Übrigens genauso wir als Konsumenten, die nach wie vor lieber billig und zweimal als einmal richtige Qualität kaufen, diese warten, instandhalten und pflegen. Unsere Konsum- und Wegwerfmentalität können wir nicht vom einen auf den anderen Tag ändern, dafür sitzt sie zu tief. Aber wir können sie dennoch ändern! Die gute Nachricht: Viele Leute tüfteln schon an neuen Fertigungsverfahren, die technologisch, ökonomisch und ökologisch bei Weitem die aktuellen Methoden übertreffen. Im urbanen Bereich initiiert z. B. das Frankfurter Unternehmen Advanced eine Revolution mit einem Composite-Spritzgussverfahren. Inwiefern sich das auf das MTB-Segment übertragen lässt, wird sich zeigen.
Doch auch ohne Innovationen und neue Fertigungsverfahren lässt sich bereits vieles bewirken, wie das Plädoyer für mehr Haltbarkeit und Langlebigkeit in dieser Ausgabe darlegt. Beispielsweise indem wir neue Entwicklungsziele und Standards in der Bike-Industrie etablieren, in denen Reparierbarkeit und Langlebigkeit wichtiger sind als Maximalperformance. „Built to last“ – das könnte nicht nur ein Hit aus dem Jahre 2007 sein, sondern auch ein Credo für die Entwicklungsabteilungen für das ganze Jahrhundert! Mehr Haltbarkeit würde zudem die überlasteten Bike-Shops und viele Service-Probleme zahlreicher Hersteller lösen.

Biken = Big Business?

Aktuell werden die Weichen für das nächste Jahrzehnt gestellt. Die Branche steht durch den Bike-Boom und die Produktions- und Lieferschwierigkeiten vor zahlreichen Herausforderungen. Einige Bike-Marken verfügen über kaum mehr liquide Mittel und stehen aktuell zum Verkauf: Fusionen, Konglomerate und Einkaufsallianzen entstehen, um die Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen oder schlichtweg zu überleben. Hinzu kommt, dass das Interesse von Investoren und Konzernen am Bike-Bereich weiter wächst – auch im Medienbereich, wie man kürzlich bei unseren kanadischen Freunden von Pinkbike sehen konnte. Es geht um Marktanteile und Positionen. Ob das alles sinnvoll für die Bike-Szene ist, wird die Zeit zeigen. Fakt ist: Es ändert sich etwas und bei einigen Herstellern geht es in die richtige Richtung. Zahlreiche neue Stellen werden geschaffen, um dringend benötigtes neues Know-how in die Firmen zu holen, und auch die Organisationsstruktur wird vielerorts angepasst. Aufgrund des Wachstums sind bei vielen Marken neue Strukturen und Prozesse notwendig, um die Skalierung und die neuen Anforderungen zu meistern.

Was im ersten Schritt vor allem die Unternehmensorganisation betrifft, schlägt sich mittelfristig sicherlich auch in der Servicequalität, der Handlungsfähigkeit der Marken und ihrem Produktportfolio nieder. Schließlich waren bereits vor dem durch Corona verstärkten Bike-Boom viele Hersteller nicht breit genug aufgestellt, um alle relevanten Säulen ihres Business vollumfänglich zu bedienen. Aktueller Nebeneffekt: höhere Fertigungs- und Transportkosten, größere Zukunftsinvestitionen und limitierende Kapazitäten – Bikes werden teurer! All diese Änderungen und Umbaumaßnahmen in der Struktur der Bike-Industrie sind kurzfristig aufwendig und intensiv, aber mittelfristig super wichtig. Denn die Anforderungen sowie Ansprüche an Hersteller nehmen deutlich zu und damit steigt auch die Komplexität der Abläufe. Mit ein Grund dafür ist die fortschreitende Elektrifizierung des Fahrrads. Nicht nur durch E-Bikes, sondern auch durch elektronisch angesteuerte Komponenten wie Fahrwerke, Schaltungen, Dropperposts und Connectivity im Allgemeinen.

Die Elektrifizierung der Bike-Welt

E-Mountainbiken oder Mountainbiken? Das ist schon längst keine Glaubensfrage mehr. Vielmehr stellen sich viele Mountainbiker die Frage, ob ihr nächstes Bike ein E-MTB sein soll. Die Elektrifizierung nimmt rasant zu. In Deutschland waren laut Zweirad-Industrie-Verband bereits rund 80 % der 736.200 verkauften Mountainbikes mit einem E-Motor ausgestattet. Die Tendenz ist klar. Im Hobby-Bereich nimmt das E-Mountainbike eine zentrale Rolle ein, wie sich auch bei unserem Schwestermagazin E-MOUNTAINBIKE zeigt. Dahingehend haben wir bei ENDURO auch kein Interesse daran, die Elektrifizierung im Core-MTB-Segment zu pushen. Wir sind weder für noch gegen die Elektrifizierung, sondern begleiten sie vielmehr in dem Maße, wie es für euch relevant ist und spannende Bikes vorhanden sind. Dennoch ist absehbar: Außerhalb der klassischen Renndisziplinen werden in den nächsten Jahren fast alle (!) Bikes einen Motor besitzen.

Die Gründe liegen auf der Hand: Immer bessere Light-E-MTBs wie z. B. das Orbea Rise kombinieren das Beste aus beiden Welten, bieten ein exzellentes Handling und noch längeren Trailspaß. Die sportlichen Aspekte und aufregende Trailmanöver kommen dennoch nicht zu kurz. Wer die neuste Generation an E-MTBs schon mal gefahren ist, weiß, wovon wir reden. Durch die Elektrifizierung werden Kategorien komplett hinfällig. Nicht nur durch E-Antriebe erhalten Bikes einen signifikant breiteren Einsatzbereich, auch durch elektronische Fahrwerke. Bestes Beispiel sind Enduro-Bikes wie das YT CAPRA mit einer eher durchschnittlichen Uphill-Performance, die durch das RockShox Flight Attendant zur ultimativen Bergziege werden und bergab maximale Performance bringen.

Bei aller Euphorie um die Potenziale und Möglichkeiten der Elektrifizierung sollten wir jedoch nicht die Gründe vergessen, warum wir biken und was wir emotional davon erwarten. Denn es geht nie um eine Technologie, sondern um ihren Mehrwert. Das Bike hat stets emotionale Jobs zu erfüllen, die teilweise wichtiger sind als seine Performance. Und hier gilt: Viele wollen keinen unnötigen Schnickschnack, sondern Simplizität, Abschalten, Naturerlebnis. Die Kunst liegt also darin, intuitive Produkte zu entwickeln, die für unterschiedliche Anforderungen und Einsatzbereiche individualisiert werden können.

Wo sind wir in 10 Jahren?

In einer komplexen, schnelllebigen Welt helfen starke Visionen, um mit Veränderungen zurechtzukommen, Mehrwerte zu schaffen und die Bike-Welt für alle besser zu machen. Wer jedem Trend einfach nur hinterherrennt, kommt nie zur Ruhe und kann auch selten wirklich etwas bewegen. Man muss dazu gar nicht mal die (Bike-)Welt immer wieder neu erfinden. Kontinuierlich Probleme zu lösen und Bedürfnisse zu erfüllen, kann uns ebenfalls weit bringen. Wenn wir jeden Tag nur ein kleines Problem in unserem Leben lösen, dann sind wir innerhalb weniger Wochen bereits um Welten weiter! Beim Biken ist das nicht anders. Was sind gerade eure größten Painpoints beim Biken? Die könnten in 10 Jahren ja auch endlich der Vergangenheit angehören. Und wie seht ihr die Zukunft des Mountainbikens? Macht mit bei unserer Umfrage und gebt uns spannenden Input für einen zukünftigen Artikel!

Was wünschst du dir für die Zukunft des Mountainbikens?


Wie wir die Zukunft erschaffen können, in der wir leben wollen? Indem wir Wünsche formulieren, uns Ziele stecken und darauf hinarbeiten. Und indem wir dem Nachwuchs zuhören und ihm Möglichkeiten eröffnen, die wir selbst gerne gehabt hätten. Egal wohin Biken sich entwickelt, eine Sache ändert sich hoffentlich nie: unser fettes Grinsen im Gesicht, wenn wir auf zwei Rädern durch den Wald heizen! Es sei denn, das Speeder-Bike aus Star Wars kommt auf den Markt … dann fliegen wir nämlich über Lufttrails!


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Text: Robin Schmitt Fotos: Diverse