Ein neues Bike zu kaufen ist wie das erste Date mit einem neuen Partner: Durch die rosarote Brille ist alles wunderbar, man sieht nur das Positive, könnte glücklicher nicht sein. Doch nach einigen Wochen oder Monaten folgt unter Umständen die Ernüchterung – es passt einfach nicht. Damit ihr mit eurem neuen Bike die große Liebe findet, haben wir acht spannende Bikes unter 4.500 € verglichen.

Zugegeben, 4.500 € sind eine ganze Menge Geld und wenn man so einen Batzen Asche auf den Tisch legt, erwartet man, dafür auch ein top Bike zu erhalten. Die gute Nachricht lautet: Wenn ihr euch richtig entscheidet, erlebt ihr mit dem neuen Rad die beste Zeit eures Lebens. Die schlechte: Wer nicht aufpasst, wird mit seinem neuen Schätzchen keine langfristig glückliche Beziehung führen. Die Unterschiede beim Handling, der Ausstattung, der Geometrie und dem Gewicht der Bikes in diesem Vergleichstest sind enorm.

Das Testfeld in diesem Vergleich

Bike Preis Gewicht Federweg Laufradgröße
COMMENCAL META AM 29 Team Replica 3.899 € 15,88 kg 170/160 mm 29″
CUBE Stereo 150 C:68 TM 29 4.499 € 14,06 kg 160/150 mm 29″
Giant Reign SX 3.799 € 15,10 kg 170/160 mm 27,5″
Norco Range C3 29 4.199 € 14,82 kg 160/150 mm 29″
Nukeproof Mega 290 Factory 3.800 € 14,80 kg 160/155 mm 29″
ROSE Pikes Peak 2 EN 4.306 € 13,26 kg 160/165 mm 27,5″
Trek Slash 9.7 3.999 € 14,60 kg 160/150 mm 29″
YT CAPRA 29 CF PRO 4.299 € 13,96 kg 160/160 mm 29″
COMMENCAL META AM 29 Team Replica | 15,88 kg | 3.899 €
CUBE Stereo 150 C:68 TM 29 | 14,06 kg | 4.499 €
Giant Reign SX | 15,10 kg | 3.799 €
Norco Range C3 29 | 14,82 kg | 4.199 €
Nukeproof Mega 290 Factory | 14,80 kg | 3.800 €
ROSE Pikes Peak 2 EN | 13,26 kg | 4.306 €
Trek Slash 9.7 | 14,60 kg | 3.999 €
YT CAPRA 29 CF PRO | 13,96 kg | 4.299 €

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Wo liegen die Stärken der Bikes, wo die Schwächen? Um das herauszufinden, haben wir jedes Rad ausgiebig auf unseren Hometrails im alpinen Gelände des Alpenvorlands gefahren und sie dann im wunderschönen Sexten in Südtirol mehrere Tage lang im direkten Vergleich analysiert. Beim Back-to-back-Testing auf einem Trail zeigen sich die Unterschiede der einzelnen Bikes am deutlichsten. Während manche Bikes, wie z. B. das YT CAPRA, Richtungswechsel leichtfüßig erledigen, benötigen andere, wie das Giant Reign, sehr viel Input vom Fahrer. Gleiches gilt für die Laufruhe oder die Fahrwerksperformance. Wie sich die einzelnen Bikes schlagen, lest ihr in den einzelnen Tests.

Tinder vs. der Flirt an der Bar

Nicht nur neue Partner finden wir seit einiger Zeit online, auch neue Bikes kaufen immer mehr von uns im Internet. Der große Vorteil: Durch den Wegfall eines Vertriebsschritts (den Händler) ist es für viele Hersteller möglich, ihre Räder entweder günstiger oder mit einer deutlich besseren Ausstattung anzubieten. Das unterstreichen in diesem Vergleich das ROSE PIKES PEAK und das YT CAPRA CF Pro deutlich. Auch die Parts des COMMENCAL META AM 29 lassen keine Wünsche offen. Allerdings weicht die Ausstattung des Serienbikes von der unseres Testbikes im Detail (Schaltung und Bremsen) etwas ab. Doch es gibt auch Ausnahmen: CUBE ist es gelungen, trotz Händlernetz beim brandneuen Stereo 150 C:68 TM 29 ein brandheißes Gesamtpaket zu schnüren. Es ist das einzige Bike im Test, das bereits über die neue FOX 36 FLOAT Factory mit Grip 2-Dämpfung verfügt. Beim Trek Slash 9.7 mit seinem schicken Carbonrahmen fällt die gesamte Ausstattung dagegen eher günstig aus. Besonders schade: Der SRAM NX-Antrieb mit 11–42-Kassette limitiert die Uphillperformance. Auch das Nukeproof Mega leistet sich trotz Direktvertrieb eine Schwäche beim Antrieb (Shimano XT mit 11–42-Kassette), begeistert aber ansonsten mit einem rundum gelungenen Spec.

Was zählt, sind die inneren Werte

Wie gut sich ein Bike im Gelände fährt, lässt sich leider weder mit einem Blick auf die Ausstattung noch mit einem Blick auf die Geometrietabelle abschließend beurteilen. Wie bei der Partnersuche zeigt sich erst nach ein paar Gesprächen/Testrides, wie euer Gegenüber tickt. Ein perfektes Beispiel ist das Trek Slash. Trotz der günstigsten Ausstattung im Test war es das Bike mit der besten Hinterbauperformance. Das Norco Range dagegen wirkt mit seinem giftgrünen DVO-Fahrwerk bereits im Stand extrem schnell und potent, kann aber aufgrund des überdämpften Federbeins und der schwachen Bremse trotz grandioser Geometrie nicht mit den besten im Test mithalten.

Es ist nicht immer leicht …

… gerade wenn es bergauf geht. Die Bikes in diesem Vergleich sind vor allem für maximalen Spaß bergab konzipiert und haben an einigen Stellen etliche Gramm zugelegt, um das zu erreichen. Das mit Abstand schwerste Bike in unserem Test ist das COMMENCAL META AM 29 mit satten 15,88 kg. Dank der zentralen Sitzposition und dem effizienten Hinterbau klettert es allerdings besser, als man im ersten Moment vermuten würde. Das ROSE PIKES PEAK ist mit 13,26 kg satte 2,62 kg leichter, durch seinen flachen Sitzwinkel (speziell in der flachen Einstellung) sitzt man jedoch deutlich weiter über dem Hinterrad und pedaliert weniger effizient. Hier empfiehlt es sich, den Sattel sehr weit nach vorn zu schieben, um den Sitzwinkel auszugleichen.

Generell ändert sich bei einigen Bikes die Sitzposition für Fahrer mit langen Beinen und langem Sattelstützenauszug enorm. Am krassesten flacht sich der Sitzwinkel beim Trek Slash ab. Satte 1,3° beträgt der Unterschied des Sitzwinkels von der horizontalen Position des Sattels auf Höhe des Steuerrohrs zu einem Auszug von ca. 75 cm (Mitte Tretlager bis Mitte Sattel-Rail). Auch hier muss man den Sattel weit nach vorne schieben, um bergauf nicht zu sehr von hinten zu treten.

Generell schafft man es jedoch mit allen Rädern, kleine Modifikationen bei einzelnen Modellen vorausgesetzt, immer aus eigener Kraft zum Traileinstieg.
Die besten Kletterer im Test sind das CUBE Stereo und das YT CAPRA, wobei Letzteres etwas von seinen griffigen Reifen gebremst wird.

Die Balance entscheidet

Jeder von uns hat sicher schon einmal vom Rockstar-Leben mit wilden Partys geträumt, allerdings braucht es im Alltag häufig etwas mehr Beständigkeit und Zuverlässigkeit. Ähnlich ist es auch bei der Bike-Geometrie. Manche Räder, wie z. B. das ROSE, ähneln in ihrem Fahrverhalten einem Moshpit auf einem Punkrock-Konzert. Das Bike macht mega viel Spaß, schreit nach Highspeed und lässt sich super loose und direkt fahren – verlangt dafür aber nach einer sehr erfahrenen Hand. Wer nicht die Technik oder Power hat, ist mit ihm schnell überfordert. Wie es richtig geht, zeigt z. B. das Nukeproof Mega. Es besitzt einen eher langen Hinterbau (450 mm), der auf dem Papier vermuten lässt, dass sich das Rad zu behäbig fährt. Im Gelände dagegen begeistert es mit einer super Balance, und dank des aktiven Fahrwerks mit sehr viel Pop fährt es sich trotz seiner Länge angenehm spritzig, direkt und obendrein sehr kontrollierbar.

Tops & Flops

Oftmals sind es die Details, die den Unterschied machen: gelungene Integration, erstklassige Ergonomie und mit bedacht gewählte Komponenten. Hier findet ihr alle Tops und Flops der Bikes aus unserem großen Vergleichstest.

Tops

Sahnig
Die neue RockShox Lyrik RC2 im COMMENCAL META begeistert mit einem extrem feinfühligen Ansprechverhalten und richtig viel Support. Dennoch ist das Setup einfach und schnell erledigt – perfekt!
Der Einserschüler
Der Hinterbau des Trek Slash ist eine Klasse für sich. Er filtert kleinste Unebenheiten feinfühlig weg, besitzt ausreichend Reserven und vermittelt gutes Feedback.
Einfach und effektiv
Wir sind eigentlich keine Freunde von Geometrie-Verstellungen, doch die am ROSE PIKES PEAK funktioniert so schnell und unkompliziert, das wir für Uphills gerne darauf zurückgegriffen haben
Perfekt durchdacht
Die gesamte Ausstattung des YT CAPRA ist extrem durchdacht. Der Mix aus Shimano-Schaltung mit E*Thirteen-Kassette funktioniert wunderbar. An diesem Bike muss man nichts tauschen. Auspacken und abheizen lautet die Devise!

Flops

Überladen
Das Cockpit des Giant ist überladen, wodurch die Züge bergab nervig klappern. Die Ganganzeige am SLX-Schaltgriff ist obendrein komplett unnötig.
Zu gering
Die Übersetzungsbandbreite des Nukeproof Mega ist zu gering. Lange Uphills werden so zur Kraftprobe. Wir empfehlen daher, die 11–42-Kassette gegen eine 11–46-Version zu ersetzen.
Überfordert
Die SRAM Guide-Bremsen mit 180-mm-Bremsscheiben sind leider an einem potenten Endurobike überfordert. Die SRAM CODE wiegt nur minimal mehr, bietet aber ein deutliches Plus an Performance und wäre daher unsere erste Wahl.
Am Limit
Bei unserem Testbike war das Sattelrohr leider nicht tief genug ausgerieben. Aus diesem Grund konnte die Sattelstütze nicht weit genug versenkt werden. CUBE hat jedoch angekündigt, hier nachzubessern und das Problem bei den Serienbikes zu beheben.

Das beste Bike für eine glückliche Beziehung

Zugegeben, richtig enttäuscht hat uns am Ende kein Bike. Allerdings leisten sich einige deutliche Schwächen, während andere auf ganzer Linie überzeugen. Das Giant Reign SX punktet mit einem hohen Maß an Stabilität und einem gutmütigen Charakter, sieht aber nicht nur altbacken aus, sondern besitzt trotz der kleinen 27,5”-Laufräder auch ein eher behäbiges Handling. Das brandneue CUBE Stereo begeistert mit seiner top Ausstattung, fährt sich angenehm direkt und verspielt, lässt auf wirklich harten Strecken aber etwas Souveränität vermissen – hier liegen andere Bikes vorn. Es ist ein top Allrounder und findet garantiert viele Fans, leider war die Verarbeitungsqualität unseres Testbikes jedoch nicht überzeugend.
Wo das CUBE den Fahrer die Geschwindigkeit reduzieren lässt, blüht das COMMENCAL META AM 29 erst richtig auf. Es ist ein Bike für die härtesten Tracks, das sich trotz seiner enormen Laufruhe nicht zu behäbig fährt. Allerdings ist es für viele Fahrer im Bike-Alltag einfach too much und erfordert auf flachen, flowigen Trails zu viel Input.

Das Norco Range begeistert mit einer herausragenden, super ausgewogenen Geometrie, durch die das Bike sich sehr einfach fahren lässt und auf harten Tracks viel Sicherheit vermittelt. Es ist jedoch ebenfalls etwas behäbig und wird obendrein vom überdämpften Fahrwerk und den schwachen Bremsen limitiert. Das ROSE PIKES PEAK ist ein grandioses Bike mit genialem Hinterbau, praktischer Geo-Verstellung und super spaßigem Handling. Es braucht jedoch einen erfahrenen Piloten mit aktiven Fahrstil – Anfänger sind mit diesem Monster überfordert. Ganz anders das Trek Slash: Dank des eher kurzen Hauptrahmens ist es sehr einfach zu kontrollieren und gerät dennoch auch auf härtesten Abschnitten dank des grandiosen Hinterbaus und des flachen Lenkwinkels nicht aus der Ruhe. Die günstige Ausstattung wird dem edlen Carbonrahmen allerdings nicht gerecht. Hier sind nach dem Kauf einige kostspielige Upgrades nötig.

Das Nukeproof Mega 290 Factory ist mit der geringen Bandbreite der Shimano XT-Schaltung zwar auch nicht perfekt, eine Kassette mit mehr Bandbreite ist jedoch relativ erschwinglich und dank des günstigen Preises hat man dafür auch noch Budget. Ansonsten begeistert das Rad mit einem unglaublich ausgewogenen, sicheren und einfachen Handling. Der lange Rahmen gibt dem Fahrer viel Bewegungsfreiraum und selbst die härtesten Trails verlieren ihren Schrecken. Dennoch hat man mit dem Bike auch auf einfachen Trails viel Spaß. Das Nukeproof Mega 290 ist ein Bike, das einiges wegsteckt und mit dem man lange seine Freude hat, und sichert sich so unseren begehrten Kauftipp.

An einem Bike hat sich jedoch die gesamte Konkurrenz die Zähne ausgebissen. Kein Hersteller schafft es, ein besseres Gesamtpaket zu schnüren, als YT beim neuen CAPRA CF Pro. Ganz egal, wo man mit dem Bike unterwegs ist, ein dickes Grinsen im Gesicht ist garantiert. Schnelle Richtungswechsel oder fiesestes Geballer? Dieses Bike kann beides. Abgerundet mit einer super schicken Optik und einer bis ins Detail durchdachten Ausstattung sichert sich das YT CAPRA CF Pro unseren Testsieg!


Über die Region

Die Bikeregion rund um Sexten bietet nicht nur eine atemberaubende Kulisse mit grandiosen Ausblicken auf die Drei Zinnen, sondern auch einige grandiose Touren und Trails, die jedes Biker-Herz höher schlagen lassen. Wir haben für unseren Test den neu gebauten Erla-Trail genutzt. Wer mehr über die Region erfahren möchte, findet alle Informationen auf Sexten.it.

Wer auf der Suche nach einem top Bike-Hotel ist, das die Bedürfnisse von Mountainbikern kennt und obendrein mit einer herausragenden Küche begeistert, sollte sich das Hotel Alpenblick einmal genauer ansehen. Für alle Fragen rund ums Biken und zu geführten Touren ist die Bike-Academy Sexten die richtige Adresse.


Alle Bikes im Test: COMMENCAL META AM 29 Team Replica | CUBE Stereo 150 C:68 TM 29 | Giant Reign SX | Norco Range C3 29 | Nukeproof Mega 290 Factory | ROSE Pikes Peak 2 EN | Trek Slash 9.7 | YT CAPRA 29 CF PRO

Dieser Artikel ist aus ENDURO Ausgabe #034

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