Vorsicht Triggerwarnung: Hier kommt das teuerste Bike im großen Trail-Bike-Vergleichstest. Das Specialized S-Works Turbo Levo SL Light-E-Mountainbike wechselt für 14.000 € den Besitzer. Dafür bekommt man 160/150 mm Federweg und ein gemischtes Laufrad-Setup – alles mit E-Support kombiniert. Reicht das für den Testsieg?
Einen Kleinwagen und einen Jahresvorrat an Bier – oder das Specialized S-Works Turbo Levo SL? Was auf den ersten Blick ziemlich extrem wirkt, hat einen ganz konkreten Grund: Der hohe Preis von 14.000 € resultiert laut Specialized vor allem aus der krassen Fertigungstiefe im E-Bike-Bereich. Software und Display kommen von Specialized selbst und der Motor wird in enger Zusammenarbeit mit Mahle speziell auf die Anforderungen der kalifornischen Bike-Schmiede angepasst. So können die Entwickler von Specialized ihr Bike perfekt um das Motorsystem herum gestalten und müssen nicht auf Vorgaben und Lösungen anderer Hersteller setzen. Von seinem analogen Vorbild – dem Stumpjumper EVO – hat das Levo SL den Marketing-Claim zum ultimativen Trail-Bike übernommen und kann das nun direkt in unserem Vergleichstest unter Beweis stellen. Neben dem höchsten Preis im Test bricht das Levo SL noch den Rekord für das leichteste E-Bike unter den Teilnehmern: Nur 17,5 kg bringt es auf die Waage.
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Trail-Bike 2024 – Die 15 spannendsten Bikes im großen Vergleichstest
Das Specialized S-Works Turbo Levo SL 2023 im Detail
Wie von Specialized gewohnt, ist die Rahmenverarbeitung sehr hoch: Der Lack weist einen Mix aus matt und glänzend aus und die polierte Alu-Dämpferwippe passt zu den silbernen Bremsen. Die Zugverlegung findet durch aufwändig verschraubte Cable Ports im Rahmen statt, welche die Leitungen zuverlässig klemmen und so für Ruhe sorgen. Leise ist das Bike auch an der Kette, bewerkstelligt durch den umfangreichen Sitz- und Kettenstrebenschutz, der außerdem den Rahmen vor Beschädigung schützt. Das Motor-Cover dient zusätzlich als Unterfahrschutz und ist hier geschickt mit einer Schraube befestigt, um es bei Bedarf auszutauschen oder nachzuziehen. Für kleinere Pannen hält das Specialized S-Works Turbo Levo SL im Steuerrohr ein SWAT-Tool parat. Cool: Specialized hat alle Schrauben – ja, z. B. auch die an den Schraubgriffen – am Levo SL so angepasst, dass ihr sie mit dem SWAT-Tool anziehen könnt.
Die Ausstattung des Specialized S-Works Turbo Levo SL 2023
Das Fahrwerk des Specialized S-Works Turbo Levo SL liefert vorn 160 mm Federweg und 150 hinten. Die FOX 36 GRIP2-Federgabel und der FLOAT X-Dämpfer, beide aus der Factory Serie, glänzen mit Kashima-Beschichtung und umfangreicher Einstellbarkeit. Motorsupport in Light-Manier kommt vom Specialized Turbo SL 1.2-Motor mit 50 Nm Drehmoment. Der eigens entwickelte Akku ist fest verbaut und mit 320 Wh der kleinste im E-Bike-Testfeld – er kann aber per Range Extender im Flaschenhalter um 160 Wh erweitert werden. Nützliche Informationen, wie Ladestand oder Support-Mode, erhält man vom Specialized MasterMind-Display, das clean und bündig ins Oberrohr eingelassen ist. Die elektronische RocSshox Reverb AXS-Dropperpost reagiert fast verzögerungsfrei, ist aber mit 170 mm Hub knapp unter dem Durchschnitt. Zuverlässig zum Stehen kommt man durch die SRAM CODE Ultimate Stealth-Bremsen, die auf 200 mm großen Bremsscheiben vorn und hinten wirken. Allerdings läuft die Leitung der Vorderbremse aufgrund der Stealth-Bauweise so nah am Lenker, dass sie klappert – schade. Hier muss man mit einem Kabelbinder nachbessern. Geschaltet wird mit der SRAM X0 Transmission-Schaltgruppe mit 12 Gängen, die auch unter Volllast zuverlässig und „weich“ ihre Arbeit verrichtet, ohne zu hakeln. Das DEITY-Cockpit mit 50-mm-Vorbau wird um einen hauseigenen Roval Carbon-Lenker mit 780 mm Breite ergänzt. Ebenfalls von Specialized sind die gemischt großen Roval-Carbon-Laufräder und die Reifen, die auf 29”-Felgen vorn und 27,5” hinten aufgezogen sind: Vorn rollt ein Butcher in der weicheren T9-Gummimischung und hinten ein Specialized Eliminator in der etwas härteren T7-Mischung. Beide kommen mit identischer GRID Trail-Karkasse – eine stimmige Kombi, die soliden Grip liefert.
Durch S-Sizing und zahlreiche Geometrie-Anpassungen passt das Specialized S-Works Turbo Levo SL wie die Faust aufs Auge. Egal, wessen Faust und Auge.
Specialized S-Works Turbo Levo SL
14.000 €
Specifications
Motor Specialized Turbo SL 1.2 50 Nm
Battery Specialized 320 Wh
Display Specialized MasterMind TCU
Fork FOX 36 Factory GRIP2 160 mm
Rear Shock FOX FLOAT X Factory 150 mm
Seatpost RockShox Reverb AXS 170 mm
Brakes SRAM CODE Ultimate Stealth 200/200 mm
Drivetrain SRAM X0 Transmission 1x12
Stem DEITY 50 mm
Handlebar Roval Carbon 780 mm
Wheelset Roval Traverse SL Carbon 29"/27,5"
Tires Specialized Butcher, Grid Trail, T9/Specialized Elimiator, Grid Trail, T7 2,3"/2,3"
Technical Data
Size S1 S2 S3 S4 S5 S6
Weight 17,5 kg
Specific Features
E-Bike
integriertes Tool
Lenkwinkelverstellung
Flip-Chip
Tuning-Tipp: vordere Bremsleitung mit Clip am Vorbau befestigen
Die Geometrie des Specialized S-Works Turbo Levo SL 2023
Beim Specialized S-Works Turbo Levo SL herrscht – wie bei fast allen Specialized-Mountainbikes – das S-Sizing Model. Unter den sechs Größen (S1–S6) könnt ihr euch anhand der Länge des Bikes entscheiden, denn das Sitzrohr ist immer möglichst kurz gehalten. So sind Up- oder Downsizing kein Problem und nur von euren Vorlieben abhängig. Zudem sind beim Levo SL die universellsten Geo-Anpassungen im Testfeld möglich. Es gibt gleich drei Verstellmöglichkeiten: darunter zwei Flip-Chips und exzentrische Lagerschalen im Steuersatz. Ein Flip-Chip verbirgt sich im Dämpfer-Yoke und ändert primär die Tretlagerhöhe. Der andere ist hinten an der Kettenstrebe, um anstatt des Mullet-Setups auch komplett mit 29” fahren zu können. Das Ganze ermöglicht in Summe bis zu 2,5°-Anpassung beim Lenkwinkel.
Größe | S1 | S2 | S3 | S4 | S5 | S6 |
---|---|---|---|---|---|---|
Oberrohr | 560 mm | 582 mm | 604 mm | 631 mm | 659 mm | 691 mm |
Sattelrohr | 385 mm | 385 mm | 405 mm | 425 mm | 445 mm | 465 mm |
Steuerrohr | 95 mm | 100 mm | 110 mm | 120 mm | 130 mm | 140 mm |
Lenkwinkel | 64,6° | 64,6° | 64,6° | 64,6° | 64,6° | 64,6° |
Sitzwinkel | 75,8° | 75,8° | 75,8° | 75,8° | 75,8° | 75,8° |
Kettenstreben | 433 mm | 432 mm | 432 mm | 432 mm | 432 mm | 432 mm |
Tretlagerabsenkung | 34 mm | 29 mm | 29 mm | 29 mm | 29 mm | 29 mm |
Radstand | 1.158 mm | 1.184 mm | 1.208 mm | 1.238 mm | 1.267 mm | 1.301 mm |
Reach | 405 mm | 425 mm | 445 mm | 470 mm | 495 mm | 525 mm |
Stack | 609 mm | 617 mm | 626 mm | 635 mm | 645 mm | 654 mm |
Das Specialized S-Works Turbo Levo SL 2023 auf dem Trail
Im Uphill – der Disziplin, die mit dem E-Bike gleichzeitig das Spaßbarometer nach oben klettern lässt – ist die Motorpower des Specialized Turbo SL 1.2 vergleichbar mit der des TQ-Motors im Mondraker Neat. Der Turbo SL 1.2-Motor liefert euch mit 50 Nm ein natürliches Fahrgefühl, was noch einen hohen eigenen Input erfordert. Durch die relativ hohe Front sitzt man schön integriert im Bike, allerdings neigt das Specialized Vorderrad auf sehr steilen technischen Passagen etwas zum Steigen. Dafür ist der Komfort in der Ebene super ausgewogen und auch für lange Touren tauglich.
Das Fahrwerk hat immer genug Reserven und Gegenhalt. So geht das Specialized S-Works Turbo Levo SL genauso fix durch enge Kurven wie durch ein grobes Steinfeld.
Kommen wir zum spaßigsten Teil: bergab! Hier zeigt sich schnell, was man mit dem Specialized besonders gut erfährt: draufsetzen und wohlfühlen. Die Balance zwischen Vorder- und Hinterrad ist sehr ausgeglichen und man braucht in Kurven keine Seite explizit belasten. Durch den tiefen Stand fühlt man sich von Beginn an als Teil des Bikes. Das Mullet-Setup verstärkt das integrierte Feeling noch weiter. So macht das Bike genau das, was es soll – Spaß und Sicherheit vermitteln. Ein noch intuitiveres Handling hatte sonst nur unser Testsieger-Bike, das YT JEFFSY. Wird es mal steiler, kommt euch die Geo des Specialized entgegen: Die hohe Front vermittelt Sicherheit und das reaktive Fahrwerk bringt Kontrolle. So nimmt das Bike fast jedem Trail den Schrecken. Das Fahrwerk erzeugt ausreichend Traktion, ohne den Fahrerinput im Nichts verpuffen zu lassen. Noch besser: Es lässt auch großzügig Spielereien zu. So könnt ihr mühelos um Hindernisse herum zirkeln oder auch an Kanten abziehen, ohne dass es zum Kraftakt wird. Das Levo SL zeigt einen nahezu perfekten Kompromiss aus Traktion und Gegenhalt. Dennoch schafft es das Bike, auf schnellen, unruhigen Passagen große Traktion zu erzeugen, und frisst kleine Schläge mit dem sensiblen Fahrwerk zum Frühstück. Die Reifen kleben – solange ihr das wollt – stets zuverlässig am Boden. In Kurven und auf engen Strecken gelingt dem Levo SL eine sehr gute Balance zwischen Laufruhe und Agilität. Enge Kurven mit schnellen Richtungswechseln sind super easy zu meistern, aber durch das traktionsstarke Fahrwerk ist es eine Nuance kraftaufwendiger als auf dem YETI SB140. Das kleine Mullet-Hinterrad mit Nachdruck durch Anlieger zu drücken, ist ebenso Levo-Metier wie auf Geradeaus-Trails beherzt die Bremse offen zu lassen. Denn das geht genauso easy und sicher wie auf der analogen Konkurrenz von YT und YETI. Damit spielt das Specialized S-Works Turbo Levo SL – auch als Light-E-Mountainbike – unter den drei besten Bikes im Vergleichstest mit und verpasst nur knapp den Testsieg.
Für wen ist das Specialized S-Works Turbo Levo SL?
Das Specialized S-Works Turbo Levo SL ist ein extrem spaßiges Trail-Bike, das mit variablem S-Sizing-Konzept und easy Handling wirklich für jeden passt. Ein Plus sind dabei die Geo-Anpassungen, die es ermöglichen, das Bike super vielseitig einzustellen und an sich oder die Trails anzupassen. Durch das Feedback-vermittelnde Fahrwerk ist das S-Works Turbo Levo SL für sportliche Fahrer ebenso ein treuer Begleiter wie für Einsteiger – das nötige Kleingeld vorausgesetzt. Dafür lohnt sich der Invest und man kann locker sein Skill-Level auf dem Bike verbessern – der erleichterte Uphill ist dabei natürlich ein hilfreicher Support. So werden Höhenmeter multipliziert und der Spaß bergab gesteigert.
Das Fazit zum Specialized S-Works Turbo Levo SL
Das Specialized ist das beste Light-E-Mountainbike im Testfeld und rutscht nur ganz knapp am Testsieg vorbei. Für alle, die nicht auf E-Support und einem der ausgewogensten Fahrwerke im Test verzichten wollen, ist das Levo SL die richtige Wahl. Durch die extrem hohe Entwicklungstiefe, gepaart mit makelloser Ausstattung und den cleanen Detaillösungen, strotzt das Bike vor Selbstbewusstsein – zu Recht, denn die Trail-Performance ist eine der besten im Test.
Tops
- sehr gute Balance zwischen Agilität und Laufruhe
- vermittelt stärkstes Draufsetzen-und-Wohlfühlen-Feeling
- sehr gute Motor-Systemintegration
Flops
- Bremskabel klappert am Lenker
- hoher Preis
Mehr Informationen findet ihr unter specialized.com
Das Testfeld
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Text: Julian Schwede Fotos: Peter Walker