Die FOX 36 GRIP2 muss man nicht erst vorstellen. Bevor die RockShox Lyrik ihr den Thron streitig machte, war sie die unumstrittene Königin im Enduro-Sektor und ließ einige EWS-Podien in Orange erstrahlen. Für 2021 ist die FOX 36 mit einem neuen Design zurück – kann sie sich erneut den Testsieg sichern?
Die Veröffentlichung der neuen 2021er FOX 36 mag zwar von der FOX 38 überschattet gewesen sein, aber die nunmehr „schmächtige“ 36 kann ebenfalls von vielen der neuen Features profitieren, die sich am großen 38er-Bruder finden lassen. Die Mutter aller Enduro-Federgabeln hat einige große Updates erfahren und wird im Line-up von FOX nunmehr als „All-Mountain“-Federgabel geführt, wohingegen die neue kräftigere FOX 38 sich um alle Enduro-Aufgaben jenseits der 160 mm kümmert. Die langen Federwegsoptionen gehören der Vergangenheit an und die Federgabel ist im Handel lediglich mit 150 und 160 mm Federweg erhältlich, mit Offsets von 37, 44 und 51 mm. Einige Bikes werden jedoch weiterhin mit einer 170-mm-OEM-Variante ausgerüstet sein. Die neue FOX 36 wird es als Factory-, Performance Elite- und E-Bike-Modell sowie mit GRIP2- oder FIT4-Dämpfungskartusche zu kaufen geben. Das 2021er-Modell teilt sich mit der FOX 38 die gleiche, unverkennbar runde Brücke, die die Casting-Steifigkeit erhöhen soll. Auch bei der 36er sollen die neuen Luftkanäle im Inneren dabei helfen, auftretenden Druckaufbau in der Federgabel zu kontrollieren, eine effektivere Schmierung zu ermöglichen und mittels der Entlüftungsventile eine Angleichung an den Umgebungsluftdruck zu erlauben. Genau wie bei der neuen FOX 38 wurde auch hier die GRIP2-Dämpfungskartusche überarbeitet und besitzt nun eine 8-stufige VVC-Einheit (Variable Valve Control) am Druckstufen-Kreislauf der High-Speed-Druckstufe, die sich zuvor lediglich am Zugstufen-Kreislauf befand. Die GRIP2-Dämpfung ist eine geschlossene Kartusche mit einem Trennkolben (IFP), der mit einer Stahlfeder kombiniert wird. Das einzigartige Feature der Dämpfungskartusche ist ihr speziell designter Port an der Oberseite, durch den überschüssiges Öl abgeführt und somit eine konstante Dämpfung beibehalten wird. Jeder, der die FOX GRIP2-Dämpfung kennt, weiß, dass sich fast alles einstellen lässt: Sowohl der Zugstufen-, als auch der Druckstufen-Kreislauf besitzen High- und Low-Speed-Einstellbarkeit, sodass ihr eure Federgabel perfekt abstimmen könnt – wenn ihr die Geduld dafür habt. Die Kennlinie lässt sich ebenfalls mittels Volumenspacer tunen – bis zu fünf davon könnt ihr im 170-mm-Modell verwenden, falls ihr wie Richie Rude fahrt. Neu in diesem Jahr ist außerdem, dass die FOX 36 für Bremsscheiben bis zu einer Größe von 225 mm freigeben ist.
Setup der FOX 36 2021
Mit ihren zahllosen Einstellmöglichkeiten ist die FOX 36 frisch aus dem Karton fordernd. Doch indem wir uns an den Setup-Guide von FOX hielten, erreichten wir relativ schnell ein gutes Grund-Setup. FOX empfiehlt mehr High- und Low-Speed-Druckstufe, als wir normalerweise nutzen würden. Das empfohlene Setup eignet sich vor allem für Bikepark-Ausflüge und setzt mehr auf Durchschlagschutz bei fetten Schlägen statt auf feines Ansprechverhalten – für unseren Geschmack etwas zu viel Dämpfung. Deshalb drehten wir die Low- und High-Speed-Druckstufe 2–4 Klicks zurück und erhielten dadurch auf unseren rutschigen und steilen Test-Trails mehr Grip, ohne jedoch einen negativen Einfluss auf den Gegenhalt der Federgabel zu spüren. Die Low-Speed-Zugstufe stellten wir zudem etwas schneller ein, sodass die Gabel sich von kleinen Schlägen schneller erholte. Weiterhin montierten wir einen Spacer, um die Federhärte passend zu den steileren Trails zu erhöhen (und die verringerte High-Speed-Druckstufe auszugleichen). Nachdem all diese Veränderungen einmal vorgenommen waren, fühlte sich die Federgabel unfassbar gut an. Trotz der Fülle an Einstelloptionen macht der Tuning-Guide der FOX 36 das Setup insgesamt einfach und die Gabel besitzt einen breiten Sweet Spot.
Die FOX 36 2021 auf dem Trail
Auf dem Trail arbeitete die FOX 36 wie erwartet: brillant. Aufgrund einer Vielzahl stufenweiser Verbesserungen über die Jahre an der EVOL-Feder und der GRIP2-Dämpfungskartusche ist die Federgabel nunmehr eine Meisterin der Gelassenheit, selbst auf den ruppigsten Trails. Wenngleich wir uns zuvor nie über fehlende Steifigkeit beschweren konnten, so haben die neue ZEB und FOX 38 doch einen neuen Standard definiert. Bedeutet das etwa, dass sich die FOX 36 nun wie eine weichgekochte Nudel anfühlt? Mitnichten, doch wenn man sie im direkten Vergleich betrachtet, ist sie nachgiebiger als die dickeren Kaliber. Das macht es im anspruchsvollen Terrain minimal schwerer, eine direkte Linie zu halten, wenn man es darauf anlegt, doch zugleich bedeutet das auch, dass die Gabel auf langen, ruppigen Trails die Hände mehr schont. Die Unterschiede fallen allerdings äußerst marginal aus: ein Zentimeter Abweichung von einer Linie hier, ein klein bisschen weniger Speed in einer Off-Camber-Sektion dort. Und wenn ihr kein sehr schwerer Fahrer seid oder ständig Streckenrekorde brechen wollt, dann werdet ihr wahrscheinlich keinen riesigen Unterschied merken. Eines jedoch ist deutlich spürbar bei der FOX 36 GRIP2: Feder und Dämpfungskartusche fühlen sich im Zusammenspiel absolut ausgewogen an. Sie arbeiten zu jeder Zeit vorhersehbar und geben gerade genug Federweg frei, um den Trail geschmeidiger zu machen, werden dabei jedoch nie aus der Fassung gebracht. Wenn man ehrlich ist, ist bereits die 2020er FOX 36 GRIP2 eine herausragende Federgabel gewesen und das neue 2021er-Modell fühlte sich auf unseren Trail-Rides nicht wirklich deutlich besser an. Allerdings fiel uns auf, dass das feine Ansprechverhalten am neuen Modell zwischen den Services länger bestehen bleibt. Wenn wir die 2021er-Federgabel zu unseren normalen FOX 36-Service-Intervallen öffneten, zeigte sich, dass die Staubabstreifer im Inneren stets sauber geschmiert waren – ein Hinweis darauf, dass die Air-Channels tatsächlich die Schmierung verbessern. Leider kamen wir nicht dazu, in die Alpen zu fahren, um dort die Druckausgleichsfunktion der Entlüftungsventile in großen Höhen zu testen. Zumindest bei unseren wilden Shuttle-Runs hörten wir nie irgendein Zischen, wenn wir die Ventile betätigten. Stattdessen tröpfelte ein wenig Öl heraus, daher hörten wir bald auf, sie zu drücken. Insgesamt ist die FOX 36 – wenn sie vernünftig eingestellt ist – eine herausragende Federgabel, die es mühelos mit natürlichen Trails und Enduro-Stages aufnimmt. Sie erlaubte es uns, so schnell zu fahren, wie wir es uns selbst zutrauten, ohne einen Gedanken daran verschwenden zu müssen, ob die Federgabel etwas Unvorhersehbares machen würde.
Tunt man die Low-Speed-Zugstufe für schnell aufeinanderfolgende Schläge und die High-Speed-Zugstufe für die Ausfedergeschwindigkeit bei voller Kompression, dann ist die FOX 36 ein Musterbeispiel für Gelassenheit und totales Selbstvertrauen.
Wie schlägt sich die FOX 36 GRIP2 im Vergleich zur Konkurrenz?
Ihr seid ein Bikepark-Freak oder schwerer Fahrer? Dann holt euch eine FOX 38. Doch wenn natürliche, alpine und verwinkelte Trails euer Ding sind, dann solltet ihr über die exzellente FOX 36 nachdenken. Verglichen mit der RockShox Lyrik Ultimate, ihrer direkten Rivalin, verfügt die 36 über ein geringfügig sensibleres Ansprechverhalten. Auch wenn sie nicht so hoch im Federweg steht wie die Lyrik oder Manitou Mezzer Pro, ist ihre Performance im mittleren Federwegsbereich geschmeidig, trotz ordentlichem Support. Wir hatten nie den Eindruck, dass es uns an Gegenhalt mangeln würde. Doch so fantastisch die FOX 36 auch sein mag – letztendlich liefert die RockShox Lyrik nahezu die gleiche Performance für einen Haufen weniger Kohle.
Fazit
Auf dem Trail fühlt sich die FOX 36 Factory an wie eine … nun ja, FOX 36. Sie ist eine absolut erstklassige Federgabel. Die GRIP2-Dämpfungskartusche verleiht einem volle Kontrolle über die Zug- und Druckstufenkreisläufe, sowohl mit High-, als auch Low-Speed-Einstellung. Ist die FOX 36 einmal eingestellt, fallen Grip und Support herausragend aus. Den internen Zweikampf gegen die FOX 38 in puncto knallharter Bikepark-Anwendungen verliert die 36 zwar, dafür ist sie aber eine attraktive leichtere Option für den Allround-Einsatz. Allerdings ist die FOX 36 ohne Zweifel eine überaus teure Federgabel – und die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht.
Tops
- beeindruckend ausgewogene Performance
- volle Kontrolle über das Fahrgefühl
Flops
- teuer
- etwas komplizierteres Setup
Andere 36-Modelle
FOX bietet die 36 in einer Vielzahl von Varianten an. Neben dem von uns getesteten Topmodell 36 Factory GRIP2 bietet die Performance Elite (1.339 €) eine identische Leistung auf dem Trail. Bei beiden Federgabeln sind Dämpfung, Casting, Feder und Features gleich, allein die Standrohre unterscheiden sich – beim Performance Elite-Modell sind sie schwarz anodisiert, bei der Factory-Variante gibt’s das bekannte Kashima-Coating. Auch wenn sie im Rahmen der „Factory“-Modelle mit sexy Kashima-Look verfügbar ist, kann die mit FIT4-Dämpfungskartusche ausgestattete 36 auf dem Trail nicht mit der genialen Performance der beiden Modelle mit GRIP2-Dämpfung mithalten. Trotzdem ist sie eine sehr gute Federgabel mit einem einfacheren Setup und einem Climb-Switch-Hebel mit drei Positionen – falls ihr noch immer der Meinung seid, ihr bräuchtet dieses Feature an einer Trail/Enduro-Federgabel. Zusätzlich bietet FOX noch zwei 36er-Gabeln an, die für E-MTBs optimiert sind. Die 36 Factory in der E-MTB-Version besitzt dabei eine speziell abgestimmte GRIP2-Dämpfung, wohingegen das Performance-Modell dasselbe Chassis wie die Performance Elite nutzt, nur ohne die nachrüstbaren Entlüftungsknöpfe. Im Inneren der Gabel arbeitet die einfache, aber spitzenmäßige GRIP-Dämpfung mit einstellbarer Low-Speed-Druckstufe.
Mehr Infos gibt es auf der Hersteller-Website. Ihr wollt wissen wie sich die FOX 36 GRIP2 im Vergleich zur Konkurrenz schlägt? Dann seid ihr hier fündig!
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Text: Fotos: Finlay Anderson